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Mehr Markt für die Schweizer Landwirtschaft

Die Schweizer Landwirtschaftspolitik bleibt umstritten. Keystone

Der wirtschaftspolitische Think Tank Avenir Suisse fordert in einer Studie einen radikalen Kurswechsel in der Schweizer Landwirtschaft und einen Rückzug der staatlichen Eingriffe.

Das Bundesamt für Landwirtschaft kommt seinerseits im eben veröffentlichten Agrarbericht 2006 zum Schluss, dass die Schweizer Bauern bei sinkenden Einkommen ihre ökologischen Leistungen verbessert haben.

Bis in 15 Jahren sollen in der Schweizer Landwirtschaft Zölle und Marktstützungen fallen, die Direktzahlungen in Leistungsaufträge umgewandelt und das bäuerliche Bodenrecht aufgehoben werden.

Dieses Bild einer Schweizer Landwirtschaft zeichnet der Think Tank der Schweizer Wirtschaft in einer am Donnerstag in Bern an einer Medienkonferenz vorgelegten Studie mit dem Titel “Der befreite Bauer”.

Das Geschehen bestimmt der bäuerliche Unternehmer, der Staat garantiert lediglich die Rahmenbedingungen.

Vorteile wären laut Avenir Suisse unter anderem deutlich tiefere Nahrungsmittelpreise in der Schweiz. Zudem könnten Bundesmittel direkterer für explizit nachgefragte Leistungen wie etwa die Landschaftspflege eingesetzt werden.

Diskussion anstossen

Mit der Studie will Avenir Suisse nicht das Reformprojekt Agrarpolitik 2011 beeinflussen, wie die Organisation festhielt. Vielmehr solle damit eine längst fällige grundsätzliche Diskussion über die Zukunft der Schweizer Landwirtschaft nach 2010 angestossen werden.

Das Dossier Agrarpolitik 2011 liegt derzeit beim Parlament. Der vom Bundesrat vorgelegte Entwurf sieht eine Halbierung der Marktstützung, die Abschaffung der Exportsubventionen und mehr Direktzahlungen vor. Ziel ist eine wettbewerbsfähigere Landwirtschaft.

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Avenir Suisse

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Avenir Suisse wurde 1999 von 14 international tätigen Schweizer Firmen als operative Stiftung und als unabhängiger Think Tank für die Schweiz gegründet. Nach angelsächsischem Vorbild engagiert sich Avenir Suisse für die gesellschafts- und wirtschaftspolitische Entwicklung der Schweiz. Der Think Tank geht davon aus, dass in der Regel den Marktkräften ein möglichst weiter Spielraum eingeräumt werden…

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Kritische Reaktionen

Die unabhängige Zeitung Schweizer Bauer meint, es sei für Avenir Suisse ein Leichtes gewesen, der Landwirtschaft eines auszuwischen, da sich in den letzten Jahren kaum jemand ernsthaft mit der Frage beschäftigt hätte, ob die Instrumente der Agrarpolitik noch auf das ursprüngliche Ziel ausgerichtet seien.

Man müsse das Direktzahlungssystem auf die Effizienzstrasse zurückbringen, sonst bestehe das Risiko, “dass bei einer Korrektur wichtiges Geld für die Landwirtschaft übermässig stark gestrichen wird”.

Der Schweizerische Bauernverband (SBV) bedauert, dass Avenir Suisse weitgehend “bei der teilweise mit Fehlern behafteten Analyse der Herausforderungen stehen bleibt”.

Die lehrbuchhaft-liberalen Überlegungen zeigten keine brauchbaren Lösungsansätze auf und böten der Landwirtschaft keine wirtschaftliche Perspektive.

Ins gleiche Horn stossen Umweltverbände, Konsumentenschützer und das Bundesamt für Landwirtschaft (BLW).

Agrarbericht 2006

Der Strukturwandel in der Landwirtschaft geht laut dem am Donnerstag vom BLW veröffentlichten siebten Agrarbericht weiter und wickelt sich nach seiner Ansicht sozialverträglich ab.

Der Bericht bezeichnet das Jahr 2005 als durchschnittlich. Das landwirtschaftliche Einkommen pro Betrieb betrug rund 54’000 Franken. Es war damit um 6000 Franken tiefer als im sehr guten Landwirtschaftsjahr 2004.

Fortschritte meldet das Bundesamt bei den ökologischen Leistungen: Die Bauern setzten weniger Handelsdünger und weniger Pflanzenschutzmittel ein und pflegten deutlich mehr ökologische Ausgleichsflächen.

Sie hielten zudem mehr Tiere gemäss den Anforderungen der beiden Tierhaltungsprogramme RAUS (regelmässiger Auslauf im Freien) und BTS (besonders tierfreundliche Stallhaltungssysteme) als zu Beginn der 90er-Jahre.

Fast elf Prozent der Fläche wird mittlerweile biologisch bewirtschaftet. Damit habe die Schweizer Landwirtschaft im ökologischen Bereich einen guten Stand erreicht.

Für das laufende Jahr erwartet das BLW einen leichten Rückgang des landwirtschaftlichen Einkommens.

swissinfo und Agenturen

2005 arbeiteten in der Landwirtschaft 188’000 Personen.
1990 waren es noch 254’000.
1990 betrugen die Ausgaben des Bundes für die Landwirtschaft rund 2,6 Mrd. Franken.
2005 betrug das Budget mehr als 3,7 Mrd. Fr., das sind 7,3% der Gesamtausgaben des Bundes.
Zwischen 2000 und 2005 erhöhten sich die Importe um 10% auf 9,4 Mrd. Fr. Die Exporte legten sogar um einen Viertel auf 4,4 Mrd. Fr. zu.
2005 machte der Landwirtschaftsanteil an der Bruttowertschöpfung rund 1% aus.

Die Schweiz begann 1993 mit der Landwirtschafts-Reform, die sich mehr dem Markt annähern sollte. Bis dahin erhielten die Bauern Produktions- und Abnahmegarantien zu festgelegten Preisen. Die Schweizer Landwirtschaft war damals – zusammen mit Japan – die bestgeschützte der Welt.

Die Subventionen wurden durch Direktzahlungen ersetzt. Der Staat zahlt den Bauern eine leistungsdefinierte Finanzhilfe. Zum Beispiel für die Pflege der Landschaft.

Ausserdem stehen den Landwirten ökologische Direktzahlungen zu, wenn sie biologischen Landbau betreiben.

Neben dem ökologischen Aspekt ist das Hauptziel der Reform, die Schweizer Landwirtschaft wettbewerbsfähiger zu machen. Dazu gehört eine Verminderung der Markt stützenden Zahlungen, wie beispielsweise die Aufhebung der Exportsubventionen.

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