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Nuklearschmuggel: Auslieferung in Sicht

Das Netzwerk von illegalem Nuklear-Schmuggel zieht sich von Pakistan über Iran bis Libyen. Keystone

Ein in Deutschland inhaftierter Schweizer Ingenieur wird in die Schweiz ausgeliefert. Er ist des Nuklearschmuggels nach Libyen verdächtigt.

Urs Tinner wird in Deutschland des Landesverrats beschuldigt. Die Schweiz ermittelt gegen ihn wegen Verstössen gegen das Kriegs-Materialgesetz.

In der Affäre um die Unterstützung des libyschen Atomwaffenprogramms hat Deutschland Ende dieser Woche der Auslieferung des Schweizers Urs Tinner an die Schweiz zugestimmt.

Im Oktober 2004 hatte die Schweizer Bundesanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren gegen Tinner eröffnet wegen Verdachts auf Verstösse gegen das Güterkontroll- und das Kriegsmaterialgesetz, im Zusammenhang mit der Unterstützung des libyschen Atomprogramms.

Strafanzeige eingereicht hatte das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco)) Mitte Oktober 2004, im Zusammenhang mit verbotenen Lieferungen von Gütern, die in einem Nuklarprogramm hätten gebraucht werden können.

Pakistanische A-Technologie an Libyen

Ende September 2004 hatte das seco einen Bericht an die Bundesanwaltschaft geliefert, in dem der Verdacht der Weitergabe pakistanischer Nuklear-Technologie an Libyen geäussert wird.

Aktiv geworden war das seco auf Grund eines malaysischen Polizeiberichts und Informationen der Internationalen Atomenergie-Behörden.

Gegenüber swissinfo sagte der Sprecher der Schweizerischen Bundesanwaltschaft, Hansjürg Mark Wiedmer, dass die Behörden “nur mit Tinner sprechen wollen”. Klage gegen ihn sei keine erhoben worden.

Der Verdächtigte, ein 40-jähriger Ingenieur, war am 8. Oktober 2004 in Deutschland verhaftet und der Beteiligung an Landesverrat beschuldigt worden.

Oberstaatsanwalt Franz Heinrich Pohl von der Generalstaatsanwaltschaft Köln bestätigte nun am Freitag, dass das deutsche Bundesjustizministerium grünes Licht für die Auslieferung von Tinner an die Schweiz gegeben habe.

Internationales Netzwerk von Atomschmugglern?

Im Zusammenhang mit der Atomaffäre sitzt in der Schweiz auch der 62-jährige Deutsche Gottfried Lerch in Auslieferungshaft. Er war am 13. November 2004 an seinem Wohnort in Grabs im St. Galler Rheintal verhaftet worden und widersetzt sich der drohenden Auslieferung nach Deutschland. Der Fall ist beim Bundesgericht hängig.

Die beiden Ingenieure gehören laut dem Verdacht der Strafverfolgungsbehörden zu einem internationalen Netzwerk von Atomschmugglern, das vom “Vater der pakistanischen Atombombe”, Abdul Qadeer Khan, gegründet worden sein soll.

Anreicherung von Uran für A-Waffen

Tinner und Lerch sollen Libyen in der Zeit von 2001 bis 2003 bei der Entwicklung und beim Bau von Gasultrazentrifugen für die Hochanreicherung von Uran zur Herstellung von Atomwaffen unterstützt haben.

Lerch und Tinner sind auf die Vakuumtechnik spezialisiert und seit Jahrzehnten im St. Galler Rheintal tätig.

Nach Informationen des deutschen Nachrichtenmagazins “Der Spiegel” sitzt Tinner derzeit im deutschen Rheinbach in Haft.

Das Schweizerische Bundesamt für Justiz (BJ) besitzt laut Folco Galli noch keine offizielle Bestätigung, dass der Auslieferungsentscheid in Deutschland gefällt worden ist.

Das Oberlandesgericht Köln hatte die Auslieferung für zulässig erklärt und diesen Entscheid am 28. April bestätigt.

Am 7. März 2005 hatte die Schweiz Deutschland um die Auslieferung Tinners ersucht. Der Sprecher der Schweizerischen Bundesanwaltschaft lehnte es ab, den im “Spiegel” erscheinenden Artikel zu kommentieren, wonach Tinner für den amerikanischen CIA gearbeitet haben und mit den Schweizer Behörden einen Deal abgeschlossen haben soll.

swissinfo und Agenturen

Deutschland hat sich bereit erklärt, einen des Nukleartechnologie-Schmuggels verdächtigten Schweizer Ingenieur an die Schweiz auszuliefern.
Die Schweizer Bundesanwalt will herausfinden, ob Urs Tinner Schweizerisches Recht verletzt hat, was das Güterkontroll- und das Kriegsmaterialgesetz betrifft.

Der Verdächtigte, Urs Tinner, 40, ist Ingenieur und auf Vakuumtechnik spezialisiert.

Er soll Libyen bis 2003 bei der Entwicklung und beim Bau von Gaszentrifugen für die Anreicherung von Uran zur Herstellung von Atomwaffen geholfen haben.

Laut Anklage sollen auch Tinners Vater und Bruder Teil eines internationalen Netzwerks gewesen sein, das der “Vater der pakistanischen Atombombe”, Abdul Qadeer Khan, gegründet hatte.

Khan hat sich schuldig bekannt, verantwortlich für A-Technologie-Transfers nach Iran, Nordkorea und Libyen gewesen zu sein.

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