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Personenfreizügigkeit: Wirkungsvolle Kontrollen

Mehr Kontrollen auf den Baustellen bedeuten besseren Schutz vor Sozial- und Lohn-Dumping. Keystone

Die Anwendung der flankierenden Massnahmen auf den freien Personenverkehr mit der Europäischen Union (EU) hat sich bewährt.

Das Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) bestätigt eine deutliche Zunahme der Kontrollen in den Firmen gegen Sozial- und Lohndumping im letzten Jahr.

Auch 2005, im zweiten Jahr der Personenfreizügigkeit mit 15 EU-Ländern, sind die in der Schweiz üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen weitgehend eingehalten worden. Das ist das Fazit eines Berichts über die Umsetzung der flankierenden Massnahmen.

Geringere Zuwanderung

Die Zuwanderung in die Schweiz habe seit Einführung des Abkommens kontinuierlich abgenommen, heisst es im seco-Bericht. Und zwar sank die Zuwanderung von 3,6% im Jahr 2002 auf 2,8% im Jahr 2005.

Für Jean-Luc Nordmann, Direktor für Arbeit im seco, ist es erfreulich, dass sich bei den Herkunftsländern eine Verlagerung von Drittstaaten zu den EU- und EFTA-Ländern zeigte.

Direkte Wirkung

Die flankierenden Massnahmen hätten präventiv und direkt Wirkung gezeigt und sich als taugliche Instrumente erwiesen. Die Umsetzung der Massnahmen sei jedenfalls als gut zu bewerten.

So seien die Massnahmen durch Kontrollen und eine grössere Zahl Sanktionen wirkungsvoll umgesetzt worden, so Nordmann.

Die Anzahl Kontrollen sei von 500 pro Monat im Jahr 2004 auf 800 im Jahr 2005 erhöht worden, was einer Zunahme der Kontrolltätigkeit um 60% entspreche. Namentlich die Kantone hätten ihre Kontrollen verstärkt und sich auf Risikosektoren fokussiert.

Lohnunregelmässigkeiten

Nicht nur seien mit 31’000 Personen 30% mehr kontrolliert worden, auch seien dank gezieltem Vorgehen 16% mehr Verfehlungen festgestellt worden. Das habe mit der Fokussierung der Kontrollen auf die besonders sensiblen Branchen Transport, Detailhandel, Landwirtschaft und Temporärarbeit zu tun, hiess es weiter.

In fast der Hälfte der Fälle ging es um Lohnunregelmässigkeiten. Bei der überwiegenden Mehrheit der überprüften Arbeitsverhältnisse seien die in der Schweiz üblichen Lohn- und Arbeitsbedingungen jedoch eingehalten worden.

Verschärfung seit April

Die flankierenden Massnahmen gegen Lohn- und Sozialdumping traten am 1. Juni 2004 in Kraft. In der Abstimmung über die Ausweitung der Personenfreizügigkeit auf die neuen osteuropäischen EU-Staaten sprach sich das Stimmvolk im September 2005 für eine Verschärfung der Massnahmen aus. Diese gilt nun seit dem 1. April 2006.

Gemäss seco besteht in den Risikobranchen noch Handlungsbedarf. Seit dem 1. April können mit den in der Revision verabschiedeten Verschärfungen ausländische Unternehmungen vom Schweizer Markt ausgeschlossen werden. Damit sollen Verstösse noch wirksamer bekämpft werden können.

Gewerkschaften: Positive Bilanz

Positiv Bilanz über die flankierenden Massnahmen im Jahr 2005 zog auch Serge Gaillard, Zentralsekretär des Schweizerischen Gewerkschaftsbundes (SGB). Für ihn ist es nicht erstaunlich, dass Missbräuche festgestellt wurden. In der Schweiz seien die Arbeitsverhältnisse eben erstmals systematisch kontrolliert worden.

Für den SGB-Chefökonomen ist dabei die Arbeit der Inspektoren zentral. Ihre Anzahl müsse womöglich noch über die angestrebten 150 erhöht werden, sagte er. Probleme sieht aber Gaillard bei den Löhnen. Durch die Personenfreizügigkeit sei der Lohndruck gestiegen, weshalb mehr Gesamtarbeitsverträge mit Mindestlöhnen nötig seien.

Arbeitgeber: Kein Lohndruck

Diesen Lohndruck bestreitet Peter Hasler, Direktor des Schweizerischen Arbeitgeberverbandes. Es gebe keine Zahlen, die das bewiesen, sagte er. Uneins mit den Gewerkschaften ist Hasler auch dort, wo wegen fehlenden Gesamtarbeitsverträgen missbräuchliche Löhne festgestellt werden müssen.

Insgesamt beurteilte aber auch Hasler die Umsetzung der flankierenden Massnahmen als positiv. Kontrollen und Sanktionen seien nötig, weil es Missbräuche gebe. Doch müsse bei der Umsetzung Augenmass gewahrt werden und keine schikanösen Kontrollen durchgeführt werden.

swissinfo und Agenturen

Im September 2005 haben die Schweizer Stimmberechtigten für eine Erweiterung des Personenfreizügigkeits-Abkommens auf die neuen Länder der Europäischen Union gestimmt.

Dieses Abkommen mit den alten EU-Ländern ist bereits seit Juni 2002 in Kraft.

Seit dem 1. Juni 2004 gelten die flankierenden Massnahmen, mit denen Sozial- und Lohndumping verhindert werden sollen.

Diese Massnahmen sind auf April 2006 verschärft worden, um Missbräuchen vorzubeugen.

Bis 2011, bei starker Einwanderung bis 2014, kann die Schweiz Einschränkungen für Arbeitskräfte aus den neuen EU-Ländern geltend machen.

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