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“Das kann man nur in Genf erleben”

Olive Mpongo (Kamerun), Etienne Kaboré (Burkina Faso) und Arnaud Irakoze (Burundi)
Absolventen der Sommeruniversität: Olive Mpongo (Kamerun), Etienne Kaboré (Burkina Faso) und Arnaud Irakoze (Burundi) (von links nach rechts). zvg

Abseits grosser Schlagzeilen leistet das Internationale Genf viele kleine, aber wesentliche Beiträge für die Staatengemeinschaft. Ein Beispiel? Diesen Sommer haben 30 Personen am Unterricht der Sommeruniversität des Collège Universitaire Henry Dunant teilgenommen. Ihre Kenntnisse über nachhaltige Entwicklung und Menschenrechte kommen nun in ihren Herkunftsländern zum Einsatz.

Die Menschenrechte sind  für Tahir Arim Abdelhakim wichtig. Denn “es geht um die Würde der Menschen”. Er ist Generaldirektor einer NGO im Tschad, die mit Uno-Organisationen zusammenarbeitet und sowohl Entwicklungsarbeit leistet, als auch humanitäre Hilfe, etwa für die 400’000 Flüchtlinge, die das Land beherbergt. Ein Problem der Würde gebe es auch, wenn kein Krieg herrsche, sagt er. Oft würden nämlich jene vergessen, die nichts zu essen oder kein sauberes Trinkwasser haben. Es werde viel von nachhaltiger Entwicklung geredet. Aber derzeit interessiere sich die internationale Staatengemeinschaft insbesondere für Fragen zu Migration und Terrorismus. Und die Geldgeber finanzierten vor allem Sicherheitsthemen. Wenn seine Organisation ein Projekt vorschlage für die Wasserversorgung einer Gemeinde oder Region und eines zur Bekämpfung der Radikalisierung von Jugendlichen, werde nur das zweite Projekt finanziert. “Aber wenn die Menschen kein Wasser haben, geht nichts.” Abdelhakim fragte sich deshalb, welche Möglichkeiten es gibt, die der Bevölkerung ermöglichen, eine Wasserversorgung einzufordern.

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Gesichter der Menschenrechte

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Alle Menschen sollten das Recht haben, ihre Vertreter in Regierungen und Behörden zu wählen, für öffentliche Ämter zu kandidieren oder über Fragen abzustimmen, die das individuelle und gesellschaftliche Leben grundlegend bestimmen. Laut Navi Pillay, der UNO-Hochkommissarin für Menschenrechte, haben die Menschen in den letzten Jahr bei den Regierungen an Einfluss gewonnen, was die Gestaltung von…

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Schule mit Rücksicht auf Urvölker

Olive Mpongo aus Kamerun hat die Sommeruniversität ebenfalls besucht. Als Mitglied der Menschenrechtskommission Kameruns befasst sie sich mit den Rechten der Ureinwohner wie dem Hirtenvolk Peul in der Savanne und den Pygmäen im Regenwald. Sie bezeichnet Bildung als Grundlage für eine nachhaltige Entwicklung. Doch das Schulprogramm in Kamerun berücksichtige die Zeiten nicht, in denen die indigenen Völker ihre Zeremonien abhalten, was den Schulbesuch der Kinder erschwere. Für Mpongo stellt sich die Frage, welche Politik zu entwickeln sei, damit auch die Kinder der Ureinwohner eine Ausbildung erhalten, wie das die Entwicklungsagenda 2030 der Uno verlangt. Besonders beeindruckt war sie in Genf von der Teilnahme an einer Sitzung des Komitees gegen Rassendiskriminierung, das die Einhaltung der entsprechenden Konvention überwacht. Dabei konnte sie sehen, wie die Regierungen Red und Anwort stehen müssen. “Das kann man nicht erleben, wenn man nicht nach Genf kommt”, sagt sie.

Wie die Uno-Gremien zur Überwachung der Menschenrechte arbeiten, interessiert auch Euloge Niyonzma aus Burundi. Der Journalist beim privaten Radio Publique Africaine (RPA), der “Stimme jener, denen niemand Gehör schenkt”, lebt heute im Exil in Ruanda. Am Tag nachdem der Putsch von Teilen der Armee im Mai 2015 gescheitert war, wurde das Radio in Brand gesetzt, und es gab eine Verfolgungsjagd gegen die Journalisten. Heute senden sie von Ruanda aus. Niyonzima will sich künftig an den NGO-Berichten beteiligen, etwa zu Fragen der Gesundheitsversorgung. Diese Berichte werden von den Uno-Gremien jeweils bei den periodischen Prüfungen der Staaten mitberücksichtigt. Wie das funktioniert, hat der Journalist nun an den CUHD-Kursen gelernt.

Neue Kompetenzen

Ebenfalls aus Burundi kommt Arnaud Irakoze, der aus persönlichem Interesse am Unterricht der Sommeruniversität teilnahm. Er wollte sein Wissen über die Menschenrechte vertiefen. Irakoze ist Rechtsprofessor an der privaten Universität Lumière in Bujumbura sowie am Institut Supérieur des Cadres Militaires. Und er ist Rechtsberater des 1. Vizepräsidenten Burundis. Es sei nicht üblich in Burundi, wirtschaftliche, soziale und kulturelle Rechte zu verlangen, sagt Irakoze. Nun wolle aber die Regierung einige Gesetze einbringen und beispielsweise den Zugang zu Mikrokrediten für Firmengründungen erleichtern, um die Jugendarbeitslosigkeit zu bekämpfen. Die Gesetzesentwürfe werden Beratern wie Irakoze zur Prüfung vorgelegt. Seine neuen Kompetenzen will er zudem an seine Studenten weitergeben. Irakoze vertritt die Regierungsposition, wonach die Krise in Burundi beigelegt sei, die durch die Kandidatur für eine dritte Amtszeit des inzwischen wiedergewählten Staatspräsidenten Pierre Nkurunziza ausgelöst worden war. Laut dem jüngsten Bericht des Uno-Menschenrechtsrats geht die Repression jedoch weiter und die Menschen leben in Angst.

Seine Kenntnisse über die ökonomischen, sozialen und kulturellen Menschenrechte verbessern wollte auch der 32-jährige Richter aus Burkina Faso, Etienne Rakiswiligri Kaboré. Denn als Richter hat er vor allem mit den bürgerlichen und politischen Rechten zu tun. Burkina Faso ist laut Kaboré zahlreichen internationalen Konventionen beigetreten, in manchen Fällen wurde jedoch die nationale Gesetzgebung noch nicht angepasst. Nach den CUHD-Kursen fühlt er sich nun kompetent, die Bestimmungen der Konventionen dennoch anzuwenden.

Thema: 17 Ziele der Uno-Agenda

Seit 21 Jahren organisiert die Stiftung Collège Universitaire Henry Dunant (CUHD) in Genf in Zusammenarbeit mit der Uno und mit Universitäten mehrerer Länder eine Sommeruniversität. Bisher wurden 2000 Personen ausgebildet, sowohl Vertreter von NGO und Medien, als auch von Regierungen. Thema in diesem Jahr waren die 17 Ziele Uno-Agenda 2030 für eine nachhaltige Entwicklung und die wirtschaftlichen, sozialen und kulturellen Menschenrechte. Dazu zählen etwa die Rechte auf Bildung, Gesundheit, Nahrung und Wasser. 

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