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Noch nie so viele Rassismus-Fälle wie 2006

Jüdinnen und Juden waren in den vergangenen elf Jahren am meisten von Rassismus betroffen. Keystone

Die Schweizer Behörden haben sich im Jahr 2006 mit der höchsten Zahl von Rassismus-Fällen seit Einführung der Anti-Rassismus-Strafnorm befassen müssen. Insgesamt galt es, 49 Fälle zu behandeln.

Damit lag die Zahl der angezeigten Verstösse gegen die Rassismus-Strafnorm deutlich über den Zahlen der elf Vorjahre. Dies ergibt eine Zusammenstellung der Eidgenössischen Kommission gegen Rassismus.

Bisherige Spitze seit Inkrafttreten der Rassismus-Strafnorm im Jahre 1995 war 2000 mit 40 Fällen gewesen.

2004 wurden 36 Fälle registriert, 2005 waren es 31. Zwischen 1995 und 2006 wurden insgesamt 355 Fälle zur Anzeige gebracht. Dies geht aus einer Studie der Kommission hervor, die am Montag publiziert wurde.

183 oder 51,5% endeten mit rechtskräftigen Urteilen oder Freisprüchen. In den restlichen 172 Fällen oder 48,5% wurde kein Strafverfahren eröffnet.

Juden und Jüdinnen waren zwischen 1995 und 2006 am häufigsten von Rassendiskriminierung betroffen. Die 100 Personen entsprachen rund einem Viertel der total 393 Betroffenen. Bei einem weiteren Viertel machten die Behörden allerdings keine Angaben über die Herkunft der Opfer.

21 der 49 Fälle von 2006 wurden ohne Strafverfahren erledigt. In den restlichen 28 Fällen kam es zu rechtskräftigen Urteilen. Viermal allerdings endeten die Strafverfahren mit Freisprüchen.

Grosse Dunkelziffer

Die Täter stammten vor allem aus den Gruppen Rechtsextreme (12) und Privatpersonen (11). Zu 11 weiteren Tätern machten die Behörden keine Angaben.

Ein Drittel aller Opfer wurde als Ausländerinnen und Ausländer verschiedener Ethnien beschrieben. Gegenüber früheren Jahren stieg diese Zahl stark an. Je 12 der 61 Opfer waren Juden, Dunkelhäutige oder Personen, zu denen keine Angaben gemacht wurden.

Bei der Rassismus-Strafnorm bestehe eine grosse Dunkelziffer, relativierte Tarek Naguib von der EKR die vorliegenden Zahlen. Zudem würden schätzungsweise 5 bis 20% der Fälle von den Kantonen nicht ans Bundesamt für Polizei (Fedpol) weitergeleitet.

Die Rassismus-Strafnorm Art. 261bis StGB wurde vom Volk im September 1994 angenommen und trat Anfang 1995 in Kraft. Im gleichen Jahr setzte der Bundesrat die ERK ein, unter anderem mit dem Auftrag, die Rassendiskriminierung unter wissenschaftlichen und ethischen Gesichtspunkten zu analysieren. Ebenso die Rechtsprechung zur neuen Strafnorm.

swissinfo und Agenturen

Die Antirassismus-Strafnorm wurde 1994 mit 54,7% Ja-Stimmen angenommen.

Sie hat in erster Linie zum Ziel, den historischen Revisionismus im Zusammenhang mit Genoziden wie dem Holocaust zu verhindern.

Das Gesetz sieht Busse oder Gefängnis für den Fall vor, wenn jemand einen anerkannten Genozid öffentlich verharmlost oder leugnet.

2005 haben die Schweizer Behörden gegen den türkischen Politiker Dogu Perinçek ein Strafverfahren eröffnet, weil er in der Schweiz den türkischen Genozid an den Armeniern zwischen 1915 und 1919 leugnete.

Perinçek wurde im März 2007 vom Strafgericht Lausanne wegen Rassen-Diskriminierung schuldig gesprochen.

Das Bundesgericht bestätigte das Urteil im Dezember 2007. Perinçek will nun an den Europäischen Gerichtshof in Strassburg gelangen.

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