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Mehr Transparenz bei Wahlspenden

Omnipräsenter CVP-Kandidat Michele Moor.

Der teure Wahlkampf der SVP und einzelner Kandidaten hat den Ruf nach Offenlegung der Gönner laut werden lassen. Die SP liebäugelt gar mit der Lancierung einer Volksinitiative.

Mehr Transparenz bei den Parteien- und Wahlkampfbudgets wäre auch im Sinne der OSZE. Im Parlament sind analoge Vorstösse bis anhin gescheitert.

Geld im Wahlkampf kann sicherlich nicht alles, aber doch einiges bewegen. Beispiel Tessin: Nationalrätin Chiara Simoneschi-Cortesi von der Christlichdemokratischen Volkspartei (CVP) wäre fast von einem vermögenden Newcomer um die Krönung ihrer politischen Karriere gebracht worden.

Als bisherige zweite Vizepräsidentin der grossen Kammer fiebert sie ihrer Wahl zur ersten Bürgerin im Lande entgegen. Doch am Wahlsonntag lag ihr der parteiinterne Konkurrent Michele Moor im Nacken. Simoneschi-Cortesi landete mit 1227 Stimmen Vorsprung schliesslich nur knapp vor ihrem Verfolger.

Michele Moor? Praktisch niemand kannte den 42-jährigen Oberst im Generalstab und Präsident der Schweizerischen Offiziersgesellschaft (SOG). Der Ökonom wurde von der CVP als Quereinsteiger ohne jegliche politische Erfahrung portiert. Was der Chef der Wegelin-Bank in Lugano allerdings mitbrachte, war neben einem geschickten Auftreten auch ein komfortables finanzielles Polster.

Beispiellose Kampagne

In einer beispiellosen Kampagne hat er den Kanton Tessin mit seinen Wahlplakaten und Zeitungsanzeigen zugepflastert. Und das Ergebnis stellte sich ein. Moor brachte eine alt gediente und erfahrene Politfrau wie Chiara Simoneschi-Cortesi ins Schwitzen.

Moor bezeichnet gegenüber swissinfo die Schätzung von mehreren hunderttausend Franken für seine Kampagne als vollkommen übertrieben: “Es war viel weniger.” Er sei bereit, sein Budget offen zu legen, wenn dies auch alle anderen Kandidaten täten. Und er verweist auf Kandidaten, die viel investierten, aber kaum Stimmen machten. Moor: “Es kann also nicht nur am Geld liegen.”

Doch wie bei keinem anderen Kandidaten hat Moors Kampagne Diskussionen auslöst. “Das Beispiel Moor ist beunruhigend”, meint etwa der Tessiner Ständerat Dick Marty von der Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP). “Denn es zeigt, dass es fast möglich ist, sich mit Geld ein politisches Amt zu erkaufen.” Laut Marty erlebte die Schweiz eine Amerikanisierung ihres Wahlkampfs.

Namen der Spender unbekannt

Ähnlich wie der Fall Moor im Tessin gab landesweit die Kampagne der Schweizerischen Volkspartei (SVP) zu reden, die etliche Millionen und ein Vielfaches der politischen Gegner verschlungen hat. Wer das Geld aufbrachte, ist unbekannt.

Die Namen der Spender werden von der SVP geheim gehalten – genauso wie bei FDP und CVP. Grund: Schutz der Privatsphäre. Marty dagegen meint: “Ich finde, in einer Demokratie sollte Transparenz herrschen. Die Namen der Spender sollten bekannt sein.”

Ganz in diesem Sinne argumentiert die Sozialdemokratische Partei (SP), die laut ihrem Vizepräsidenten Pierre-Yves Maillard darüber nachdenkt, eine entsprechende Volksinitiative zu lancieren. Darin soll neben einer Offenlegungspflicht in der Verfassung auch eine Obergrenze für finanzielle Zuwendungen verankert werden.

Kritik der OSZE

Berufen kann sich die SP unter anderem auf die Wahlbeobachter der Organisation für Sicherheit und Zusammenarbeit in Europa (OSZE), die soeben bei ihrem Besuch in der Schweiz die untransparente Finanzierung von Parteien und politischen Kampagnen kritisierten.

“Ob eine Volksinitiative oder ein anderes, eventuell parlamentarisches Instrument, ist noch nicht entschieden: Wir wollen einfach, dass sich die Situation von diesem Jahr nicht 2011 wiederholt”, sagt SP-Mediensprecherin Claudine Godard. Die finanziellen Spiesse seien im Wahlkampf zu ungleich verteilt gewesen.

Lenkt die SP mit diesem Vorstoss nicht wieder von ihren eigenen Problemen und fehlenden Inhalten ab? “Wir analysieren unsere Fehler sehr genau, aber das Ungleichgewicht in der Parteienfinanzierung bleibt ein brennendes Thema”, antwortet Godard.

Initiative im Parlament gescheitert

Die Idee einer Volksinitiative hat einen guten Grund, denn alle bisherigen parlamentarischen Versuche für mehr Transparenz bei der Parteien- und Wahlkampffinanzierung scheiterten.

Vor genau einem Monat lehnte der Nationalrat eine parlamentarische Initiative des Waadtländer Sozialdemokraten Roger Nordmann zu mehr Transparenz bei der Finanzierung der politischen Parteien sowie der Wahl- und Abstimmungskampagnen mit 78 zu 60 Stimmen ab.

Die Gegner des Vorstosses erachteten das Ziel der Initiative zwar als “edel”. Doch sie argumentierten, dass eine Offenlegungspflicht in der Umsetzung schwierig sei und sogar kontraproduktive Effekte auslösen könnte. Man müsste davon ausgehen, dass findige Geister immer Möglichkeiten fänden, die Bestimmungen zu umgehen, sagte der Aargauer FDP-Nationalrat Philipp Müller während der Debatte.

swissinfo, Gerhard Lob

Die SVP als stärkste Partei hat im Vorfeld der eidgenössischen Wahlen mehr Geld für Plakate und Inserate ausgegeben als alle anderen Parteien. Zwischen Juli und September gingen 52% aller solcher Kosten aufs Konto der SVP, im August gar 77%.

Gemäss Daten des Marktforschungs-Unternehmens Media Focus belegt die FDP den zweiten Rang mit einem Anteil von 20% an derartigen Aufwendungen in den genannten drei Monaten. Es folgen SP (9 %), CVP (8 %) und Grüne (2 %).

Die übrigen 8% der Ausgaben verteilen sich auf die Kleinparteien. Die Angaben für den Wahlmonat Oktober werden erst gegen den 20. November bekannt sein.

Auch unter Politologen ist das Instrument der Transparenz umstritten. “Die Beispiele aus Ländern mit Transparenz-Bestimmungen zeigen, dass die Probleme nicht gelöst sind”, meint der in Freiburg lehrende Staatsrechtler Tiziano Balmelli.

Er verweist auch auf das Kantonalgesetz im Tessin, das eine Deklarationspflicht für Wahlkampfgelder vorsieht, aber ein Papiertiger geblieben ist. Balmelli plädiert für eine Obergrenze bei den Wahlkampfausgaben. Doch auch dieses Instrument sei schwer umzusetzen und zu kontrollieren.

“Gewisse Spender wollen anonym bleiben, ansonsten ziehen sie sich zurück”, gibt der Politologe Andreas Ladner von der Uni Lausanne im Tages-Anzeiger zu bedenken. Und Hans Hirter von der Uni Bern kommt zum selben Schluss. Er fordert eine bessere Abgeltung der Fraktionsarbeit.

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