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Peter von Matt weckt die Lust am Deutschen (2)

Der preisgekrönte Schweizer Autor und Literaturwissenschafter Peter von Matt spricht sich für eine klare Trennung von Mundart und hochdeutscher Sprache aus.

Christian Raaflaub sprach mit Peter von Matt über die Schweiz und ihre gespaltene Beziehung zur deutschen Sprache.

swissinfo: Wir Schweizer haben Probleme mit der Selbstdarstellung, sehen uns eher trocken als überschwänglich. Wie müssten die Schweizer Intellektuellen eingreifen, damit sich die Schweiz in Europa besser darstellen könnte?

Peter von Matt: Ich glaube, diese Angst, nicht gut genug da zu stehen, ist selber schon ein Problem. Man ist doch das, was man ist. Und auf die Dauer setzt sich die Substanz dessen, was man ist, durch. Dafür braucht es auch keine Kosmetik, keine besonderen Public Relations.

Natürlich gibt es einerseits die Klischee-Bilder der Schweiz. Aber diese Klischees haben wir auch von den Franzosen, den Deutschen und den Italienern. Das ist relativ belanglos.

Daneben ist in den einzelnen Bereichen der Kunst, der Wirtschaft, der Produktion überhaupt, die Aufmerksamkeit vorhanden, gute Qualität und Substanz zu finden. Und wo die vorhanden ist, wird sie auch registriert. Und dann registriert man auch: “Aha, das kommt aus der Schweiz oder aus einem andern Land.”

Wir können noch so viele hervorragende deutsche Autoren lesen und begeistert sein darüber. Und dennoch behalten wir immer noch die paar trivialen Klischee-Bilder der Deutschen.

Und umgekehrt nehmen die Deutschen sehr genau zur Kenntnis, was Gutes aus der Schweiz kommt. Künstlerisch und kulturell. Wobei sie trotzdem an ihren stereotypen Vorstellungen über uns festhalten.

Das gehört nun einmal zur menschlichen Natur, dass man sich Pauschalbilder macht von den Nachbarn. Das wird von der Schweiz viel zu ernst genommen.

swissinfo: Wie stellen Sie sich als Deutschschweizer Autor zum Problem des übermässigen Mundartgebrauchs, respektive des Hochdeutsch-Defizits in der Schweiz (Akzeptanz im Ausland)?

P.v.M.: Einer, der in der Schweiz hochdeutsch schreibt, wird in Deutschland genau so zur Kenntnis genommen, wie wenn er aus Deutschland käme. Einer, der gut schreiben kann, schreibt ebenso gut, wie einer, der in Deutschland aufgewachsen ist. Das ist an sich kein Problem.

swissinfo: Wie bringt man den Deutschschweizer wieder zur Schriftsprache, ohne dass er gleich seine Identität zu verlieren glaubt?

P.v.M.: Die Qualität der hochdeutschen Sprache in der Schweiz – da herrscht Handlungsbedarf. Einerseits haben wir die Dominanz des Englischen, andererseits die Präsenz der Mundart.

Die Lust und die Ausdauer an der Arbeit an der eigenen deutschen Sprache, an den eigenen Fähigkeiten des deutsch Schreibens werden durch das Englische und die Mundart unter Druck gesetzt. Das ist schon ein Problem.

swissinfo: Wie kann man diese Lust am Deutschen wieder wecken?

P.v.M.: Indem man gute Bücher schreibt, die die Leute gerne lesen. Dann greift das auch wieder weiter um sich. Und indem man ganz konsequent sagt: “Das sind die Bereiche, in denen die Mundart gilt, und das sind die Bereiche, in denen die Schriftsprache gilt.” Und die Schriftsprache muss qualitativ einwandfrei sein.

Wir haben das eigentlich: In den Schulen, in den Parlamenten, in den Zeitungen, in der Öffentlichkeit und in den Medien ist ganz klar abgesteckt, wo das Hochdeutsche und wo der Dialekt herrscht. Und diese Grenzen dürfen nicht verwässert werden.

swissinfo-interview: Christian Raaflaub

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