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Nationalbank mit Vierteldrehung an Zinsschraube

Die Nationalbank rückt Schritt für Schritt der Zinsinsel Schweiz an den Kragen. Keystone Archive

Zum dritten Mal innert eines halben Jahres hat die Schweizerische Nationalbank (SNB) die Leitzinsen um einen Viertelpunkt angehoben. Dies stellt keine Überraschung dar.

Damit reagiert die Nationalbank auf die boomende Wirtschaft. Für September und Dezember rechnen Fachleute mit weiteren Erhöhungen.

Die SNB erhöhte das Zielband für den massgeblichen Dreimonats-Libor um 0,25 Prozentpunkte auf 1,0 bis 2,0%. Der Libor soll in der Mitte bei 1,5% gehalten werden, wie SNB-Präsident Jean-Pierre Roth am Donnerstag in Genf bekanntgab.

Trotz neuerlicher Erhöhung bleibe die Geldpolitik expansiv, sagte Roth. In der Euro-Zone liegen die Leitzinsen derzeit bei 2,75%, in den USA sogar bei 5,0%. Roth liess durchblicken, dass in der Schweiz weitere Schritte hin zu einer “Normalisierung” des Zinsniveaus notwendig seien.

Boomende Konjunktur

Die SNB passt ihre Geldpolitik der gegenwärtig boomenden Konjunktur an. Roth geht nun bereits von einem Wachstum des Bruttoinlandprodukts (BIP) im laufenden Jahr von 2,5% aus. Noch im März hatte er eine Wachstumsrate von rund 2% in Aussicht gestellt.

Erfreulich sei, dass sich der Aufschwung inzwischen auch auf dem Arbeitsmarkt bemerkbar mache. Die Zahl der Arbeitslosen dürfte laut Roth im laufenden Jahr weiter zurückgehen. Das und die verbesserten Einkommens-Perspektiven sollte dem privaten Konsum – eine wichtige Stütze der Konjunktur – zusätzliche Impulse verleihen.

Inflation im Griff

Gleichwohl rechnet Roth mit einer Abschwächung des Wachstums im kommenden Jahr. Er sprach von einer “Normalisierung”. Das BIP dürfte noch um knapp 2% wachsen. Das sei aber “immer noch eine gute Leistung”, fand Roth.

Mit dem neuerlichen Zinsschritt will die SNB auch mittel- und langfristig Preisstabilität gewährleisten. Für 2006 und 2007 rechnet sie mit einer Inflationsrate von 1,2%. Trotz der gestiegenen Ölpreise bleibt die Teuerung laut Roth dank dem scharfen Wettbewerb und dem flexiblen Arbeitsmarkt mässig.

Die Nationalbank hatte ihre Zinswende im Juni 2004 eingeleitet. Zuvor hatte sich – nach dem Platzen der Internet-Blase Ende 2000 und den Terroranschlägen vom 11. September 2001 – einen expansiven Kurs eingeschlagen. Ziel war es, eine Rezession zu verhindern.

Keine Überraschung

Für die Ökonomen war die Leitzinserhöhung keine Überraschung: “Wir erwarten, dass die SNB die Zinsen im September und Dezember nochmals um 0,25 Prozentpunkte erhöhen wird”, sagte etwa UBS-Ökonomin Daniela Steinbrink Mattei.

Bei der Credit Suisse (CS) rechnet man gar mit drei Zinserhöhungen auf 2,25%, wie CS-Chefökonom Alois Bischofberger sagte. Nicht irritieren liess sich am Donnerstag die Börse. Im Zentrum der Aufmerksamkeit standen dort eher Konjunkturdaten aus der EU und den USA.

Keine Hypozins-Erhöhung

Die Hypothekarzinsen sollten trotz der Leitzinserhöhung vorerst stabil bleiben. Weder die Zürcher Kantonalbank (ZKB) noch bei der Migrosbank fasst man derzeit eine Hypozins-Erhöhung ins Auge, wie Sprecher auf Anfrage erklärten.

Beim Schweizer Mieterverband wurde die Zurückhaltung mit Genugtuung zur Kenntnis genommen.

swissinfo und Agenturen

Der Libor, Abkürzung für “London Interbank Offered Rate”, ist ein wichtiges geldpolitisches Instrument der Schweizerischen Nationalbank und der Zentralbanken anderer Länder.

Der Franken-Libor ist die zentrale Grösse für die Refinanzierung bei erstklassigen Banken und Unternehmen.

Der Libor wird täglich um 11 Uhr vormittags in London fixiert, und zwar für verschiedene Währungen.

Er stellt einen Durchschnittspreis dar, den die Banken untereinander für ungedeckte Kredite verlangen.

Die Schweizerische Nationalbank (SNB) führt als unabhängige Zentralbank die Geld- und Währungspolitik der Schweiz. Ziel ihrer Politik ist Preisstabilität, die laut ihren Angaben eine wesentliche Voraussetzung für Wachstum und Wohlstand ist.

Die SNB stützt ihre geldpolitischen Entscheidungen auf eine mittelfristige Inflationsprognose ab. Der Referenz-Zinssatz ist der Dreimonats-Libor (London Interbank Offered Rate).

Die Nationalbank verfügt über das alleinige Recht, Banknoten auszugeben und setzt im Auftrag des Bundes auch die Münzen über ihr Bankstellennetz in Umlauf.

Ihr Gewinn wird grob gesagt zwischen den Kantonen (2/3) und dem Bund (1/3) aufgeteilt.

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