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Muschg warnt vor Gefahren der Genom-Entschlüsselung

Der Schweizer Schriftsteller und Gesellschaftskritiker Adolf Muschg. Keystone

Der Schweizer Schriftsteller Adolf Muschg sieht angesichts der Entschlüsselung des Humangenoms die Gefahr eines verstärkten Drucks von Staat und Versicherungen auf die einzelnen Menschen, für einen perfekten Körper zu sorgen.

Vor dem Hintergrund explodierender Gesundheitskosten werde der Staat versuchen “kostenträchtiges Leben” früh zu erkennen, heisst es in einer von der “Frankfurter Allgemeine Zeitung” am Donnerstag (07.09.) abgedruckten Rede Muschgs vor dem Berliner Wissenschaftsforum.

Menschen mit einer genetischen Veranlagung zu bestimmten Krankheiten würden zwar nicht sofort als lebensunwert disqualifiziert, doch auch nicht mehr vom Staat gefördert. In Zukunft würde es heissen: “Wer jetzt noch krank ist, hat selber Schuld”. Auch für Versicherungen werde das Durchleuchten der Personen nach möglichen Leiden zur Pflicht.

Die auf der Genanalyse gestützte Annahme, dass Individuen für bestimmte Leiden anfällig sein könnten, werde viele veranlassen, ihr Leben danach einzurichten. “Sollten sie die Schwäche – oder die Stärke – haben, sich nicht darum zu kümmern, so sind die Agenten des Staates, der Gesellschaft und der Wirtschaft, nicht mehr weit, sie dazu verpflichten zu können”, schreibt Muschg. “Die Repression wird Methode haben, dafür darf sie kein Wahnsinn sein: Sie spricht im Ton vernünftigen Kalküls”.

Muschg kritisierte den sprachlichen Umgang der Gentechnik- Verfechter mit den Folgen ihrer Wissenschaft. “Wenn sie von Prävention reden, können sie zur Zeit nichts viel Besseres als Abtreibung meinen.” Er bezweifle aber, dass die auf Grundlage von Computerdaten erstelle digitale Genomkodierung den menschlichen Körper vollständig beschreibt. Bisher seien nur monokausale Zusammenhänge zwischen Genen und einigen seltenen Krankheiten entdeckt worden. Vielleicht sei hier die Kodierung an ihre Grenze gestossen. “Noch lebt, hungert, durstet, atmet dieser Organismus in einer vordigitalen Welt”.

swissinfo und Agenturen

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