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Asylgesuche in Europa: Das hat sich seit dem Höhepunkt 2015 geändert

Mit mehr als 1,3 Millionen Asylgesuchen erlebte Europa 2015 ein Rekordjahr. 2016 ging die Zahl der Gesuche leicht zurück, ist aber immer noch doppelt so hoch wie im Jahr 2014.

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In den Ländern der Europäischen Union und der EFTA (Schweiz, Norwegen, Island und Liechtenstein) wurden 2016 mehr als 1,23 Millionen Asylgesuche registriert. Diese Zahl liegt nahe am Rekordjahr 2015. Syrien, Afghanistan und Irak blieben die drei Länder, aus denen die meisten Asylsuchenden stammten. Mehr als die Hälfte aller Asylgesuche stammten von Menschen aus diesen Konfliktgebieten.

Der Hauptunterschied zwischen den Zahlen von 2015 und 2016 liegt in den Herkunftsländern der Asylsuchenden:

  • Iran und Nigeria: Anstieg von mehr als 50% der Asylgesuche aus diesen Ländern. In Nigeria treibt die islamistische Terrorgruppe Boko Haram seit 2009 ihr Unwesen.
  • Vor allem aus wirtschaftlichen Gründen verlassen Menschen aus dem Kosovo ihre Heimat. Mit insgesamt 5% war der Kosovo 2015 eines der Hauptherkunftsländer von Asylsuchenden. Beschleunigte Asylverfahren und Rückführungen – eingeführt unter anderem in der Schweiz und Deutschland – führten aber dazu, dass viele Menschen aus dem Kosovo von einem Asylgesuch absahen. So ging deren Zahl 2016 um 58’140 zurück, was einem Rückgang von 86% im Vergleich zum Vorjahr entspricht.

Mit Blick auf die Zielländer:

  • Wie bereits 2015 war Deutschland auch 2016 das Land, in dem mit fast 60% am meisten Asylgesuche registriert wurden. Allerdings gilt es hier zu beachten, dass eine gewisse Anzahl 2016 registrierter Gesuche Migranten betrafen, die bereits 2015 eingetroffen waren. Denn aufgrund des noch nie dagewesenen Zustroms von Asylsuchenden verschob Deutschland die offizielle Hinterlegung der Gesuche oft um mehrere Monate.
  • Schweden war 2015 das drittbeliebteste Land für Asylsuchende. 2016 ging die Zahl der Gesuche markant zurück. Der Rückgang um 86% (133’810 Gesuche weniger) im Vergleich zum Vorjahr erklärt sich unter anderem mit der Schliessung der Landesgrenze und einer Verschärfung der Aufnahmebedingungen.
  • 2015 lag Ungarn auf Platz zwei der Zielländer für Asylsuchende in Europa. Hier ging die Zahl der Gesuche um 85% zurück (146’220 Gesuche weniger). Verschiedene Anti-Migrationsmassnahmen der nationalistischen Regierung von Viktor Orban trugen ihre Früchte: An der Grenze zu Serbien und Kroatien errichtete Ungarn einen 175 Kilometer langen Stacheldrahtzaun, Migranten wurden in Zentren gesteckt und es kam zu Zwangsrückführungen. 2016 erhielten weniger als 2% der Asylsuchenden, die ein Gesuch eingereicht hatten, eine positive Antwort. Ungarn bleibt ein Transitland für Asylsuchende.
  • In Griechenland finanzierte die Europäische Union 2016 die Errichtung sogenannter Registrierungszentren. Dies führte dazu, dass die Zahl der in dem Land registrierten Asylsuchenden explosionsartig um 339% anstieg. Zuvor hatten die Migranten das Land oftmals durchquert, ohne eine Spur zu hinterlassen. Der Anstieg widerspiegelt denn in erster Linie auch die Effizienz dieser Zentren. Die Mehrzahl der Asylsuchenden will nicht in Griechenland bleiben.

In der Schweiz ging die Zahl der Asylgesuche 2016 um 32% zurück. Der Rückgang erklärt sich mit der partiellen Schliessung der Grenzen auf der Balkanroute.

Ende 2016 warteten in Europa immer noch mehr als eine Million Asylsuchende darauf, dass ihre eingereichten Gesuche beantwortet werden.

(Übertragung aus dem Französischen: Kathrin Ammann)

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