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Mentoren für ausländische Arbeitskräfte

Auch KMU müssen vermehrt global denken und handeln. RDB

Ein Mentor-Programm, das so genannte Götti-System, soll ausländischen Arbeitskräften bei der Integration in kleinen und mittleren Unternehmen (KMU) helfen.

Schweizer Firmen müssen ihre Arbeitskräfte zunehmend im Ausland suchen, was für KMU noch ungewohnt ist. “Göttis” sollen bei Problemen Vermittlungsarbeit leisten.

Eine neue Studie der Schweizer Grossbank UBS hat ergeben, dass der Industriesektor in der Schweiz nur zu 91,4% ausgelastet ist und dass 40% der Firmen neues Personal suchen.

Wegen der boomenden Wirtschaft genügt das Angebot an gut ausgebildeten Schweizer Arbeitskräften der Nachfrage nicht mehr. Das gilt besonders für den Bausektor, der vermehrt ausländische Arbeiter ins Land holt.

“KMU suchen gut ausgebildete Arbeitskräfte im Ausland, weil es in der Schweiz nicht genügend gibt. Dabei haben kleinere Unternehmen härter zu kämpfen, weil es schwierig ist, bezüglich Löhnen und Arbeitsbedingungen mit grossen Unternehmen zu konkurrenzieren”, sagt Thierry Volery, Professor am Institut für KMU der Universität St. Gallen, gegenüber swissinfo.

“Eine Lösung des Problems liegt im Ausland. Deshalb finden sich heute auch in kleineren Unternehmen mehr ausländische Arbeitskräfte als früher”, ergänzt er.

Aber im Unterschied zu internationalen Unternehmen wie Novartis, Nestlé und UBS haben KMU weniger Zeit, Ressourcen und Erfahrung mit den demografischen Veränderungen am Arbeitsplatz.

Das Potential voll ausschöpfen

Das “Götti-System” wurde an der ZfU Business School in Thalwil bei Zürich entwickelt. Es bringt neue ausländische Arbeitskräfte mit etablierten Schweizern zusammen, um so den Integrationsprozess zu erleichtern.

“Der jeweilige Mentor sollte Interesse am Herkunftsland der ausländischen Arbeitskraft zeigen”, sagt Christophe Soutter, Leiter der ZfU, gegenüber swissinfo. Und das System soll in beide Richtungen funktionieren.

“Der Götti kann erklären, wie Schweizerinnen und Schweizer leben, wie das kulturelle und politische System hier aussieht”, sagt Soutter weiter. “Wichtig ist aber auch, dass der Götti den Schweizern die Kultur und Lebensphilosophie des neuen Kollegen nahebringt.”

“Das Konzept soll den Unternehmen helfen, Personal aus verschiedenen Kulturen zu integrieren und dessen Potential voll auszuschöpfen.”

Die private Business School trainiert Manager, die bereits in Schweizer Unternehmen arbeiten. Soutter hofft, dass das “Götti-System” durch Abgänger der Schule in die Unternehmen einfliesst.

Neue Mentalität

Die Geister streiten sich darüber, wie wichtig solche Systeme in der Schweiz zur Zeit sind. Thierry Volery unterstreicht, dass die meisten KMU ihre Arbeitskräfte aus dem benachbarten EU-Ländern rekrutieren, um kulturelle und Integrationsprobleme zu vermeiden.

Dem hält Christophe Soutter entgegen, dass auch die Integration von Arbeitskräften aus Europa eine sorgfältige Betreuung braucht, um kulturelle Zusammenstösse zu vermeiden. Beide sind sich einig, dass die Globalisierung Unternehmen aller Grössen zwingt, ihre Philosophie zu ändern.

“Grosse, globale Unternehmen wie Novartis oder Nestlé ändern ihre Sprache und ihre ganze Denkweise, um mit der ganzen Welt operieren zu können”, sagt Soutter. “KMU haben Probleme, weil sie nun global handeln und denken müssen. Ihre Mentalität ändert sich langsam.”

swissinfo, Matthew Allen, Zürich

Ausländische Arbeitskräfte in der Schweiz Ende Juni 2006 (gemäss Bundesamt für Statistik):
Total 850’000. Der Zuwachs gegenüber 2005 beträgt 2,4%.
Schweizer Arbeitskräfte: 3,2 Mio.
Italien: 19% (5000 weniger als 2005)
West-Balkan: 18,7% (2000 weniger)
Deutschland: 12,1% (10’000 oder 10,6% mehr)
Portugal: 12,1% (7000 oder 7,4% mehr)
Spanien und Griechenland: 6,2%
Frankreich: 5%
Österreich: 2,3%
Andere: 24,2%

Mehr als 60% der ausländischen Arbeitskräfte kommen aus der Europäischen Union und der Europäischen Freihandelszone.

Ein Drittel der Arbeitskräfte, die in den letzten zehn Jahren in die Schweiz gekommen sind, haben Manager-Funktionen oder sind als intellektuelle oder wissenschaftliche Kräfte angestellt.

Rund 94% der Arbeitskräfte aus Nord- und Westeuropa, die zwischen Juni 2005 und Juni 2006 eingereist sind, haben eine höhere Ausbildung abgeschlossen. Bei den Immigranten aus Südeuropa und dem Balkan sind dies nur gerade 48%.

Von den in der Schweiz arbeitenden Portugiesen haben nur 28% eine höhere Ausbildung als die Grundschule.

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