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Parteien buhlen um Auslandschweizer-Organisation

Keystone

Die Parteien haben die Auslandschweizer-Organisation (ASO) entdeckt. Deren neuer Präsident Jacques-Simon Eggly begrüsst dieses Interesse, wehrt sich jedoch gegen Vereinnahmungs-Versuche.

Eggly sieht das gestiegene Interesse auch als Lohn für die gute Arbeit der ASO, wie er am ASO-Kongress in Genf gegenüber swissinfo sagte.

Dank der zunehmenden globalen Mobilität leben immer mehr Schweizerinnen und Schweizer im Ausland. Sie haben heute viel politisches Gewicht erlangt, das bei den Parteien Begehrlichkeiten weckt.

Der neue Präsident der Auslandschweizer-Organisation (ASO), der am Freitag vom Auslandschweizer-Rat einstimmig gewählte Jacques-Simon Eggly, erklärt dieses Phänomen. Der Genfer ist noch bis zu den Wahlen im Herbst Nationalrat für die Liberalen.

swissinfo: Die politischen Parteien kämpfen um eine bessere Vertretung bei der ASO. Wie erklären Sie dieses aktuelle Interesse für Ihre Organisation und jene, die sie repräsentiert?

Jacques-Simon Eggly: Fortschritt und Verbesserungen provozieren oft mehr oder weniger gut beherrschbare Parallel-Effekte. Unsere Organisation hat immer die politische Teilnahme der Auslandschweizer stimuliert und zudem auf die Schweiz Druck ausgeübt, sich mehr für ihre Bürger im Ausland zu interessieren, einschliesslich auf der politischen und der Wahlebene. Wir werden also für unsere Anstrengungen belohnt.

Tatsächlich haben die grossen politischen Parteien die Auslandschweizer entdeckt und die ASO als eine Organisation, die zählt. Dies hat auch Vorschläge beflügelt, den Auslandschweizern im Schweizer Parlament Sitze zu reservieren. Dies ist eine problematische Option, mit der wir uns schon lange beschäftigt haben. Sie wird aber zu einem politischen Thema, da diese Frage der Vertretung im Parlament diskutiert werden wird.

Ausserdem ist der Vorstand unserer Organisation, der aus Aus- und Inlandschweizern besteht, im Kreuzfeuer der Kritik jener, die meinen, die freisinnigen und liberalen Parteien seien überrepräsentiert.

Eins ist sicher, unsere Organisation kann sich dem politischen Feld nicht entziehen und auch nicht der immer lebhafter werdenden Konfrontation entgehen. Es ist jedoch wichtig, dass die Zusammensetzung ihrer Organe und ihr Funktionieren die gesamte Vielfalt des politischen Feldes berücksichtigen, ohne zu einem politischen Schlachtfeld zu werden.

Dieses Gleichgewicht zu finden, wird meine Aufgabe als ASO-Präsident sein. Und ich bin guter Hoffnung, die gute Arbeitsatmosphäre im Interesse der Schweizer Bürgerinnen und Bürger im Ausland aufrechterhalten zu können.

swissinfo: Ist der momentane Druck auf die im Herbst stattfindenden eidgenössischen Wahlen zurückzuführen?

J.-S. E: Absichten, in eine Organisation einzudringen, die einen gewissen Einfluss auf empfindliche Themen wie Europa oder die Ausländerproblematik hat, sind spürbar. Die ASO ist eine Gruppe mit Einfluss auf die schweizerische Politik und zudem der bevorzugte Informationskanal der im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer.

swissinfo: Eine Gemeinschaft, die sich mehr und mehr für Politik interessiert?

J.-S. E: Absolut. Das heisst, es ist auch eine Angelegenheit der Proportionen. Die Anzahl der Stimmberechtigten steigt, da immer mehr Schweizer Bürger im Ausland leben. Viele unter ihnen interessieren sich jedoch nicht für die Politik, gehen doch längst nicht alle der über 110’000 Eingeschriebenen an die Urne.

swissinfo: Gewisse Kreise setzen sich ein für eine bessere Repräsentation der Auslandschweizer innerhalb des Parlaments. Arbeiten die ASO und parlamentarische Gruppe ungenügend?

J.-S. E: Dies scheint in dieser Angelegenheit nicht der Fall zu sein, denn wir haben eine parlamentarische Gruppe gebildet, die direkt für die Interessen der Auslandschweizer sensibilisiert wurde. Aber die Forderung, die Auslandschweizer besser zu repräsentieren, ist ganz legitim. Die Frage ist, wie das zu geschehen hat.

Bedenken Sie, die im Parlament sitzenden Auslandschweizer würden wegen der Zeit, die diese Arbeit beansprucht, keine Auslandschweizer mehr sein. Zudem müssten sie sich auch mit jenen Dossiers vertraut machen, die nicht ihren Hauptanliegen entsprechen.

swissinfo-Interview: Frédéric Burnand, Genf

Der 1942 in Genf geborene Jacques Simon Eggly wurde 1977 als liberaler Abgeordneter ins Genfer Kantonsparlament gewählt.

1983 wurde er in den Nationalrat gewählt, die grosse Parlamentskammer. Diesen Sitz wird er im Herbst aufgeben.

Jacques-Simon Eggly wurde auch bekannt als Journalist und Chronist beim Journal de Genève und beim Le Temps.

Eggly ist seit 1989 Mitglied des Auslandschweizer-Rates. 1998 wurde er dessen Vizepräsident.

Ende 2006 lebten 645’000 Schweizerinnen und Schweizer im Ausland. Diese Zahl steigt jedes Jahr um rund 10’000 Personen.

Fast zwei Drittel von ihnen leben in der Europäischen Union. Die meisten in Frankreich (171’732), Deutschland (72’384) und Italien (47’012).

Im Rest der Welt lebten 2005 mehr als 163’000 In Amerika, die Mehrheit von ihnen in den USA, Kanada, Argentinien und Brasilien. 18’000 lebten in Afrika, davon 8000 in Südafrika. In Asien befanden sich rund 30’000 Auslandschweizer und in Australien und Ozeanien rund 27’000.

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