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Krieg ohne Krieg

Das Schlachtfeld liegt leer vor uns, der Krieg ist zu Ende. Die Spuren in der Landschaft bleiben und die seelischen Wunden werden an die Nachkommen weitergegeben.

Dies die kurze Zusammenfassung von Krieg ohne Krieg, ein neues Buch mit Bildern des Schweizer Fotografen Meinrad Schade das zeitgleich erschienen ist mit einer Ausstellung in den Räumen der Fotostiftung Schweiz in Winterthur.

Die Erinnerung ist unscharf. Und doch sucht der Fotograf gerade dort nach seinen Bildern. Überall dort, wo der Krieg Tod und Schrecken verbreitet hat versuchte man sich dieser nachträglich habhaft zu werden. Die Erinnerung und das kollektive Gedächtnis als Mittel gegen die Gleichgültigkeit. Die darauf hin entstandenen Denkmäler sollten bei ihrer Enthüllung den Zeitzeugen entgegenschreien: Nie wieder Krieg! Doch je länger wir diese Mahnmale betrachten, umso mehr verändert sich ihre ursprüngliche Botschaft. Eines Tages heisst es neu: Seht doch, wie einig wir waren, wie wir dem Feind gemeinsam ins Auge sahen, so stark wollen wir wieder sein – und wehrhaft!

Meinrad Schade hielt ab 2003 in den Ländern, die nach dem Zusammenbruch der Sowjetunion entstanden, ein fragil zwischen Krieg und Frieden schwebendes Alltagsleben fest: In Tschetschenien die Zerstörungen. In Inguschetien das Leben der Vertriebenen. In Kasachstan die Folgen der Atombombenversuche. In Nagorny-Karabach den Grenzkonflikt. In Russland und in der Ukraine die Erinnerungsrituale, die Paraden.

Spätestens beim Betrachten der Bilder der letzteren zwei Schauplätze wird das Thema des Buches dann auch ganz aktuell.

Der Bildband präsentiert Schades Porträts,  die Strassen- und Landschaftsaufnahmen in Bildpaaren und Bildfolgen, welche die Zusammenhänge und Konsequenzen ungelöster Konflikte deutlich machen. 

«Ich glaube nicht mehr an die grosse Wirkung des Bildes. Es reicht mir, wenn die Leute, die meine Bilder anschauen, realisieren, dass der Krieg weiterwirkt, obwohl er angeblich längst vorbei ist – und wie man plötzlich wieder in den Krieg hineindriftet.» sagte Meinrad Schade kürzlich in einem Interview.

Krieg ohne Krieg ist erschienen bei Scheidegger & Spiess. Das Buch wird begleitet von einem Essay der Herausgeberin Nadine Olonetzky und weiteren Texten von Daniel Wechlin, Michail Schischkin und Fred Ritchin.


Alle Bilder Meinrad Schade, Text Thomas Kern, swissinfo.ch


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