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Schweiz wird in London Präsenz markieren

Computer-Entwurf des "House of Switzerland" in London, das am 20. Juli seine Tore öffnen wird. EDA/Präsenz Schweiz

Die Schweiz will in London einen Fussabdruck hinterlassen. Das offizielle Schweizer Gästehaus wird am 20. Juli seine Tore öffnen. Es soll zur Förderung von Tourismus und Unternehmen beitragen, und vielleicht gar zur Lösung politischer Fragen.

Die Strasse, der kleine Platz am Ufer der Themse und der Boden im Innern der Glaziers Hall, einem historischen Gebäude in der Nähe der London Bridge – einst Quartier der Zunft der Glasmacher –, wird mit dünnem, rotem Aluminium bedeckt sein.

“Die Schweizer haben den Ruf, nicht eben expansiv zu sein. Wir wollten einen Gegenpunkt setzen, indem wir die Stadt mit unserem Fussabdruck markieren”, erläutert Nicolas Bideau, der Direktor von Präsenz Schweiz, bei der Einweihung des Schweizer Gästehauses im Herzen der Hauptstadt.

Das Haus, das während den Olympischen Spielen vom 20. Juli bis 12. August als Schweizer Hauptquartier dienen wird, rechnet mit rund 250’000 Besucherinnen und Besuchern. Die Kosten für den Auftritt belaufen sich auf 4,5 Mio. Franken, davon entfallen zwei Drittel auf den Bund, der Rest auf private Partner.

Auf den rund 3000 m² wird es einen Raum geben, von dem aus man die Spiele direkt mitverfolgen kann. Daneben sollen im “House of Switzerland” unter anderem Schweizer Medaillen-Feiern stattfinden, aber auch Konzerte von jungen Schweizer Musikschaffenden, organisiert unter der Ägide des Montreux Jazz Festivals.

Eine besondere Feier ist für den 1. August geplant, den Schweizer Nationalfeiertag. Am 4. und 5. August stehen die “Berner Spiele” auf dem Programm, an denen Besucher und Besucherinnen traditionelle Sportarten wie “Hosenlupf” oder “Steinwurf” entdecken können.

Aus Pub wird Chalet

Was das Kulinarische angeht, haben Besucherinnen und Besucher die Wahl zwischen zwei Restaurants und einem Stand – hinter allen Angeboten steht der Starkoch Anton Mosimann. “Wir haben eine leichtere Version der typischen Schweizer Gerichte aus Grossmutters Küche entwickelt”, erklärt Mosimann.

“Eines der Restaurants ist ein englisches Pub, das zum Chalet umgewandelt wurde, das zweite eine trendige Brasserie wie man sie etwa in Zürich, Genf oder Basel findet”, erläutert Bideau.

Eine Vision, die Tradition und Moderne verbindet, und die das gesamte Projekt prägt: “Wir heben einerseits Elemente hervor, welche die Menschen in Grossbritannien bereits mit der Schweiz assoziieren – Berge, Käse und Schokolade –, wir wollen aber auch überraschen, zeigen, dass wir zwar seriös und ernsthaft sind, aber auch kreative Leute, die gerne auch Risiken eingehen”, unterstreicht der Direktor von Präsenz Schweiz.

Sommerdestination Schweiz

Das Schweizer Gästehaus, einer der bedeutendsten Auftritte neben denen von Frankreich und Russland, ist aber nicht nur ein Ort des Vergnügens. Das Haus soll auch Werbung für den Schweizer Tourismus machen – und beherbergt in dem Zusammenhang den Sonderpartner Berner Oberland.

“Die Briten kennen die Schweiz gut und haben auch eine Reihe vorgefasster Meinungen über diese Reisedestination – diese gilt es für uns in Frage zu stellen”, sagt Marcelline Kuonen, die Vertreterin von Schweiz Tourismus in London. “Sie sehen die Schweiz als Bergland, als Land des Wintersports. Wir wollen aufzeigen, dass man auch im Sommer dorthin reisen oder Städte besuchen kann.”

Um diese Botschaft zu vermitteln, hat Schweiz Tourismus in einem Annex des Hauses eine Klettermauer eingerichtet, die Gedanken an den Eiger wecken soll. Zudem wird die erste Tour von Thomas Cook in die Schweiz vor 150 Jahren detailgetreu nachgebildet.

“Es waren die Engländer, die den Schweizer Tourismus erfunden haben, und das war damals übrigens Sommer-Tourismus. Auch das wollen wir in Erinnerung rufen”, präzisiert Kuonen.

Schweizer Videospiele

Das “House of Switzerland” wird zudem als Treffpunkt dienen, wo Schweizer Unternehmen ihre Kontakte in der britischen Hauptstadt fördern oder neue Kontakte knüpfen können. Auch sollen Sektoren wie Biowissenschaften, Clean Tech oder Präzisionsindustrie einen prominenten Platz erhalten.

“In Grossbritannien werden wir als grosse Finanzmacht wahrgenommen, aber nur wenige Leute wissen, dass dies nur etwa 10% unserer Wirtschaft ausmacht”, unterstreicht Botschafter Anton Thalmann.

“Niemand weiss zum Beispiel Bescheid über unsere Kompetenz im Bereich des Videospiel-Designs”, fügt Nicolas Bideau hinzu. Ein ganzer Raum im Schweizer Gästehaus ist diesem Sektor gewidmet. Es gibt dort drei virtuelle Spiele zu entdecken, die speziell zu diesem Anlass von einem Studio in Zürich entwickelt wurden.

Im Schweizer Gästehaus wird auch das System der beruflichen Lehrausbildung der Schweiz präsentiert. “Dies interessiert die Briten sehr, die in dem Zusammenhang seit Jahren mit der Botschaft in Kontakt stehen”, unterstreicht Bideau. Angesichts der extrem hohen Arbeitslosigkeit unter Jugendlichen versucht Grossbritannien, ein System der beruflichen Lehrausbildung zu fördern, das auf dem Schweizer Modell basiert.

Eine Art Schmiermittel

Und nicht zuletzt soll das Schweizer Gästehaus auch dazu dienen, die politischen Beziehungen zwischen Bern und London etwas geschmeidiger zu machen. Drei Mitglieder der Landesregierung, Eveline Widmer-Schlumpf, Didier Burkhalter und Ueli Maurer, werden im Verlauf der Olympischen Spiele nach London reisen.

“Es ist oft einfacher, heikle politische Dossiers, wie etwa das Steuerdossier, bei einem guten Glas Schweizer Wein voranzubringen”, sagt Bideau mit einem Lächeln.

“Die Schweiz ist ja nicht Mitglied in grossen internationalen Organisationen, in denen Grossbritannien eine wichtige Rolle spielt, wie die EU, die NATO, die G20 oder der Commonwealth”, fügt Botschafter Thalmann hinzu. “Eine Initiative wie das Schweizer Gästehaus gibt uns die Möglichkeit, dieses Defizit an Sichtbarkeit etwas zu verringern.”

Der Brite Diccon Bewes lebt seit einigen Jahren in Bern. Der Autor des Bestsellers “Swiss Watching” wird sein Quartier während den Olympischen Spielen im Schweizer Haus aufschlagen. Ein Kurzinterview.

 

swissinfo.ch: Was werden Sie im Schweizer Gästehaus tun?
Diccon Bewes: Ich werde ein informeller Kultur-Botschafter sein. Mein Ziel ist, dass die Besucher und Besucherinnen die Schweiz besser kennen lernen, vor allem durch eine Reihe von Vorträgen und Präsentationen. Ich werde daneben täglich in einem Blog berichten und mich via Twitter und Facebook melden.

swissinfo.ch: Es geht also um eine Art Werbeaktion für die Schweiz?
D.B.: Die Organisatoren hoffen, dass wir die Gäste dazu bringen können, sich an verschiedensten Aktivitäten zu beteiligen. Dass sie etwa ein Raclette essen, den Lindt-Laden besuchen oder sich an der Kletter-Mauer versuchen werden. Ich werde auch eine Schatzsuche in London organisieren, bei der “Schweizer” Orte in der Stadt im Zentrum stehen werden.

swissinfo.ch: Ist diese Initiative der Schweiz einzigartig?
D.B.: Andere Länder – wie Frankreich oder Russland – werden während den Olympischen Spielen auch ihre Häuser betreiben. Die Schweiz unterscheidet sich von diesen dadurch, dass nur etwa 10% der Räumlichkeiten für Athleten und Athletinnen reserviert sind – und der grosse Rest für das allgemeine Publikum gedacht ist.

(Das Interview führte Thomas Stephens, swissinfo.ch)

Die Tradition des Schweizer Gästehauses geht auf 1998 zurück, als das “House of Switzerland” an den Olympischen Winterspielen in Nagano, Japan, seine Premiere feierte.

Im Lauf der Jahre haben sich die Gasthäuser zu Plattformen zur Verbreitung und Förderung des Schweizer Images entwickelt. Sie dienen als Drehscheibe und Ort der Begegnung für Athletinnen und Athleten, offizielle Delegationen und Sport-Fans. Sie sind ein Ort, an dem sich die Mitglieder des Schweizer Olympia-Teams treffen können, bieten aber auch Raum für Veranstaltungen, an denen sich Wirtschaft, Tourismus und Kultur der Schweiz präsentieren können.

Die Schweizer Gästehäuser sind zu einer Marke geworden, die mit den Olympischen Spielen verbunden ist. Das “House of Switzerland” ist eines der wenigen nationalen Häuser, die einem breiten Publikum von nah und ferne offen stehen. Es handelt sich um eine öffentlich-private Partnerschaft, die Bundesbehörden und private Sponsoren vereint.

(Übertragung aus dem Französischen: Rita Emch)

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