Schweizer Perspektiven in 10 Sprachen

Micheline Calmy-Rey bleibt sich treu

Dialog ist für Micheline Calmy-Rey die Grundvoraussetzung für diplomatischen Erfolg. Keystone

Eine Änderung der schweizerischen Aussenpolitik scheint sich nicht anzubahnen. Aussenministerin Calmy-Rey warb an der Botschafterkonferenz in Bern für die Fortsetzung ihrer aktiven Dialogpolitik.

Die Schweizer Aussenpolitik könne sich heute nicht auf die traditionelle Wahrung der wirtschaftlichen Interessen des Landes beschränken, erklärte Micheline Calmy-Rey zum Auftakt der Botschafterkonferenz. Vielmehr müssten neueste Entwicklungen und Schweizer Interessen miteinander verbunden werden.

Denn mit der Europäischen Union diskutiere man schon lange nicht mehr nur über die Normen von Rasenmähern, “sondern über Themen der globalen Menschenrechts- und Friedenspolitik”. Die Schweiz versuche ihre Beziehungen zu wichtigen Machtzentren der Zukunft zu gestalten und auszubauen.

Calmy-Rey sieht sich als politische Realistin. “Wir sind nicht in der Europäischen Union, wir stehen allein in der Welt. Darauf müssen wir unser Handeln abstimmen.”

Dialog-orientierte Diplomatie

Die Schweizer Aussenministerin kann sich keine Diplomatie mit verbundenem Mund und gebundenen Händen vorstellen. Für sie ist der Dialog das wichtigste Mittel einer erfolgreichen diplomatischen Tätigkeit, “auch mit schwierigen Partnern”.

Alternativen seien schlechter, “weil Sanktionen und Isolierung, abgesehen von Ausnahmefällen, in welchen die internationale Gemeinschaft mit einer Stimme spricht, zu gefährlichen Fehlern führen”.

Zunehmend mehr Länder würden heute die Attraktivität von Dialogen bei der Verfolgung nationaler Interessen erkennen, bei der Lösung globaler Fragen oder zwischen Konfliktländern. “Länder befinden sich im Wettbewerb ihrer Dialog-Fähigkeiten.”

Nur die Macht des Wortes

Wirkliche Dialoge seien jedoch risikoreiche Unternehmungen und bedeuteten häufig absurd hohe Investitionen an Zeit und Ressourcen – für unsichere oder bescheidene Resultate.

Die Schweiz habe jedoch nie andere Machtmittel zur Verfügung gehabt als die Macht des Wortes. Schweizerinnen und Schweizer hätten das verstanden.

Calmy-Rey weiss, dass bei Dialogen Kompromisse erzielt werden. Dies heisse aber noch lange nicht, dass damit Werte kompromittiert würden.

Kein Widerspruch

Dialoge stünden deshalb nicht im Widerspruch mit den Interessen der Schweiz, wie dies in den letzten Monaten immer wieder behauptet worden sei. “Ohne den Dialog bei Nuklearfragen hätten wir kaum einen Gasliefervertrag mit dem Iran abschliessen können”, gab sich die Bundesrätin überzeugt.

Zudem sei trotz der Verurteilung zweier türkischer Genozid-Leugner in der Schweiz die Beziehung beider Staaten miteinander “gut und intensiv”.

Zur aktuellen Auseinandersetzung mit Libyen hält sich die Aussenministerin bedeckt. Der Fall sei schwierig. Im Moment fänden libysch-schweizerische Gespräche auf Expertenebene statt. Wenn nötig würde sie sich aber auch persönlich einschalten.

Verbesserungspotenzial

Natürlich könne die schweizerische Aussenpolitik optimiert werden, gab Micheline Calmy-Rey zu. Sie streute sich dabei jedoch keine Asche aufs Haupt und sah das grösste Verbesserungspotential in der departementsübergreifenden Zusammenarbeit. Wirtschafts- und Aussenpolitik gehörten miteinander verknüpft. Leider sei bei gewissen wichtigen Themen das EDA nicht allein zuständig.

Die Schweizer Aussenpolitik könne nur effizienter werden, wenn sie Themenerweiterung betreibe. “Wir müssen die diplomatische Arbeit vermehrt mit Entwicklungs- oder Umweltpolitik verknüpfen.”

Die Aussenministerin bedauert, dass die Schweiz zu wenig Ausland-Militäreinsätze leisten könne. “Peacekeeping ist sehr wichtig.” Leider seien jedoch die dazu nötigen Finanzen nicht vorhanden.

Breitseite gegen die Medien

Für Schwierigkeiten bei der Vermittlung ihrer Politik machte die Aussenministerin auch die schweizerische Medienwelt verantwortlich: In der Schweizer Presse läsen sich Kommentare zu internationalen Ereignissen und Entwicklungen wie ein Kapitel aus der Religionsgeschichte des 16. und 17. Jahrhunderts, geisselte die Aussenministerin.

“Im Zusammenhang mit der schweizerischen Aussenpolitik gelten Einbeziehen, Beeinflussen und Überzeugen als des Teufels. Ausgrenzen, Strafen und Zwingen scheinen die Allheilrezepte. Man fragt sich beinahe, ob die Aufklärung je stattgefunden hat.”

Die Schweiz habe Dialoge mit Hamas und Hisbollah und anderen islamistischen Organisationen oder mit verschiedenen Gruppen im Kosovo geführt, weil diese offensichtlich legitime Interesse der Bevölkerung artikulierten. “Wir haben nicht deren Methoden legitimiert, sondern einen Beitrag zur Abkehr von Gewalt geleistet.”

swissinfo, Etienne Strebel

Rund 170 Vertreterinnen und Vertreter der Schweiz im Ausland, darunter Botschafterinnen und Botschafter, Generalkonsulinnen und Generalkonsuln sowie Leiterinnen und Leiter der Kooperationsbüros der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA) treffen sie vom 25. bis 29. August 2008 zur alljährlich stattfindenden Botschafterkonferenz in Ben.

Die Konferenz wird von EDA-Vorsteherin Micheline Calmy-Rey geleitet.

Mit Plenumsdiskussionen, in Workshops und Arbeitsgruppen will die Aussenministerin die Teilnehmenden intensiv mit den wichtigen Dossiers der schweizerischen Aussenpolitik und mit departements-internen Fragen bekannt machen.

Der traditionelle Ausflug mit dem Bundespräsidenten führt diesmal ins Wallis. Er bildet den Abschluss der Botschafterkonferenz.

In Übereinstimmung mit den JTI-Standards

Mehr: JTI-Zertifizierung von SWI swissinfo.ch

Einen Überblick über die laufenden Debatten mit unseren Journalisten finden Sie hier. Machen Sie mit!

Wenn Sie eine Debatte über ein in diesem Artikel angesprochenes Thema beginnen oder sachliche Fehler melden möchten, senden Sie uns bitte eine E-Mail an german@swissinfo.ch

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft

SWI swissinfo.ch - Zweigniederlassung der Schweizerischen Radio- und Fernsehgesellschaft