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Multikulturelle Soundlandschaften aus der Schweiz

Die türkischstämmige Band Makale posiert mit dem "Schweizer" Fussball-Star Murat Yakin. (Bild: Faze Records) CD-Booklet

Musikerinnen und Musiker aus dem Balkan und der Türkei, aus Ungarn, Peru, Venezuela, Senegal, Tansania, Kenia und Palästina suchen in der Schweiz neue Wege einer urbanen Musik.

Die neue CD “Sounds from Home – die internationale Schweiz” bietet Einblick in das vielfältige Musikschaffen von Immigranten.

“Wo bliibt dr Schlachtplan, vergeit es Jahr ohni schlächti News us em Balkan, vergeit a Monat ohni Tote dür ne Raser im Verkehr”, rappt LUL DxE, der aus dem Kosovo stammende Berner Lulzim Axhami über den Alltag eines Immigranten in der Schweiz. “Läbe ohni Plan” heisst der provokative Song.

LUL DxE versteht sich als kultureller Brückenbauer, doch seine Sprache ist ungeschminkt, sein Rap hart und direkt. LUL DxE will herausfordern.

Der Kosovo-Albaner ist einer von 19 in der Schweiz lebenden Musikerinnen und Musikern ausländischer Herkunft, die auf der CD “Sounds from Home – La Suisse internationale” zeigen, wie produktiv sich fremde Wurzeln im Schweizer Musikschaffen auswirken können. (Songbeispiel)

Die aus Tansania stammende und in Zürich lebende Mhina Namusoke schert sich nicht ums Thema “Secondos und Secondas”. Sie sucht ihren eigenen Weg zu internationalem Ruhm und hat folgerichtig ihre erste CD mit R’n,B’, HipHop, Ragga, Latin, Afrobeat und Electro-Songs in London produziert.

Mhina Namusoke entwickelt aus ihren ethnischen Wurzeln und der westlichen Musik, mit der sie aufgewachsen ist, einen neuen eigenen Stil. Sie sucht den Anschluss ans internationale Musikbusiness und geht damit einen Schritt weiter als LUL DxE, der mit seinem Rap ausschliesslich Leute anspricht, die Schweizerdeutsch verstehen. (Songbeispiel)

Musik hören ist besser

Global fliessende Soundströme, Cross Culture Produktionen und Weltmusik sind seit Jahrzehnten bekannt und trendy, doch wenig wusste man bisher von der Musik in der Schweiz lebender Immigranten.

Klar war aber immer: Immigranten-Sound ist Urban Sound – Stadtmusik. Sie entsteht in Genf, Lausanne, Zürich, Basel und Bern, den Orten, in welchen die meisten Immigranten leben. Das Plattencover zeigt denn auch etwas ironisch einen hellbeleuchteten menschenleeren Schnellimbiss am Fusse einer riesigen braungrauen Betontreppe zur Stadt-Winterzeit.

Am Anfang dieses faszinierenden Projekts stand die Planung von Heft Nummer 8 der Zeitschrift “Terra Cognita” der Eidgenössischen Ausländerkommission (EKA) über das kreative Schaffen von Migrantinnen und Migranten, wie Elsbeth Steiner von der EKA gegenüber swissinfo sagt.

“Dabei sind wir auf einen Artikel des Musikethnologen Thomas Burkhalter im Pro Helvetia-Heft Passagen gestossen, der genau dieses Thema behandelte”, so Steiner, “doch wir wollten einen Schritt weiter gehen, nach dem Motto ‘Musik hören ist besser als über Musik lesen’.” So wurde eine CD produziert und dem Heft beigelegt.

Fremde Wurzeln und künstlerische Produktivität

“Wir wollten populäre urbane Musik vorstellen”, sagt Thomas Burkhalter, der die Compilation im Auftrag der EKA und des Programms SWIXX der Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia zusammengestellt hat, gegenüber swissinfo, “und zeigen, dass Musikschaffende mit fremden Wurzeln spannende, tolle und eigenständige Musik produzieren.”

Noch vor 10 Jahren habe man neue musikalische Trends vor allem in London, Paris oder Berlin gesucht, so Burkhalter. Neue urbane interkulturelle Fusionen seien tatsächlich von London aus gegangen, wo indische und pakistanische Musiker die Szene aufgemischt hätten, doch habe sich der Trend schnell ausgebreitet.

Heute werde elektronische Musik ganz selbstverständlich und oft nicht sehr raffiniert oder differenziert mit traditionellen Elementen gemischt. Der Kritik, dass durch diesen weit verbreiteten Sound-Mix Kultur-Klischees bloss modern verpackt würden, stimmt Burkhalter zu.

Grenzüberschreitende Ausdrucksform

Die Musik als universelle, alle Sprachgrenzen überschreitende künstlerische Ausdrucksform? “Das stimmt nur bedingt”, sagt Burkhalter. “Auch wenn die musikalischen Elemente global fliessen, sind doch immer das lokale Lebensumfeld und die Produktionsbedingungen stark mitentscheidend für den Charakter der Musik.”

“Inzwischen haben aber – nicht zuletzt wegen dieses Trends – auch in der Schweiz lebende Musikschaffende gemerkt, dass ihr Fremdsein, ihre anderen Wurzeln künstlerisch produktiv werden können, dass sie gerade daraus eine neue künstlerische Sprache entwickeln können.”

Auf der CD “Sounds from Home” stelle er darum Musikerinnen und Musiker vor, die eine persönliche Sprache entwickelten und sich durch kleine
Netzwerke und Underground-Labels auch neben und gegen den breiten Strom durchsetzten.

swissinfo, Susanne Schanda und Christian Strickler

Die Eidgenössische Ausländerkommission (EKA) fördert die Integration von Ausländerinnen und Ausländern und das Zusammenleben der ausländischen und der einheimischen Bevölkerung.

Sie verwaltet Bundeskredite zur Förderung von Integrationsprojekten.

Im vergangenen Jahr wurden 757 Projekte eingereicht, davon 604 bewilligt und damit der Jahreskredit von 13, 7 Mio. Franken ausgeschöpft.

Ausserdem gibt die EKA 2x pro Jahr die Zeitschrift zu Integration und Migration, “Terra Cognita”, heraus.

Die Schweiz gehört zu den Ländern mit dem höchsten Ausländer-Anteil. 20,6% betrug er 2004.

87% der ausländischen Bevölkerung kommen aus Europa, hauptsächlich aus Italien, Serbien und Montenegro, Portugal und Deutschland.

“Sounds from Home – La Suisse internationale” präsentiert 20 Songs von in der Schweiz lebenden Musikerinnen und Musikern ausländischer Herkunft.
Die CD wurde von Faze Records und Thomas Burkhalter produziert.
Unter dem Titel “Mischpult Schweiz – La Suisse internationale” liegt sie der jüngsten Ausgabe von “Terra Cognita” bei, der Zeitschrift zu Integration und Migration der EKA.

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