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Otto’s Traum

Otto Ineichen: Ein Macher im Parlament. Keystone

Mit Restposten und Billigangeboten machte er sein Vermögen. Jetzt sucht Otto Ineichen Ausbildungsplätze für Jugendliche und entlastet damit die Sozialprogramme der Schweiz.

Im Rahmen des Projekts “Speranza 2000” konnte bereits für 1800 junge Menschen ein Ausbildungsplatz gefunden werden. Doch Ineichen wäre nicht Ineichen, wenn er sich nun zurücklehnen würde.

“Das ist sozialer Sprengstoff”, sagt Otto Ineichen, und spricht damit die Gefahr der Jugendarbeitslosigkeit an.

Soeben hat er sein Projekt zur Wiedereingliederung junger Menschen an einer Fachtagung im Eidgenössischen Personalamt in Bern vorgestellt.

“Wir haben es in den letzten Jahren verpasst, gegen 20’000 Jugendliche rechtzeitig zu integrieren”, sagt der erfolgreiche Unternehmer und freisinnige Nationalrat aus dem Kanton Luzern gegenüber swissinfo.

“Sie stehen in sozialen Programmen, belasten die Gesellschaft extrem. Und das Wichtigste ist, dass wir die jetzt schnellstmöglich – lieber heute als morgen – eingliedern.”

Hoffnung für 2000 Junge

Ineichen, Gründer von “Otto’s Schadenposten”, später “Otto’s Warenposten” und heute schlicht “Otto’s”, ist ein Mann der Tat, der bewegen will und lieber anpackt, statt nur über ein Thema zu reden.

Deshalb hat er Anfang dieses Jahres das Projekt “Speranza 2000” ins Leben gerufen mit dem Ziel, bis Ende Oktober in der ganzen Schweiz 2000 Ausbildungsplätze zu schaffen.

Die Idee lieferte die Sozialdemokratische Partei (SP) mit einer Motion in der Kommission für Wissenschaft, Bildung und Kultur (WBK) des Nationalrats, deren Mitglied Ineichen ist. Die Partei wollte staatliche Lehrstellen schaffen.

Die SP hätte zwar das Problem erkannt, doch für Ineichen war klar: “Hier ist die Wirtschaft gefragt. Das hat mich dann auch extrem motiviert, hier Gas zu geben.”

Ziel nicht ganz erreicht

Bis Ende Oktober hat “Speranza 2000” rund 1800 Stellen geschaffen. Ineichen ist jedoch nicht ganz zufrieden. “Es gab anfänglich sehr viele Probleme. Wir haben viel zu viel Zeit für Administration verloren.”

Grund war die Skepsis der Kantone gegenüber dem agilen Unternehmer. “Es brauchte vorerst sehr viel Überzeugungsarbeit mit den kantonalen Ämtern für Berufsbildung und mit dem Bundesamt für Berufsbildung und Technologie.”

Ineichen geht es nicht darum, den Kantonen in die Quere zu kommen. Vielmehr will “Speranza 2000” ein Türöffner sein. Denn: “Ein Unternehmer kann andere Unternehmen wesentlich einfacher überzeugen, Ausbildungsplätze zu schaffen.”

Trotzdem sei es einmalig, was in den letzten Monaten gemeinsam erreicht werden konnte. Mit einigen führenden Personen im Bundesamt für Berufsbildung und Technologie (BBT) habe er “Berge versetzen” können.

Zweite Phase

Nun ist das Projekt auf gutem Weg in die zweite Phase. “Jetzt läuft es hervorragend”, betont Ineichen und erwähnt dabei die neuen Projekte, die er in der Pipeline hat.

2007 wolle man sich auf die Schaffung von Lehrstellen für schulisch Schwache konzentrieren. Man setzt dabei besonders auf die zweijährige Grundausbildung mit eidgenössischem Berufsattest (EBA), die auch der Bund ab nächsten Sommer anbieten will.

“Nächstes Jahr haben wir kein Lehrstellenproblem mehr für Jugendliche, die jetzt aus dem neunten oder zehnten Schuljahr kommen”, ist “Otto’s” Wunschvorstellung. “Und dafür arbeite ich.”

Doch Ineichen ist bereits einen Schritt weiter: Mit dem Pilotprojekt unter dem Arbeitstitel “Integranza” ist dieser Tage eine weitere Testphase angelaufen. Südosteuropäer, die es beruflich geschafft haben, sollen junge Menschen aus dem Balkan auf ihrem Weg in den Beruf betreuen.

Herzblut

Ineichen ist mit viel Herzblut bei der Sache. Nach dem Totalverlust seiner ersten Firma hat er am eigenen Leib erfahren, was eine zweite Chance bewirken kann. “Krisen können eine enorme Chance für das Leben sein.”

Er hat sie gemeistert und es später als Unternehmer sehr weit gebracht. “Und ich fühle mich verantwortlich, der Mitwelt etwas zurückzugeben, anstatt zu Golfen.”

Dass er es Ernst meint mit der Wiedereingliederung von jungen Menschen, hat er gleich selber bewiesen. In seinen Betrieben hat er dieses Jahr 12 neue Ausbildungsstellen geschaffen, nächstes Jahr kommen 20 dazu.

swissinfo, Christian Raaflaub

Im Rahmen von “Speranza 2000” wurden 1800 neue Ausbildungsstellen geschaffen.
Am erfolgreichsten war das Projekt bisher in den Kantonen Aargau, Bern, Luzern und Thurgau.
“Speranza 2000” wird mit jährlich 460’000 Fr. vom Bund unterstützt.
Die Finanzierung ist bis 2008 gesichert.

Das Projekt “Speranza 2000” sieht sich nicht als Konkurrenz für die Kantone, sondern als Türöffner. Die Praktikums- und Lehrstellenplätze werden nur gesucht, nicht aber vermittelt.

Ist eine neue Stelle gefunden, werden die Daten an das entsprechende kantonale Amt für Berufsbildung weitergeleitet, welches dann mit dem Unternehmen Kontakt aufnimmt.

Der 65-jährige Betriebswirtschafter führte von 1967 bis 1977 die von ihm und seinem Bruder gegründete Fleischwaren-Firma “Viaca AG”.

1977 musste er das Unternehmen für einen Franken verkaufen. Er verlor sein gesamtes Vermögen.

Nach einem Aufenthalt im Kloster wagte er zusammen mit seiner Frau den Neuanfang: Er kaufte durch ein Unwetter beschädigte Ware und legte damit den Grundstein für “Otto’s Schadenposten”.

1985 benannte er sein Unternehmen in “Otto’s Warenposten” um, seit 1989 ist es auch in der französischsprachigen Schweiz vertreten.

Seit 1999 heisst der Konzern schlicht “Otto’s”. Heute arbeiten knapp 1100 Personen in über 90 Filialen in der ganzen Schweiz.

2001 übergab Ineichen die Unternehmungsleitung an seinen Sohn Mark. Seither ist er Verwaltungsrats-Präsident von “Otto’s”.

Seit Oktober 2003 sitzt er für die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) als Nationalrat im Schweizer Parlament.

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