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Medikamentenausgaben steigen trotz Sparmassnahmen

Gemäss dem Preisüberwacher Strahm ersetzen Pharmafirmen alte, preisgünstige Medikamente durch teurere. imagepoint

Die Sparmassnahmen des Bundes gegen die Preisspirale bei den Arzneimitteln haben bislang nur wenig bewirkt. Sie wurden durch neue teure Medikamente mehr als kompensiert.

Die Gesamtausgaben für kassenpflichtige Medikamente stiegen im letzten Jahr um 120 Millionen Franken – trotz Einsparungen von rund 365 Millionen, wie der Preisüberwacher bekannt gab.

Der Bund hatte im Herbst 2005 zwei Massnahmen gegen die hohen Medikamentenpreise durchgesetzt.Das Bundesamt für Gesundheit (BAG) vereinbarte mit der Pharmaindustrie Preissenkungen bei älteren Medikamenten.

Zudem erhöhte der Bundesrat auf Antrag von Gesundheitsminister Pascal Couchepin den Selbstbehalt für Originalpräparate auf 20 Prozent.

Die Idee dahinter: Die Patienten sollten von Arzt und Apotheker wenn immer möglich billigere Generika verlangen, deren Selbstbehalt bei 10 Prozent blieb.

Millionen eingespart

Der Preisüberwacher hat nun den Spareffekt dieser Massnahmen ermittelt, wie er am Dienstag mitteilte: Die Einsparungen belaufen sich insgesamt auf rund 365 Mio. Franken.

Trotzdem stiegen die Gesamtkosten der Medikamente im Jahr 2006 um 120 Mio. Franken gegenüber dem Vorjahr.

“Die Marktentwicklung hat also die Einsparungen überkompensiert und per saldo dennoch zu einer Kostenerhöhung für die Krankenversicherung geführt”, so Strahm.

“Schlupfloch” ausgenützt

Als Hauptgrund dafür macht der Preisüberwacher ein “legales Schlupfloch” in der Preisvereinbarung aus.

Pharmafirmen nehmen laut Strahm alte, preisgünstige Medikamente vom Markt und ersetzen sie durch neue, viel teurere. Dabei würden häufig bloss alte Wirkstoffe neu kombiniert.

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Preisüberwacher

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Der Schweizer Preisüberwacher ist ein Unikum in Europa. Zu seinen Aufgaben gehört es, die Entwicklung der Preise zu beobachten und überhöhte Preise zu verhindern, die auf kartellähnliche Absprachen zurückgehen. Der Preisüberwacher sucht bei Konflikten zuerst nach einer einvernehmlichen Lösung. Im Fall eines Misserfolgs kann er die Preise senken lassen oder die Reduzierung einer Preiserhöhung verlangen.…

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Weitere Massnahmen nötig

Insgesamt seien die Senkungsmassnahmen zwar erfolgreich gewesen, ihre Wirkung sei jedoch einmalig, schreibt Strahm. Der Trend zu höheren Kosten könne nur mit neuen, nachhaltigen Vorgaben gebrochen werden.

Strahm fordert deshalb drei Massnahmen, die alle in Bundesrat und Parlament in Beratung sind.

Dabei geht es insbesondere um die im vergangenen Juni vom Bundesrat beschlossene Sofortmassnahme, die Preise für alle zwischen 1993 und 2002 zugelassenen Medikamente zu überprüfen.

Auch soll alle drei Jahre eine Preisüberprüfung vorgenommen werden. Und es brauche zwingend eine Wirksamkeitsprüfung für Medikamente als Voraussetzung für die Kassenzulassung, um kostentreibende Scheininnovationen zu bremsen, fordert Strahm.

Pharmabranche wehrt sich

Die Pharmabranche weist die Vorwürfe des Preisüberwachers zurück: Die Sparziele der Vereinbarung seien deutlich übertroffen worden, sagte Thomas Cueni, der Generalsekretär von Interpharma, dem Verband der forschenden pharmazeutischen Firmen.

In der Schweiz sei der Pharmamarkt im vergangenen Jahr viel weniger stark gewachsen als in anderen Ländern. Das Wachstum sei nicht auf “Scheininnovationen” zurückzuführen, sondern auf “innovative” neue Produkte wie Krebsmedikamente oder gentechnisch hergestellte Arzneien, hiess es.

swissinfo und Agenturen

Was teurer wurde:

Im Jahr 2006 zog die Pharmaindustrie 598 bisherige Medikamente mit einem Durchschnittspreis von 66,5 Fr. pro Packung vom Markt zurück.

Gleichzeitig kamen 543 neue Präparate mit einem Durchschnittspreis von 180,70 Fr. pro Packung auf den Markt.

Die neuen Medikamente kosten also im Schnitt drei Mal so viel wie die alten.

Was eingespart wurde:

Das Medikamenten-Preissenkungspaket des Bundes hat im Jahr 2006 Einsparungen von rund 365 Mio. Fr. erzielt.

Die direkte Einsparung aufgrund der Vereinbarung wird auf 180 Mio. Fr. beziffert, 80 Mio. weniger als erwartet.

Bei der Generika-Verordnung wird die direkte Einsparung durch die Ersetzung von Original-Medikamenten durch Generika auf rund 65 Mio. Fr. geschätzt.

Der indirekte Spareffekt durch freiwillige Senkung der Original-Medikamente beläuft sich auf 120 Mio. Franken.

Anteil der Ausgaben für Medikamente an den gesamten Gesundheitskosten:

Schweiz: 10,4%
USA: 12,4%
Deutschland: 15,2%
Frankreich: 16,4%
Italien: 20,1%

Geringster Anteil: Norwegen mit 9,1%
Höchster Anteil: Slowakische Republik mit 31,9%

(Zahlen 2005, Quelle OECD)

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