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Mutmassliche Al-Kaida-Helfer in Lugano vor Gericht

Das kantonale Justizgebäude des Kantons Tessin in Lugano. Keystone

Erstmals kommt es in der Schweiz zu einem Prozess wegen Unterstützung terroristischer Aktivitäten im Umfeld von Al-Kaida. Die Hauptverhandlung am Bundesstrafgericht hat am Montag begonnen.

In diesem Prozess steht die Bundesanwaltschaft unter Erfolgsdruck. Kritisiert wurde die Dürftigkeit an Beweismitteln.

Insgesamt sieben Personen aus Jemen, Irak und Somalia müssen sich vor dem Bundesstrafgericht verantworten. Alle sollen sich an einer vom Hauptangeklagten, einem 59-jährigen Jemeniten, gebildeten kriminellen Organisation beteiligt haben. Zwei der Angeklagten wird zudem vorgeworfen, Kontakte zum Terrornetzwerk Al-Kaida unterhalten zu haben.

Laut Anklageschrift der Bundesanwaltschaft (BA) soll der jemenitische Haupttäter dem Al-Kaida Terroristen Abdullah el Rimi die Beschaffung eines Passes angeboten haben. El Rimi war in die Anschläge auf den US-Zerstörer USS Cole vom Jahr 2000 sowie in die Attentate in der saudiarabischen Hauptstadt Riad vom 12.Mai 2003 verwickelt.

Die Gruppe soll zwischen 1998 und 2004 mehrere Dutzende Jemeniten in die Schweiz geschleust haben. Um die Einreise zu ermöglichen, soll der Kopf des “Reisebüros für Gotteskrieger” (SonntagsZeitung) in der jemenitischen Hauptstadt Sanaa den dortigen Schweizer Honorarkonsul bestochen haben, um die notwendigen Visa zu erhalten.

Lange Liste der Anklage

In der Schweiz stellten die eingeschleusten Personen gemäss Bundesanwaltschaft schliesslich unter falschem Namen und mit falschen somalischen Ausweispapieren Asylanträge. Der Preis für das Einschleusen betrug angeblich bis zu 4000 Dollar pro Person. Die kriminelle Organisation kam dadurch zu beträchtlichen Einnahmen.

Die Liste der mutmasslichen Delikte ist lang. Sie reicht von Beteiligung an und Unterstützung einer kriminellen Organisation, Begünstigung, versuchte Begünstigung bis zu Fälschung von schweizerischen und ausländischen Urkunden.

Dazu kommen Fälschung von schweizerischen und ausländischen Ausweisen, Bestechung schweizerischer und fremder Amtsträger, in Umlaufsetzen falschen Geldes, Betrug, Hehlerei, Widerhandlungen gegen das Bundesgesetz über Aufenthalt und Niederlassung der Ausländer.

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Bundesanwaltschaft

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht In der Schweiz sind die kantonalen Justizbehörden für einen Grossteil der Strafuntersuchungen zuständig. Einige Delikte fallen jedoch in die Kompetenz der Bundesanwaltschaft (BA). Dazu gehören beispielsweise Attentate, Spionage, internationale organisierte Kriminalität, Geldfälschung, Geldwäscherei, Korruption oder von Bundesbeamten im Rahmen ihrer Aufgabe begangene Straftaten.

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Bundesanwaltschaft unter Druck

Für die Bundesanwaltschaft ist es der erste Prozess im Umfeld terroristischer Aktivitäten. Nach etlichen Pleiten und der Demission von Bundesanwalt Valentin Roschacher steht die Behörde unter grossem Erfolgsdruck, zumal die gesamten Kosten in diesem Verfahren auf mehr als 1 Million Franken beziffert werden.

Allerdings ist bereits im Vorfeld des anstehenden Al-Kaida-Prozesses erhebliche Kritik laut geworden. Die Beweislage sei sehr dürftig, hiess es beispielsweise von Seiten einiger Anwälte, da sie sich im Kern auf einige SMS und Telefonate berufe. Einige Politiker befürchten, dass sich ein neuer Flop der Bundesanwaltschaft anbahnt.

Offenbar musste der stellvertretende Bundesanwalt Claude Nicati, der die Anklage führt, schon vor Prozessbeginn eine Schlappe einstecken. Das Gericht lehnte laut SonntagsZeitung zwei von ihm vorgeladene Sachverständige ab. Es handelt sich um einen belgischen Polizisten und einen ehemaligen Privatdetektiv. Das Gericht war der Meinung, diese könnten nichts zur Aufklärung des Falls beitragen.

Lugano statt Bellinzona

Alle Angeklagten befinden sich auf freiem Fuss. Ob sie denn auch alle vor Gericht erscheinen, ist nicht sicher. Der Prozess ist auf fünf Tage angesetzt und wird nicht in Bellinzona, am Sitz des Bundesstrafgerichts, stattfinden, sondern im grossen Saal des Justizgebäudes in Lugano. Grund sind Sicherheits-, vor allem aber Platzgründe.

Die Strafkammer tagt in Dreierbesetzung unter Vorsitz von Richter Bernard Bertossa, dem ehemaligen Genfer Staatsanwalt.

Gerhard Lob, Bellinzona

7 Angeklagte im Alter zwischen 24 und 59 Jahren
5 aus Jemen
1 aus Irak
1 aus Somalia
17 Seiten umfasst die Anklageschrift gegen den Hauptangeklagten A.A.Y.
4000 Dollar soll die kriminelle Organisation für das Einschleusen einer Person in die Schweiz erhalten haben
1,05 Mio. Franken: Geschätzte Verfahrenskosten
5 Tage Prozessdauer

Die Behörden ermitteln gegen den saudiarabischen Geschäftsmann Y. K.

Er soll Millionenbeträge über Schweizer Bankkonten an Personen im Umkreis von Al-Kaida überwiesen haben.

Der Fall liegt seit Juni 2005 beim Untersuchungsrichter.

Eine Voruntersuchung ist letzten September gegen einige Nordafrikaner eröffnet worden, die in der Schweiz verhaftet wurden. Sie werden des Diebstahls im Zusammenhang mit einem geplanten Attentat auf ein israelisches Flugzeug angeklagt.

Ein dritter Fall beschäftigt sich mit einer in Marokko geborenen Frau. Sie soll das Internet benutzt haben, um zu terroristischen Attentaten aufzurufen. Die Behörden wollen sie in den kommenden Wochen anklagen.

Das Verfahren gegen den Ägypter Jussuf Nada und seine Al-Taqwa-Bank ist eingestellt worden. Er wurde verdächtigt, den Terrorismus zu unterstützen.

Nada bleibt aber auf der UNO-Liste der Terrorismus-Verdächtigen und ist unter Hausarrest in seinem Wohnsitz Campione d’Italia, der italienischen Enklave im Tessin.

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