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Nationalrat verschärft Asylgesetz

Asylbewerber im Warteraum einer Empfangsstelle in Basel. Keystone

Um gegen Missbräuche vorzugehen und trotz einer Referendums-Drohung folgte der Nationalrat dem Ständerat und verschärft das Asylrecht in der Schweiz.

Die Nothilfe wurde zwar nicht weiter eingeschränkt. Der Sozialhilfestopp jedoch ist ausgedehnt worden.

Auch die Grosse Parlamentskammer, der Nationalrat, verschärft das Schweizer Asylrecht. Wie vor ihm die Kleine Kammer, der Ständerat, hat er den Sozialhilfestopp ausgedehnt und die humanitäre Aufnahme gestrichen.

Unter Protest der Linken folgte der Rat damit weitgehend dem Kurs von Justizminister Christoph Blocher.

Bisher gestattete der Nationalrat nur eine einzige Ausnahme gegenüber den Beschlüssen der Kleinen Kammer: Die Einschränkung oder Verweigerung der Nothilfe lehnte er mit 105 zu 77 Stimmen ab und beugte sich so einem Entscheid des Bundesgerichtes, das dies als verfassungswidrig bezeichnete.

Sozialhilfestopp ausgedehnt

Mit deutlicher Mehrheit (109 zu 77 Stimmen) dehnte der Nationalrat jedoch den Sozialhilfestopp auf sämtliche abgelehnten Asylbewerber aus. Um sie zur Ausreise zu bewegen, will er ihnen statt Sozial- nur noch Nothilfe gewähren. Justizminister Blocher sagte, die Erfahrungen damit seien gut, und Befürchtung, dass die Leute kriminell würden, hätten sich nicht bestätigt.

In allen weiteren Punkten gab der Nationalrat dem Ständerat nach. Er verzichtete auf die humanitäre Aufnahme, befürwortete den Zwang für Asylsuchende, ihre Identität nachzuweisen, und bekräftigte den Sozialhilfestopp.

Vorläufig statt humanitär

Der Rat schloss sich weiter dem System der vorläufigen Aufnahme des Ständerates an. Die Kantone können in Härtefällen einer Person eine Aufenthaltsbewilligung erteilen, wenn sie mindestens fünf Jahre hier anwesend und sozial integriert ist und den Behörden immer bekannt war.

Diesen Personen, die wegen Bürgerkriegs, allgemeiner Gewalt oder medizinischer Notlage in ihrer Heimat in ihrer Existenz gefährdet wären, können die Kantone eine Bewilligung zur Erwerbstätigkeit erteilen. Der Familiennachzug ist ihnen aber erst nach drei Jahren und nicht sofort gestattet.

Papiernachweis gefordert

Auch bestätigte der Nationalrat die Linie des Ständerates, dass auf Asylgesuche nicht eingetreten wird, wenn nicht binnen 48 Stunden Reise- oder Identitätspapiere vorgelegt werden. Liegen allerdings glaubhafte Hinweise auf Verfolgung vor, bleibt das Asylverfahren offen.

Echte Verfolgte hätten keine Papiere, sagten Sprecherinnen des links-grünen Lagers. Bundesrat Christoph Blocher entgegnete, es müsse der Missbrauch ausgemerzt werden, dass man sich mit Papierlosigkeit einen Aufenthalt in der Schweiz verschaffen könne. Das sei praktisch bei allen jungen Afrikanern heute der Fall.

Sozialhilfestopp ausgedehnt

Der Nationalrat dehnte auch den Sozialhilfestopp für Personen mit rechtskräftigem Nichteintretens- und Wegweisungsentscheid auf alle Asylsuchenden mit negativem Entscheid aus. Die pauschale Abgeltung der Aufwendungen der Kantone für alte Fälle wird auf 15’000 Franken erhöht.

Wer widerrechtlich da sei, habe kein Recht auf Sozialhilfe, sagte Bundesrat Christoph Blocher. Die Erfahrungen mit dem seit 1. April 2004 geltenden Sozialhilfestopp seien durchwegs positiv. Die Schweiz dürfe nicht zu attraktiv für unechte Asylsuchende werden, die sich in eine Sozialhilfestruktur einnisten wollten.

Haft soll zur Ausreise führen

Der Nationalrat will illegal anwesende Ausländer mit verschärften Haftstrafen zur Ausreise bewegen. Er hat die Ausschaffungshaft verdoppelt und auch der vom Ständerat geforderten Durchsetzungshaft zugestimmt.

Wie zuvor schon der Ständerat hat die Grosse Kammer am Dienstag die Dauer der Vorbereitungshaft von drei auf sechs Monate und jene der eigentlichen Ausschaffungshaft von neun auf maximal 18 Monate festgelegt, wenn ein illegal Anwesender durch sein persönliches Verhalten die Ausreise verunmöglicht,

Die Linke wertete dies als Rückschritt ins Mittelalter, die Bürgerlichen als Stärkung des Rechtsstaates.

Humanitäre Tradition in Gefahr

Zu Beginn der Debatte hatte der Nationalrat mit 116 zu 86 Stimmen eine Rückweisung der Verschärfung des Asylgesetzes an die Regierung abgelehnt, um eine Zusatzbotschaft zu erzwingen. Liberale und Linke argwöhnten, die von Justizminister Blocher während des Verfahrens eingebrachten neuen Vorschläge seien völkerrechtswidrig.

Die Sozialdemokratin Hildegard Fässler forderte eine Denkpause. Die überfallmässig veränderte Vorlage müsse zurück an den Absender. Sonst werde die SP mit einer Koalition des Widerstandes die Asylgesetzrevision mit einem Referendum vors Volk und zum Scheitern bringen.

Demgegenüber erklärte Blocher, er sei nach seinem Amtsantritt von den Kantonen bestürmt worden, das Asylgesetz nachzubessern. Die humanitäre Tradition werde in keiner Art und Weise angetastet. Aber die Schweiz habe viel zu viele Asylsuchende, die den Flüchtlingsstatus nicht verdienten.

Die Vorlage geht mit drei Differenzen an den Ständerat zurück.

swissinfo und Agenturen

Asylgesuche 2004: 14’250.
Verringerung im Vergleich zu 2003: 32%.
Seit April 2004 sind die Asylgesetze restriktiver.
Seither erhalten Asylsuchende, auf deren Gesuch nicht eingetreten wird, keine Sozialhilfe mehr.

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