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MTU will in China wachsen – Aufschwung ab Mitte 2010 erwartet

MÜNCHEN (awp international) – Der Münchener Triebwerksbauer MTU rechnet ab Mitte 2010 wieder mit einer Erholung in der Luftfahrtbranche. Vor allem von den Wachstumsmärkten wie Asien und dem Nahen Osten verspricht sich das im MDax notierte Unternehmen in den kommenden Jahren eine steigende Nachfrage nach Flugzeugen und Triebwerken und will deshalb mit dem chinesischen Triebwerkshersteller Avic Commercial Aircraft Engine Co. zusammenarbeiten. Eine jetzt unterzeichnete Absichtserklärung soll mittelfristig zur Gründung eines Gemeinschaftsunternehmens führen, das Triebwerke für in China gebaute Flugzeuge entwickelt.
“China holt sich das Know-how herein und gibt den Partnern Gelegenheit, am Marktwachstum zu partizipieren”, sagte MTU-Chef Egon Behle am Donnerstagabend vor Journalisten in München. In den nächsten 20 Jahren gebe es in China voraussichtlich Bedarf an 4.000 neuen Flugzeugen. “Daran werden wir massgeblich beteiligt sein”, zeigte sich Behle sicher. Wann und ob das Joint Venture mit Avic tatsächlich gegründet wird, ist allerdings noch offen. Eine Studie soll bis Ende 2010 bewerten, wie ein zukunftsfähiges chinesisches Triebwerksunternehmen strukturiert sein sollte und über welche Technologien künftige Triebwerke für den dortigen Markt verfügen müssen.
MTU ist in China bereits mit einer Wartungseinheit für Triebwerke präsent, die es zusammen mit China Southern Airlines betreibt. Die dortige Werkstattfläche wird derzeit auf das Anderthalbfache vergrössert.
Unterdessen versucht sich der Triebwerksbauer gegen eine mögliche feindliche Übernahme – zum Beispiel aus dem Ausland – zu rüsten. Dazu schaut sich der Vorstand nach einem möglichen Ankeraktionär um, denn bislang befinden sich die Aktien von MTU komplett im Streubesitz. “Wenn wir 2010 hinter uns haben (…), denke ich schon, dass wir ein steigendes Interesse sehen werden”, sagte Behle. Ein solcher Ankeraktionär sollte einen deutlich zweistelligen Anteil übernehmen. Er halte es für wünschenswert, binnen zwei Jahren eine Lösung zu haben. Welche Art Investor bei MTU einsteigen sollte, liess der Vorstandschef offen. Ein Finanzinvestor stehe jedenfalls nicht auf der Wunschliste. Einer Übernahme aus dem Ausland müsste nach dem Aussenwirtschaftsgesetz der Bund zustimmen.
Umgekehrt würde sich MTU gern ein anderes Unternehmen aus dem Triebwerksbau einverleiben. Eine Übernahme in der Grössenordnung von 500 Millionen bis 1 Milliarde Euro hält Behle durchaus für realistisch, wenn die Bedingungen stimmen.
MTU ist bislang weitgehend ohne Schrammen durch die Wirtschaftskrise gekommen, die vielen Fluggesellschaften schwer zu schaffen macht. Der Umsatz des Triebwerksbauers soll in diesem Jahr zwar von 2,7 auf 2,6 Milliarden Euro schrumpfen. Behle bekräftigte allerdings das Ziel, 2009 einen operativen Gewinn (bereinigtes EBIT) von 290 Millionen und einen Überschuss von 140 Millionen Euro einzufahren. Für das kommende Jahr wagte er noch keine konkrete Prognose. Er rechne allerdings keineswegs damit, dass der Umsatz weiter zurückgehe. Auch Arbeitsplätze will MTU nicht abbauen. Bislang hat das Unternehmen lediglich den Einsatz von Leiharbeitern zurückgefahren.
Das kommende Jahr wird nach Einschätzung des MTU-Chefs ein weiteres schwieriges Jahr für die Branche. Eine Erholung erwartet er ab dem zweiten Halbjahr, mit einem richtigen Aufschwung rechnet er “fest” ab 2011. MTU sei mit seiner spritsparenden Triebwerkstechnik gut gerüstet, davon zu profitieren, betonte der Vorstandschef.
In der Hängepartie um den verspäteten Militärtransporter A400M lässt sich MTU nicht den Schwarzen Peter zuschieben. Der Grund für die Verzögerungen sei “ein völlig offener Punkt”, sagte MTU-Chef Egon Behle. Der Flieger, der unter Federführung der EADS-Tochter Airbus gebaut wird, liegt mindestens drei Jahre hinter dem ursprünglichen Zeitplan zurück. Der Erstflug ist inzwischen für Ende 2009 vorgesehen. Bislang war von EADS immer wieder auf das Triebwerkskonsortium EPI verwiesen worden, in dem MTU für die Softwaresteuerung der Turboprop-Triebwerke verantwortlich zeichnet.
Es stelle sich die Frage, ob das Flugzeug selbst hätte fliegen können, wenn die Triebwerke früher funktioniert hätten, sagte Behle. Jetzt sei der Antrieb jedenfalls funktionstüchtig und zertifiziert. Er rechne daher damit, dass der A400M tatsächlich noch in diesem Jahr erstmals abheben könne.
Spekulationen um mögliche Mehrkosten in Milliardenhöhe für das Gesamtprojekt wollte Behle nicht kommentieren. MTU jedenfalls sehe keinen Anlass, die bislang im Konzern gebildeten Rückstellungen von 45 Millionen Euro aufzustocken. Er gehe davon aus, dass mit den Käufernationen eine Lösung gefunden werde, mit der alle Seiten “über die Runden kommen”. Derzeit verhandeln die europäische Rüstungsbehörde Occar und die Erstkundennationen, darunter Deutschland, mit EADS über eine Änderung des bestehenden Vertrags. Bis dahin haben die Erstkunden das Recht, aus dem Projekt auszusteigen und bereits geleistete Zahlungen in Milliardenhöhe zurückzufordern. Ein Scheitern des Projekts gilt allerdings als unwahrscheinlich.
EADS hat für Mehrkosten beim A400M bereits 2,4 Milliarden Euro zurückgelegt. Allerdings gebe es für die tatsächlichen Ergebnisse eine “grosse Bandbreite”, hatte das Unternehmen am Mittwoch bekräftigt./stw/gr

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