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Ohne Geld kein Robert-Walser-Archiv

Robert Walser, verkannter Künstler von Weltrang. (walser-archiv.ch) swissinfo.ch

Während der bedeutende Literat zu seinem 125. Geburtstag geehrt wird, droht dem Robert-Walser-Archiv das Aus.

Seit 30 Jahren betreut das Robert-Walser-Archiv den Nachlass des wichtigen Schweizer Schriftstellers. Die Schliessung wäre ein grosser Verlust.

“Bodenlos erfolglos”, so nannte Robert Walser einst seine Literatur. Was zu Lebzeiten des begnadeten Schweizer Schriftstellers durchaus seine Berechtigung hatte, gilt heute nicht mehr.

Längst ist Robert Walser ein Klassiker der modernen Schweizer Literatur. Weltweit in der Literaturszene anerkannt, gilt Walser mit seinen Büchern, rätselhaften Miniaturschrift-Manuskripten und Gedichten als grosser Schriftsteller.

Hilferuf

Umso mehr erstaunt der Hilferuf des Robert-Walser-Archivs aus Zürich. Die Institution, die seit 30 Jahren den Nachlass des bedeutenden Schweizers betreut, muss 2004 schliessen, wenn sich keine neuen Geldgeber finden.

Die Carl-Seelig-Stiftung, die hinter dem Archiv steht, hat kein Geld mehr. Weil der nötige finanzielle Grundstock seit vielen Jahren fehlt, schrieb das Archiv in den letzten Jahren jeweils Defizite von 50’000 bis 80’000 Franken.

Das Loch in der Kasse konnte auch mit Lizenzeinnahmen aus dem Verkauf von Walser-Büchern nicht gestopft werden. Diese Einnahmen reichen laut Bernhard Echte, Leiter des Archivs, gerademal für Miet- und Sachkosten, nicht jedoch für die Löhne der Angestellten.

Sachverstand und Herzblut

Mit viel Sachwissen und Herzblut setzen sich die Angestellten für das Erbe Robert Walsers ein. Das Archiv zeichnet verantwortlich für Publikationen des umfangreichen Walser-Werks, das mühsam in Zeitschriften zusammengesucht werden musste.

Ferner hat es während 20 Jahren Walsers Mikrogramme entziffert. Ausstellungen organisiert und dafür gesorgt, dass der Name Walser Eingang in den Literatur-Olymp gefunden hat.

Für die nächsten Jahre sind weitere Aktivitäten geplant. “In Sachen Walser ist noch längst nicht alles erforscht. Eine Ausgabe seiner Briefe müsste dringend erforscht werden”, wie Echte gegenüber Radio DRS erklärte.

Weiter ist das Institut Anlaufstelle für Anfragen aus aller Welt (rund 1000 pro Jahr), berät bei Übersetzungen und betreut jährlich gegen 300 Besucherinnen und Besucher.

Klein und flexibel

Doch warum wird das gesamte Archiv nicht einfach ins Literaturarchiv der Schweizerischen Landesbibliothek in Bern übergeben? Bernhard Echte: “Diese kleinen Archive, das Robert-Walser-, das Max-Frisch-, das Thomas-Mann-, das James-Joyce-Archiv, leisten sehr gute Arbeit. Sie sind flexibler und produktiver als grosse Apparate.”

Kommt hinzu, dass auch die Landesbibliothek personell und finanziell unterdotiert ist.

Für das Robert-Walser-Archiv muss eine langfristige und nachhaltige Lösung gefunden werden. Sinnvoll wäre eine Situation, in der sich private und öffentliche Gelder ergänzen. Ob sich in nützlicher Frist eine Lösung abzeichnet, wird sich weisen.

swissinfo und Agenturen

Robert Walser
geb. 15. April 1878 in Biel
gest. 25. Dezember 1956 in Herisau, Appenzell

Robert Walser, dessen Werk in über 20 Sprachen übersetzt wurde, gilt noch immer als rätselhafter Autor.

Zeit seines Lebens nicht anerkannt, ist er heute der wichtigste Vertreter der Schweizer Literatur aus der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts.

Infolge einer psychischen Krise wurde Walser ab 1929 gegen seinen Willen psychiatrisch betreut.

1933 gab er das Schreiben vollständig auf.

Walser lebte bis zu seinem Tod 1956 als Patient in der Heilanstalt Herisau, Appenzell.

Zu seinen wichtigsten Werken gehören: “Geschwister Tanner”, “Der Gehülfe” und “Jakob von Gunten”.

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