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Neue Risiken in der Landesversorgung

Die wirtschaftliche Landesversorgung begann mit der Kartoffelernte vor dem Bundeshaus im 2. Weltkrieg. Keystone Archive

Eines der Rest-"Tabus" eidgenössischer Langzeitpolitik, die Versorgungssicherung in Not, soll modernisiert werden.

Die Schweiz ist arm an Rohstoffen und an landwirtschaftlicher Vielfalt. Dennoch verharrte sie während der Dominanz des Nationalsozialismus innerhalb Europas in ihrer Igelstellung. Um ihre Bevölkerung trotz der Blockaden ernähren zu können, lieferte sich die Schweiz im Krieg gegen den Kalorienmangel eine geschichtsbuchträchtige “Anbauschlacht”.

Sicherheitspolitisch festgefahren

Diese aus der Not geborene Versorgungssicherung der Schweiz entwickelte sich nach dem Weltkrieg zur “Heiligen Kuh”. Die Landwirtschaft wurde übermässig subventioniert, die Vorratspolitik (Pflichtlager) zu stark reguliert, Milizgedanke und Armee fixiert. Im Kalten Krieg fuhr sich diese Sorge um die Landesversorgung dann sicherheitspolitisch fest – und zwar noch zu Zeiten, als die Prioritäten bereits hätten geändert werden müssen.

Vom Kaloriengarant zum Kostentreiber

Heute gibt es in der Schweiz die “Agrarlobby” statt eines “gesunden Bauernstandes”, neue Konsumgewohnheiten statt Erdäpfel-Landdienst, Nachhaltigkeitsbedarf statt Ertragsmaximierung und politisch unhaltbare Preisunterschiede zum benachbarten Ausland. Der hohe Grad der Selbstversorgung der Schweiz, der auch in schlimmsten Zeiten 50% nicht stark überschritt, war in Bedrohungszeiten überlebenswichtig gewesen. In der Nachkriegszeit aber entwickelte er sich zum Kostentreiber.
Zucker, Speiseöle und Brotgetreide sollen künftig nicht mehr über ein Jahr, sondern nur noch einige Monate gelagert werden.

Neue Strategie für Vernehmlassung

Die Versorgung des Landes mit Lebenswichtigem obliegt dem Eidgenössischen Volkswirtschaftsdepartement (EVD). Dessen Bundesamt für wirtschaftliche Landesversorgung (BWL hat – 60 Jahre nach Bundesrats Traugott Wahlens legendärer “Anbauschlacht” – eine neue Strategie in Sachen Landesversorgung erarbeitet und in die Vernehmlassung geschickt.

Bis Anfang April werden demnach alle interessierten Kreise zum Thema Stellung nehmen können. Neu wird es nicht nur um die Ernährung und um Energie gehen, sondern auch um den Transport, um Arbeitskräfte, Produktion, Informations- und Kommunikationstechnologie.

Das EVD rechnet künftig eher mit kürzer dauernden, aber häufiger auftretenden Mangellagen. Und die Milizorganisation, auf die sich die Landesversorgung stützt, wird um die Hälfte gekürzt und soll dann noch 200 Personen umfassen. Diese befassen sich nebenamtlich mit der Landesversorgung. Auch das Bundesamt selbst soll weiter bestehen bleiben.


Alexander P. Künzle

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