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Paul Verhoeven erhält Ehrenleoparden von Locarno

Paul Verhoeven - vertraut mit zwei Filmkulturen. Keystone

Der holländische Regisseur Paul Verhoeven wird am Freitagabend (11.08.) mit dem diesjährigen Ehrenleoparden des Filmfestivals Locarno ausgezeichnet. Der mit 20'000 Franken dotierte Preis wird Verhoeven auf der Piazza Grande überreicht.

Anschliessend an die Preisverleihung ist sein neuer Film “The Hollow Man” als europäische Erstaufführung auf der Piazza zu sehen. Der Film, ein Thriller mit Kevin Bacon und Elizabeth Shue in den Hauptrollen, handelt von einem Militärlabor, in welchem eine Gruppe junger Wissenschafter eine Methode erfindet, sich unsichtbar zu machen.

“Hollow Man” ist in den USA soeben angelaufen und hat sich bereits den ersten Platz in den US-Kinocharts erobert. Der Film, der rund 95 Millionen Dollar gekostet hat, spielte von Freitag bis Sonntag bereits 26,8 Millionen Dollar ein.

Filmer im Grenzbereich

Locarno möchte mit dem Preis nach Sam Fuller und Joe Dante erneut die Wichtigkeit eines Regisseurs unterstreichen, der in Grenzbereichen lebt und arbeitet, davon träumend, die trügerische Hollywood-Spielmaschine zu demontieren, wie das Festival schreibt. Der 1938 geborene Holländer Paul Verhoeven, der heute in Hollywood lebt, kann entsprechend seinen Wohnorten zwei Karrieren vorweisen – die “holländische Periode” und die noch anhaltende US- Periode. Und zwei Obsessionen zeichnen sein Werk aus: Sex und Körper, die Mutationen des Fleisches, des “vierten Mannes”.

Ersichtlich wird dies schon in Verhoevens ersten Filmen der holländischen Periode: In “Wat zien ik?” (1971) werden Frauen zur Prostitution gezwungen, um die Männer zu ertragen; in “Turks fruit” (1973) verliert ein Mann den Kopf wegen einer jungen Frau, die der Kontrolle des Mannes entweicht und dafür mit Krebs bestraft wird.

Mit “Kitty Tippel” (1974) greift Verhoeven seinem grösstem kommerziellem Erfolg “Basic Instinct” (1992) vor: Eine Frau sieht sich gezwungen, ihren Körper zu verkaufen, um der Armut zu entfliehen. Die wahre Geschichte der blonden, bisexuellen Schriftstellerin wird später von Sharon Stone gespielt. “The Fourth Man” ist das letzte Werk Verhoevens, bevor er nach Hollywood geht. Mit dem Geld eines Major-Studios dreht er “Flesh and Blood” (1985), einen exzessiven, im 16. Jahrhundert spielenden Mantel- und Degenfilm voller Sex und Blut.

Die Filmkritik bezeichnet Verhoeven als Frauenhasser mit morbidem Gefallen an widerwärtigen Details wie beispielsweise Vergewaltigungen, bemerkt aber nicht, dass sein Kino ein Zeugnis ist für die Rückständigkeit des Mannes und der vernichtenden weiblichen Überlegenheit, schreibt das Festival weiter.

Dass sich die Männer am Rande eines Nervenzusammenbruches bewegen, beweisen sowohl Michael Douglas in “Basic Instinct” als auch Peter Weller in “Robocop” (1987) und Arnold Schwarzenegger in “Total Recall” (1990): Supermachos sind sie nur dem Anschein nach.

swissinfo und Agenturen

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