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OECD wäscht die Schweiz rein

Keystone

Die Schweiz befindet sich nach der Unterzeichnung des zwölften Doppelbesteuerungs-Abkommens offiziell auf der weissen Liste OECD. Über diese Entwicklung zeigte sich Finanzminister Hans-Rudolf Merz in New York stolz und glücklich.

Die Schweiz befand sich seit April 2009 auf einer grauen Liste von Ländern, welche den OECD-Informationsausstausch in ihren Doppelbesteuerungs-Abkommen (DBA) nicht integriert haben. Damit die Schweiz von dieser Liste gestrichen wird, forderte die Organisation für wirtschaftliche Entwicklung und Zusammenarbeit (OECD) zwölf unterzeichnete DBA mit dem OECD-Informationsaustausch.

Nun sind diese Verträge unter Dach und Fach – dank der letzten Unterschrift mit Katar. “Das ist sehr wichtig für den Werkplatz Schweiz”, erklärte Finanzminister Merz vor den Medien in New York.

Als eines der wichtigsten Abkommen gilt jenes mit den USA, das am 23. September unterschrieben wurde. Auch bei diesem werden wie bei den früher abgeschlossenen DBA “Fishing Expeditions” zur Ausforschung von Beweisen ausgeschlossen. So muss bei einem Amtshilfegesuch der betroffene Steuerpflichtige bei einer entsprechenden Bank klar identifiziert werden können.

Der Schweizer Finanzminister zeigte sich befriedigt, dass “es uns gelungen ist, mit den USA ein Doppelbesteuerungs-Abkommen abzuschliessen, dessen Bestimmungen nicht rückwirkend anwendbar sind”.

Gewisser Druck bleibt

Die Schweiz habe nun sicher eine Ruhepause bekommen, sagte Merz gegenüber swissinfo.ch. Ganz aus dem Schussfeld sei sie aber nicht. “Und zwar deshalb, weil es bei der EU Tendenzen in Richtung automoatischer Informationsaustausch gibt. Diese Tendenzen werden insbesondere von Frankreich und Deutschland gefördert.”

Er sei Realist und glaube daher, dass ein gewisser Druck bleiben werde. “Die Frage ist nur: Kann sich der Druck auch durchsetzen?” Auf kurze oder mittlere Frist eher nicht, so Merz gegenüber swissinfo.ch weiter. “Mit dieser OECD-Politik ist jetzt eine bedeutende Etappe gewonnen worden. Mit der erleichterten Amtshilfe gegenüber ausländischen Steuerbehörden lassen wir die Unterschiede zwischen Steuerhinterziehung und Steuerbetrug fallen.” Und das sei das zentrale Anliegen vieler Staaten.

Privatsphäre bleibt erhalten

Für Peter Viktor Kunz, Professor für Wirtschaftsrecht an der Universität Bern, ist der Wechsel von der grauen zur weissen Liste wichtig für den Schweizer Finanzplatz. Dieser lebe von Vertrauen und Rechtssicherheit, sagte er gegenüber Radio DRS.

Kunz sieht das Schweizer Bankkundengeheimnis nicht gross in Frage gestellt. Es sei leicht eingeschränkt worden mit dem Passus, dass nun auch bei Steuerhinterziehung keine Möglichkeit bleibe, etwas zu verstecken.

Für den Wirtschaftsrechtler bleibt jedoch das Wichtigste erhalten: der Schutz der Privatsphäre.

Laut Kurz wird nun der Druck auf die Schweiz erheblich abnehmen. So sei das Verlangen nach automatischen Informationsaustausch, wie er gerade von EU-Ländern immer wieder gefordert wurde, vorderhand vom Tisch. Denn der automatische Austausch sei nicht mal innerhalb aller EU-Staaten möglich.

Klarheit und Rechtssicherheit

Sergio Rossi, Professor für Wirtschaftswissenschaften an der Universität Freiburg, erwartet nun verschärften internationalen Druck auf jene Länder und Gebiete, die sich noch im Widerspruch zu den OECD-Leitlinien befinden.

Und das sei positiv für ausländische Kunden der Schweizer Banken. Die wieder gewonnene “Klarheit” und “Rechtssicherheit” sei für die Schweizer Banken ein “Wettbewerbsvorteil”, so Rossi gegenüber swissinfo.ch.

Die Schweiz wäre laut Rossi gut beraten, diesen Vorteil möglichst schnell für sich zu nutzen.

“Klar, für Betrüger sind nun andere Länder und Gebiete, die weniger kooperativ sind, interessanter als die Schweiz.”

Nicht ohne das Parlament

Die zwölf DBA sind zwar jetzt unterzeichnet, das letzte Wort hat jedoch das Parlament.

Die beiden Kammern entscheiden, ob eines, einige, alle oder kein Abkommen dem fakultativen Referendum unterstellt werden sollen. Ein Inkrafttreten wäre also frühestens ab 2011 möglich.

Der Bundesrat möchte lediglich das erste vom Parlament verabschiedete Steuerabkommen vors Volk bringen.

Dagegen wollen die bürgerlichen Parteien alle zwölf DBA dem fakultativen Referendum unterstellen. “Unser Bankgeheimnis steht auf dem Spiel, da soll das Volk mitbestimmen können”, sagt zum Beispiel Silvia Bär, stellvertretende Generalsekretärin der Schweizerischen Volkspartei (SVP)

Etienne Strebel, Bern, und Rita Emch, New York, swissinfo.ch

Die Schweiz hat Doppelbesteuerungs-Abkommen mit folgenden Ländern unterschrieben: Dänemark, Luxemburg, Frankreich, Norwegen, Österreich, Grossbritannien, Mexiko, Finnland, USA und Katar.

Das Abkommen mit Dänemark wurde zudem auf die Färöer-Inseln ausgedehnt. Dies entspricht einem weiteren Land.

Weil das bestehende DBA mit Spanien eine automatische Meistbegünstigten-Klausel enthält, sofern die Schweiz mit einem anderen EU-Staat eine weitergehende Bestimmung vereinbart, wird auch dieses von der OECD anerkannt.

Die schwarze Liste der OECD enthält jene OECD-Staaten, die keine Anzeichen für Fortschritte im Bereich der Steuerzusammenarbeit gezeigt haben. Sie ist im Moment leer.

Auf der graue Liste figurieren jene Staaten, die versprochen haben, die OECD-Regeln einzuhalten, aber noch nicht die geforderten Doppelbesteuerungs-Abkkommen mit mindestens 12 Staaten abgeschlossen haben. Dazu gehören Liechtenstein, Monaco und die Philippinen.

Belgien, Luxemburg und Österreich haben es auf die weisse Liste geschafft.

Insgesamt 150 Abkommen sind gemäss OECD seit April dieses Jahres revidiert worden, über viele andere wird derzeit noch verhandelt.

Die Kriterien werden sich voraussichtlich ändern. Es wird wahrscheinlihc nicht genügen, die zwölf Übereinkommen zu unterzeichnen und seinen guten Willen zu beweisen.

Das OECD Global Forum über Transparenz und Informationsaustausch in Steuerfragen wird eine robuste, umfassende und allgemeine Überwachungs-Strategie einführen. Damit soll sichergestellt werden, dass die Mitglieder ihren Verpflichtungen nachkommen. Ein erstes Monitoring über die Fortschritte soll gegen Ende 2009 veröffentlicht werden.

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