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Parlament gegen Einschränkung des Beschwerderechts

Debatte über das Beschwerderecht im Nationalrat: Doris Fiala (FDP) und Ruedi Lustenberger (CVP). Keystone

Beide Parlamentskammern haben der Volksinitiative der Zürcher Freisinnig-Demokratischen Partei (FDP) eine Abfuhr erteilt, welche das Verbandsbeschwerderecht einschränken will.

Auslöser der Initiative war eine Beschwerde des Verkehrs-Clubs gegen das neue Hardturm-Stadion. Die Mehrheit im Parlament befand, dass man nicht via Volksentscheid das Umweltrecht aushebeln dürfe.

Die Abstimmung im Nationalrat fiel mit 88 zu 84 Stimmen bei 12 Enthaltungen deutlich knapper aus als im Ständerat, der mit 32 zu 9 Stimmen entschieden hatte. Mit 104 zu 80 Stimmen verwarf der Nationalrat eine parlamentarische Initiative von Ernst Schibli der Schweizerischen Volkspartei (SVP), das Verbandsbeschwerderecht ganz abzuschaffen.

Die von der Zürcher FDP lancierte Initiative will die Verbandsbeschwerde der Umweltverbände bei demokratisch gefällten Volks- und Parlamentsentscheiden in Bund, Kantonen und Gemeinden ausschliessen.

Die Initiative stelle die Demokratie über den Rechtsstaat, kritisierte Kommissionssprecher Carlo Sommaruga von der Sozialdemokratischen Partei (SP). Die Vox Populi sei nicht die Vox Dei. Die Initiative liesse es zu, dass eine Gemeinde per Urnengang das nationale Umweltrecht aushebeln könnte.

Höhere UVP-Schwellen

Bundesrat Moritz Leuenberger verwies auf die Revision des Umweltrechtes, das die Verbandsbeschwerde einschränkt und seit Mitte 2007 in Kraft ist. Gegenwärtig sei eine strenge Verordnung in der Vernehmlassung, die den Initianten allenfalls den Rückzug ihres Begehrens erleichtern könnte.

So werde vorgeschlagen, die Schwelle, ab der eine Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) vorgeschrieben ist, von 300 auf 500 Parkplätze und die Fläche von Einkaufszentren von 5000 auf 7500 Quadratmeter zu erhöhen, sagte Leuenberger. Das würde die Zahl der möglichen Rekurse senken.

Kehrtwende im Bundesrat

Der Bundesrat hatte die Initiative zunächst abgelehnt, weil er das neue Umweltrecht als indirekten Gegenvorschlag gewertet hatte.

Nach einer zweiten Beratung machte er kehrt, obschon laut Leuenberger bei einer Einschränkung des Beschwerderechtes das Umweltrecht geschwächt würde und das Bundesamt für Umwelt (BAFU) einspringen müsste.

Die Verbandsbeschwerde habe aber auch Nachteile, sagte Leuenberger. Deshalb habe der Bundesrat Hand geboten, die Legitimation der Verbände einzuschränken, Vereinbarungen zwischen den Prozessparteien zu verbieten, eine Kostenbeteiligung einzuführen und einen vorzeitigen Baubeginn zu ermöglichen.

Hoffen auf den Ständerat

Der Abstimmung war eine Grossdebatte vorangegangen, an der sich fast ein Viertel des Rates beteiligte. Am Donnerstag gab es einen Schlagabtausch zwischen FDP und Grünen. Bei den Wahlen hätten die Grünen gewonnen und die FDP verloren, sagte Franziska Teuscher. Wer den Umweltschutz schwäche, habe schlechte Karten.

FDP-Vizepräsident Ruedi Noser meinte, die Initiative habe positive Vorwirkungen entfaltet. Die Umweltverbände seien vorsichtiger geworden. Doch müssten die Verbandsbeschwerde weiter überarbeitet und die Möglichkeit geschaffen werden, Organisationen das Rekursrecht zu entziehen. Der Ständerat solle an die Arbeit.

Eine Subkommission der ständerätlichen Rechtskommission ist daran, Fragen im Spannungsfeld von Demokratie, Umweltschutz und Raumplanung zu klären. Sie berät über eine Aargauer Standesinitiative und will einen indirekten Gegenvorschlag zur Initiative entwerfen.

swissinfo und Agenturen

Das Bundesgesetz für den Natur- und Heimatschutz von 1966 gibt nationalen Umweltschutz-Organisationen das Recht, gegen Bauprojekte Einsprache zu erheben.

Zur Zeit steht dieses Recht 30 Organisationen zu.

In den letzten Jahren ist dieses Recht Gegenstand von Auseinandersetzungen geworden. Viel Staub aufgewirbelt hat zum Beispiel die erfolgreiche Blockierung des Neuaufbaus des Zürcher Hardturm-Stadions durch eine Umweltorganisation.

Dieses Projekt war zuvor in einer Volksabstimmung genehmigt worden.

Die Freisinnig-Demokratische Partei (FDP) des Kantons Zürich hat darauf eine Initiative lanciert, welche Verbände vom Rekursrecht gegen Projekte ausschliessen will, wenn diese aufgrund einer Volksabstimmung oder eines gesetzlichen Entscheides bereits genehmigt worden sind.

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