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Neuer Wein aus neuen Schläuchen

Reben in Rahovec, Kosovo: Gefragte Schweizer Entwicklungshilfe in Sachen Wein. Daniel Huber

Die Stiftung Swisscontact hilft im Krisengebiet Kosovos beim Aufbau von Klein- und Mittelbetrieben. Zwei Schweizer Topwinzer versuchen, den maroden Weinbau wieder auf Vordermann zu bringen.

Entwicklungshilfe in Sachen Wein ist für Swisscontact ein Novum.

Bürgerkrieg und der Übergang von einem sozialistischen System zur Marktwirtschaft haben in der Provinz Kosovo bis heute Folgen. Die Arbeitslosenquote beispielsweise liegt bei über 60 Prozent.

Die Förderung von Klein- und Mittelunternehmen (KMU) sei ein vielversprechendes Instrument zur Schaffung neuer Arbeitsplätze, sagt Fortunat Walther, Projektverantwortlicher von Swisscontact gegenüber swissinfo. Deshalb engagiere sich die Stiftung in diesem Bereich.

Professionelle Dienstleistungen gefragt

KMU benötigten professionelle Dienstleistungen, wie zum Beispiel Transfer von technischen Fähigkeiten, Information, Beratung, um bei der Gründung erfolgreich und im weiteren Wachstum nachhaltig zu sein, sagt Walther. Zielgruppe des Swisscontact-Projektes zur Förderung von Unternehmensberatung sind lokale Unternehmer und Kosovaren aus der Diaspora, die bereit sind, im Kosovo zu investieren.

Im Rahmen des Projektes fragte Swisscontact die beiden Schweizer Topwinzer Hansueli Kesselring und Daniel Huber für einen Einsatz im Kosovo an. Die Stiftung wirkte als Verbindungsglied zwischen den Experten und Weinunternehmern vor Ort und unterstützte die Logistik der Einsätze.

Neues Abenteuer

Ende November 2001 flogen Kesselring und Huber nach Pristina. Im Gästehaus von Swisscontact in Gjakove, zwei Autostunden von Pristina, bezogen sie Quartier.

Durch Zeitungsberichte war Hansueli Kesselring ein bisschen vorbereitet auf die Situation im Kosovo. Zudem hat er seit zehn Jahren einen kosovarischen Angestellten auf seinem Weingut bei Weinfelden im Kanton Thurgau.

“Ich war also nicht ein ganzes, hundertprozentiges Greenhorn punkto Kosovo”, sagt Kesselring gegenüber swissinfo. Dennoch sei alles sehr eindrücklich gewesen: “Der von Panzern schwer bewachte Flughafen, die Omnipräsenz der Kfor-Soldaten aus verschiedensten Nationen, Stacheldrahtverhaue, Maschinengewehre überall, das war schon ein neues Abenteuer.”

Desolate Kellereien, alter Wein

Weil es November war, konnten die beiden Schweizer Winzer die Vegetation, Pilzkrankheiten usw., nicht beurteilen. Sie hätten hauptsächlich grosse Kellereien besucht, “Erblasten aus Titos Zeiten”, wie Kesselring sagt.

Diese seien in einem desolaten Zustand gewesen: “Verrostetes Material, kaputte Tanks mit überalterten, zum Teil 20jährigen Weinen darin. Es war schon eher Endzeitstimmung in diesen grossen Kellereien.”

Der Wein sei zwar noch trinkbar gewesen, sagt der Schweizer Winzer, doch Absatzchancen für diese Restposten sieht er keine.

Unterstützung von Familienbetrieben

Kesselring und Huber wollten mit den grossen Staatsbetrieben nichts zu tun haben. Das sei “eine Schuhnummer zu gross” für sie.

Für ihre Beratungsarbeit wählten sie die beiden Winzerfamilien Vuciterna und Hoxha aus, die in Rahovec, zwei Autostunden südwestlich von Pristina in Richtung der albanischen Grenze, je etwa 5 Hektaren mit Reben bestockt haben. Die beiden Familien wollen ihren eigenen Wein produzieren.

Voraussetzungen vorhanden

Im Sommer 2002 sahen sich die beiden Schweizer Winzer die Reben während der Vegetation an. Die hätten einen guten Eindruck gemacht. “Sie können also Trauben anbauen”, so Kesselring.

“Die Leute müssen vielleicht noch das eine oder andere dazu lernen, was Qualitäts-Management oder Ertragsregulierung angeht. Aber die Voraussetzungen von der Natur her sind durchaus gegeben für guten Wein.”

Später habe man den Jahrgang 2002 im Jugendstadium getestet. “Der war eigentlich ganz ansprechend, in der Art eines jungen Beaujolais. Diese Rotweine im Kosovo sind auch meistens Verschnitte mit ziemlich grossem Prozentsatz Gamay”, so Kesselring.

Ausbildung wichtiger als Hilfsmittel

Nach den Worten von Hansueli Kesselring benötigen die kosovarischen Winzer am dringendsten Ausbildung, Know-how und Erfahrung in den Bereichen Analyse, Degustation und Weinbereitung.

“Erst in zweiter Linie brauchen sie Hilfsmittel wie Filter, Pressen oder kleine Abfüllanlagen, was einfacher zu beschaffen ist.”

Kein Export

Die zwei Betriebe, die von den beiden Schweizer Winzern im Rahmen des Swisscontact-Projektes betreut werden, möchten gar nicht unbedingt exportieren. Sie würden gerne den lokalen Markt beliefern.

“In den Restaurants im Kosovo wird Wein ausgeschenkt, aber der kommt meistens aus Mazedonien oder zum Teil aus Kroatien. Und die lokalen Weine stammen dann eben von diesen Relikten aus Titos Zeiten und sind nicht besonders gut. Deshalb denke ich, dass unsere beiden Betriebe eine Chance haben in diesen Restaurants im Kosovo”, sagt Kesselring.

Hoffnung auf Schneeballeffekt

Hansueli Kesselring und Daniel Huber erhoffen sich von ihrem Projekt einen Schneeballeffekt: Wenn es mit den beiden Familien klappt, werden andere Winzer folgen und selbst keltern.

Das Projekt steht indessen erst am Anfang. Da Kesselring und Huber ihre eigenen Weingüter in der Schweiz haben, können sie nicht permanent im Kosovo sein. Deshalb sollte nun ein ausgebildeter Kosovare als lokaler Berater wirken, sagt Kesselring.

“Der Mann wird jetzt gesucht, und er kommt dann eventuell für ein Jahr oder so zur Ausbildung in die Schweiz. Und dann geht er zurück nach Kosovo, um dort seine Consultant-Funktion zu übernehmen.”

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Partner für KMU-Förderung im Kosovo:
Unternehmer, Unternehmensverbände, Frauen, Nichtregierungs-Organisationen, Handels- und Industrieministerium, UNO-Verwaltung (UNMIK)
Regieauftrag der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), finanziert durch Bundesamt für Flüchtlinge
Projektbeginn: November 2000

Hansueli Kesselring: Besitzer des Schlossgutes Bachtobel bei Weinfelden TG. 6 Hektaren mit Reben bestockt. Er war einer der ersten Ostschweizer, die ihren Blauburgunder in Barriques legten. Sein “Der Andere” gehört zu den besten Schweizer Pinot noirs. Er baut auch kleinere Partien Cabernet sauvignon und Merlot an. Weissweine: Pinot gris, Sauvignon blanc und Riesling.

Daniel Huber: Er gehört zu jenen Deutschschweizer Winzern, die in den 80er Jahren den Weinbau im Tessiner Malcantone auf eine professionelle Basis stellten. Er bewirtschaftet rund 6 Hektaren in Termine di Monteggio. Bekannt ist sein Merlot Riserva “Montagna Magica”. Dieser Wein gewann 1988 bei einer Merlot-Degustation der Académie du Vin gegen Hochkaräter wie den Château Pétrus.

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