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Nigeria: weiterhin Sonderflüge für die Rückschaffung

Demonstration im Frühling 2010 gegen die Schweizer Asylpolitik. Keystone

Die Schweiz und Nigeria gehen eine Migrations-Partnerschaft ein. Justizministerin Sommaruga und der nigerianische Aussenminister Ajumogobia haben eine entsprechende Absichtserklärung unterzeichnet. Finanzielle Anreize sollen die Rückschaffungen fördern.

Nigerianer sind die grösste nationale Gruppe der Asylsuchenden in der Schweiz. Im vergangenen Jahr stellten 1969 Menschen aus diesem afrikanischen Land in der Schweiz ein Asylgesuch. Das sind 13% aller Gesuche.

Doch die wenigsten Asylbewerber aus Nigeria erhalten in der Schweiz Asyl. 2009 hat die Schweiz lediglich einem Gesuch stattgegeben. Sechs nigerianische Asylbewerber erhielten eine vorläufige Aufnahme. Die überwältigende Mehrheit der Gesuche wurde abgelehnt.

Dass das so ist, hat verschiedene Gründe. Laut Beat Meiner, dem Generalsekretär der Flüchtlingshilfe, erzählen die meisten Nigerianer während dem Asylverfahren “dieselben stereotypen, kurzen und nicht glaubwürdigen Geschichten und nicht ihre wirkliche Biografie”.

Die Ablehnung der Asylgesuche sei wahrscheinlich in den meisten Fällen berechtigt: “Die Leute von den Hilfswerken, die bei den Anhörungen dabei sind, beurteilen das auch so.”

Gefesselt und unter den Augen der Polizei

Meistens reisen die Asylbewerber zudem ohne Pass in die Schweiz ein. Das führt im Falle einer Abweisung des Asylantrages zu Problemen, denn das Herkunftsland akzeptiert eine Rückführung nur dann, wenn die Identität und damit auch die Staatsangehörigkeit des abgelehnten Asylbewerbers nachgewiesen werden kann.

Problematisch sind die Rückführungen auch, weil sie zum grossen Teil mit Zwangsmitteln durchgesetzt werden müssen. Auf den Sonderflügen werden die abgewiesenen Asylbewerber in den meisten Fällen gefesselt und polizeilich bewacht.

Die Flüge verlaufen zudem regelmässig erfolglos, weil das Zielland die Landeerlaubnis verweigert und die Maschine deshalb in die Schweiz zurückkehren muss.

Todesfälle

Zudem sorgten die Zwangsausschaffungen in den vergangenen Jahren mehrmals für negative Schlagzeilen, so 1989, als der Palästinenser Khaled Abuzarifa auf dem Weg zum Flugzeug erstickte. Weil er sich geweigert hatte, das Flugzeug zu besteigen, hatte ihn die Polizei auf einen Rollstuhl gefesselt.


2001 starb der Nigerianer Samson Chukwu, als ihn eine Walliser Anti-Terror-Einheit für die Ausschaffung überwältigte und fesselte. Im März 2010 starb ein Ausschaffungshäftling aus Nigeria auf dem Flughafengelände. Die Todesursache ist rechtlich noch nicht endgültig abgeklärt.

Danach setzte die Schweiz die Ausschaffungsflüge aus. Nach einer Pause wurden am 19. Januar 2011 drei abgewiesene nigerianische Asylbewerber unter Zwang in ihre Heimat abgeschoben.

Bewerber werden geprüft

Vor den Medien in Bern sagte Justizministerin Simonetta Sommaruga, es seien weitere Zwangsrückführungen geplant. Einen Termin nannte sie nicht, Zwangsmassnahmen seien lediglich die “letzte Möglichkeit”.

Eine Weiterentwicklung des Schengen-Abkommens verlangt, dass die Sonderflüge ab Januar 2011 von neutralen Beobachtern begleitet werden sollten.

Die Schweiz hat dafür bisher noch keine Lösung gefunden, nachdem es das Schweizerische Rote Kreuz im vergangenen Herbst abgelehnt hatte, diese Aufgabe zu übernehmen.

Laut Sommaruga will der Bund ab Mitte Jahr mit begleiteten Sonderflügen beginnen. Das Bundesamt für Migration (BFM) prüfe derzeit die Bewerbungen der Organisationen, die sich für diese Aufgabe interessierten, so Sommaruga.

Finanzielle Anreize

Nach Angaben von BFM-Vizedirektor Gottfried Zürcher sollen in der Übergangszeit Vertreter der Anti-Folterkommission die Sonderflüge begleiten. Die im Januar abgeschobenen Nigerianer waren mit einem von der Agentur zur Sicherung der EU-Aussengrenzen (Frontex) organisierten Flug geflogen. Bei der Frontex fliegen bereits neutrale Beobachter mit.

Der nigerianische Aussenminister Odein Ajumogobia sagte, er hoffe, dass dank der neuen Partnerschaft Todesfälle vermieden werden könnten. Es gehe künftig darum, abgewiesene Asylbewerber von einer freiwilligen Rückkehr zu überzeugen.

Zu diesem Zweck will die Schweiz freiwilligen Rückkehrern finanziell unter die Arme greifen und ihnen bei der Wiedereingliederung in ihrer Heimat helfen.

Die Migrationspartnerschaft – die erste zwischen der Schweiz und einem afrikanischen Land – umfasst weitere Massnahmen. So sollen zusammen mit in Nigeria tätigen Schweizer Firmen Berufsbildungsprogramme auf die Beine gestellt werden.

Illegal eingereiste Einwanderer und abgelehnte Asylbewerber müssen sieben bis 30 Tage Zeit für eine freiwillige Ausreise erhalten.

 In Abschiebehaft dürfen sie nur dann genommen werden, wenn Fluchtgefahr besteht.

Die Haftdauer soll im Regelfall nicht mehr als sechs Monate betragen.

Eine Verlängerung um weitere zwölf Monate ist möglich, wenn sich “die Rückführung wegen mangelnder Kooperation” des Flüchtlings oder wegen Problemen bei der Feststellung seiner Nationalität verzögert.

Das revidierte Asylgesetz, das im September 2006 vom Schweizer Stimmvolk angenommen wurde, setzt die Sozialhilfe an abgewiesene Asylbewerber aus und verdoppelt die potentielle Inhaftierungszeit für Menschen, die auf ihre Zwangsausweisung warten, auf zwei Jahre.

Die Aufnahme wegen humanitärer Gründen wird ausgeschlossen.

Erleichtert wird der Familiennachzug und die Arbeitserlaubnis im Fall einer provisorischen Aufenthaltserlaubnis.

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