Mehr als nur Brunnen und Röhren
Die Schweizer Entwicklungshilfe misst dem Wasserproblem seit langem grosse Bedeutung zu.
Früher ging es vor allem um die Wasserversorgung. Heute dagegen werden vermehrt auch die wirtschaftlichen und ökologischen Faktoren mit berücksichtigt.
Um Probleme mit Wasser kommt man bei der Entwicklungshilfe nicht herum. Für die Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) ist es seit den 50er-Jahren ein Thema. Dafür wendet die DEZA heute rund 10% ihres Jahresbudgets auf (Budget total 2002: 1,2 Mrd Franken).
"Zuerst ging es vor allem um die Versorgung mit Trinkwasser, später kam dann die Frage der Siedlungshygiene dazu", erklärt Armon Hartmann, der in der DEZA für Wasserprojekte verantwortlich ist.
Ein Jahrzehnt für nichts?
Er erinnert daran, dass 1981 bis1990 zum "Internationalen Jahrzehnt des Trinkwassers und der Siedlungshygiene" erklärt worden war.
13 Jahre später haben noch immer 1,2 Milliarden Menschen keinen Zugang zu genug oder genügend sauberem Wasser. Und zweimal so viele leben ohne Siedlungshygiene. Bedeuten diese erschreckenden Zahlen, dass das Jahrzehnt ein grosser Misserfolg war?
"In jener Zeit bauten wir viel, und dabei lernten wir auch viel", relativiert Hartmann. In ihrer Broschüre zum Wasser beschreibt die DEZA die durchgeführten Projekte jener Zeit selber als "beeindruckend".
Leider machte das Bevölkerungswachstum die Auswirkungen zunichte. So sehr, dass der Anteil von Menschen mit Zugang zu einer Wasserversorgung zwischen 1981 und 1990 prozentual überhaupt nicht zugenommen hat.
Eine neue Sichtweise
Deshalb ist es dreizehn Jahre später durchaus angebracht, dem Wasser erneut ein Internationales Jahr zu widmen. Denn die Entwicklungsfachleute haben heute dank ihren zusätzlichen Erfahrungen eine umfassendere Sicht des Problems.
Insgesamt werden 70% des weltweit genutzten Süsswassers für die Bewässerung von Feldern eingesetzt. Bei den vorgesehenen Aktivitäten im Wasserbereich muss also auch über die Ernährungssicherung nachgedacht werden, ohne aber dabei die Wasserökosysteme zu vernachlässigen.
Die Entwicklungshilfe musste auch realistischer werden. "Wir mussten einsehen, dass eine Wasserversorgung, wie wir sie in der Schweiz haben, nicht für alle möglich ist", fasst Hartmann zusammen.
Es ist deshalb ausserordentlich wichtig, Lösungen zu finden, die den Mitteln der Empfängergemeinschaften entsprechen. Denn der Unterhalt des Wassernetzes macht jährlich rund 10% des für die Erstinstallation aufgewendeten Betrags aus.
Ferner muss den Nutzern ein System angeboten werden, das sie verstehen und das ihren kulturellen Traditionen entspricht. So dürfen in einigen Regionen zum Beispiel keine Brunnen in der Nähe eines Friedhofes gebaut werden. Dort würde niemand Wasser holen.
Lokal handeln
Getreu ihrer Tradition konzentriert sich die Hilfe der Schweiz vor allem auf die ländlichen Gebiete, und dabei gibt sie den betroffenen Gemeinschaften und Familien eine direkte Mitsprache.
"Seit gut zehn Jahren arbeiten wir bei der Wassernutzung mehr und mehr mit der Zivilgesellschaft und nicht mehr mit den Regierungen zusammen", sagt Hartmann. "Wir müssen die Leute davon überzeugen, dass sie selber Verantwortung übernehmen, das sie sich als Eigentümer ihrer Einrichtungen fühlen."
Mit ihren beschränkten Mitteln kann die Schweiz natürlich nicht allen helfen. Deshalb konzentriert sie ihre Bemühungen auf rund fünfzehn Länder in Lateinamerika, Afrika und Südasien.
Aber sie ist auch sehr aktiv in den grossen internationalen Organisationen wie dem "World Water Council" und der "Global Water Partnership".
Im Feld arbeitet die DEZA ausserdem oft mit schweizerischen und ausländischen Nichtregierungs-Organisationen sowie mit den staatlichen Hilfsagenturen anderer Länder zusammen.
"Wenn wir uns mit einem Bereich nicht befassen, heisst das nicht, dass wir ihn nicht als wichtig erachten", erklärt Hartmann. "Aber wenn sich andere darin besser auskennen, überlassen wir das ihnen. Das ist eine Frage der Effizienz."
Trotz allem optimistisch
"Noch immer gibt es über eine Milliarde Menschen ohne Wasser und zweimal soviel ohne Siedlungshygiene", erinnert der DEZA-Mitarbeiter. "Auch dürfen wir die unbedingt nötigen Renovationen nicht vergessen, die in einigen Ländern, insbesondere im Osten, bald anstehen."
Das UNO-Jahr des Süsswassers genügt also ganz sicher nicht, um alle Probleme zu lösen. Trotzdem, und obwohl man davon ausgeht, dass ein guter Drittel der Menschheit bis 2050 an Wassermangel leiden wird, bleibt Armon Hartmann so optimistisch wie die Leute im Feld.
"Wenn ich das nicht wäre, müsste ich einen anderen Beruf ergreifen."
swissinfo, Marc-André Miserez

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