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Etwas Camargue zwischen Schweiz und Italien

Frei - in den Alpen zwischen der Schweiz und Italien. swissinfo.ch

Hoch in den Bergen zwischen dem Tessin und Italien ist eine Herde von rund 25 halbwilden Pferden zur Attraktivität geworden. Nach dem Tod ihres Besitzers, Opfer von Intoleranz, wurden sie von einer grenzüberschreitenden Vereinigung gerettet.

Die Sonne sticht schon in den frühen Morgenstunden dieses Juni-Donnerstags. Luigia Carloni, Architektin aus Rovio im Tessin und Vizepräsidentin der italienisch-schweizerischen Vereinigung “Cavalli del Bisbino” (Pferde von Bisbino) begleitet uns zu den Pferden: “Wir organisieren oft begleitete Besuche. Die Leute sind erstaunt und begeistert von der Geschichte der freien Pferde und möchten sie aus der Nähe sehen.”

Diese Pferde von Bisbino, benannt nach der Bergregion, in der sie sich bis 2009 aufhielten, leben frei und zirkulieren nach Belieben zwischen der Schweiz und Italien. “Sie legen täglich Dutzende von Kilometern zurück”, sagt Carloni. Von Mai bis November galoppieren sie frei herum, den Winter verbringen sie in einem Gehege im Tal.  

Um die Pferde aus der Nähe zu sehen, haben auch wir uns über das Zollhaus von Valmara über Arogno nach Italien begeben, von wo aus wir vom Val d’Intelvi mit dem Fahrzeug bis nach Orimento fuhren, einer Alp auf 1350 M.ü.M. Dann noch eine halbe Stunde Aufstieg zu Fuss zu den Weiden, wo sich die Pferde am Fuss des Monte-Generoso-Massivs befinden sollten.  

Kaum haben wir den Aufstieg unter die Füsse genommen, und schon kontaktiert Luigia per Mobiltelefon Claudia, eine Tessiner Freiwillige aus der Vereinigung, die sich vor uns an Ort begab, um die Herde zu orten.  

Auf dem Gipfel des Abhangs winkt uns eine Silhouette zu: Claudia hat einige der Pferde gesichtet. Wir haben Glück.

“La Bionda” und “La Mula”

Der Aufstieg ist hart. Aber die Anstrengung war nicht umsonst. Oben angekommen, eröffnet sich eine Ebene mit Blick auf Porlezza auf der italienischen Seite des Luganer Sees, dann aufs Tessin und ganz hinten auf die Alpen. 

Und auf dieser wundervollen Aussichtsebene haben einige dieser Pferde Halt gemacht. Wir stöbern sie etwas weiter auf, bei einem Wald, wo Claudia bereits auf uns wartet. Eine Gruppe von fünf Pferden und ein Fohlen – am 8. April geboren – an Ostern, wie Claudia betont, grasen friedlich im Schatten, und wenn möglich, auch geschützt vor Fliegen. Drei weitere Tiere gesellen sich dazu.  

Die Bisbino-Pferde zu betrachten und zu berühren geht ans Emotionelle. “Und hier la Bionda”, lacht Luigia und zeigt auf eine schöne 19jährige Stute mit fahlgelbem Fell und einer fast weiss-blonden Mähne.   

La Bionda ist das bekannteste Exemplar der Gruppe, auch das am meisten fotografierte. Während dem harten Winter 2008/9 stieg sie, die kleine Herde anführend, bis ins Dorf Rovenna hinab, um Nahrung zu suchen. Rovenna liegt über Cernobbio in der Provinz Como. Eine zweite Herde von elf Pferden, unter der Führung von La Mula, die inzwischen gestorben ist, erreichte gar Sagno im Tessiner Val di Muggio.

Dieser zweifach geführte winterliche Abstieg bewegte die Bevölkerung der beiden Dörfer. So wurde auch die überraschende Geschichte dieser Pferde ans Licht gebracht.     

Dem Schlachthof entwischt

Bis 2002 gehörten diese Pferde der Südtiroler Rasse (Alto Adige) einem Landwirt in der Region Cernobbio. Diese liess sie während der warmen Monate in Freiheit weiden. Nach seinem Tod kam es zu Erbstreitigkeiten, und die Herde, damals zehn Tiere, wurde sich selbst überlassen. Und sie überlebte.

“Der Abstieg ins Dorf führte zu zahlreichen Protesten und die Gemeindebehörde waren sogar daran, sich an die Staatsanwaltschaft zu wenden”, sagt Luigia: Die Pferde riskieren den Gang ins Schlachthaus.   

Während uns Luigia diese Geschichte erzählt, sind die Pferde aus dem Wald gekommen und umringen uns. Sie lassen sich anfassen, geben sich zahm, fast zärtlich. “Sie fürchten die Menschen nicht”, meint Claudia. Als Mitglied der Vereinigung wendet sie viel Freizeit für ihre Bisbino-Pferde auf.  

Wie Luigia kennt sie alle beim Namen und zeigt uns Bisbinella und Serenella, die beiden letztgeborenen Fohlen.

Assistent durch Pferdeflüsterer

Diese Pferde verdanken ihr Überleben schweizerischen und italienischen Tier- und Umweltschutzvereinigungen, die sich engagierten und die Öffentlichkeit informierten. Seit 2009 wurden die Pferde von Freiwilligen geschützt, auch gegen Eingriffe von erbosten Bauern oder eifrigen Jägern.  

Im März 2010 wurde dann die italo-schweizerische Vereinigung Cavalli del Bisbino in Como gegründet. Im folgenden Mai fanden die Mitglieder den Hengst des Gestüts tot, abgestürzt in einer Schlucht. Er sei bestimmt gejagt worden, sagt Luigia. Darauf brachte die Vereinigung die Pferde an einen sicheren Ort.  

Dank rund 80 Freiwilligen hat Luigia eine Art Alpaufstieg für die Tiere organisiert. Seither lebt die Herde auf Orimento, wo sie sogar grösser geworden ist. “Wir haben die rund 30 Kilometer zwischen dem Monte Bisbino und dem Monte Generoso ohne Zwischenfall zurück gelegt”,    

erinnert sich Luigia.

Zuerst habe man den Umgang mit den Pferden lernen müssen. “Dafür wandten wir uns an den renommierten italienischen Verhaltensforscher Francesco De Giorgio. Er arbeitet zwar in den Niederlanden, kam aber zu uns vor Ort.”

Avenir incertain

Des hennissements se font entendre. Neuf autres chevaux nous rejoignent, plus beaux les uns que les autres. Luigia et Claudia les saluent un à un. «Cela valait la peine de les sauver» s’exclame Luigia.

La vice-présidente de l’association ne cache cependant pas sa peur de l’avenir. «Le maintien des chevaux coûte 60’000 francs par année à l’association, nous dit-elle. Il faut payer la location annuelle d’un alpage pour avoir le droit d’organiser la transhumance vers la vallée où ils passent l’hiver. Il faut acheter le foin, entretenir l’enclos, payer les assurances, les frais de vétérinaire, la castration des étalons, l’évacuation du fumier. Nous devrions aussi remplacer le tracteur qui transporte les balles de foin…»

Luigia Carloni craint que les cotisations et les récoltes de fonds ne suffisent plus à l’avenir. «La commune de Lanzo d’Intelvi (Italie) nous cède l’enclos gratuitement et nous avons trouvé quelques mécènes mais jusqu’à quand pourrons-nous tenir?»

Le soleil est haut dans le ciel lorsque nous prenons congé des chevaux du Bisbino. La Bionda nous salue par un hennissement tandis que quelques chevaux partent au galop, la crinière au vent. Un air de Camargue aux pieds du Monte Generoso.

Fondée en mars 2010 à Côme (I) pour parrainer le troupeau des 25 chevaux semi-sauvages du Bisbino, l’Association Cavalli del Bisbino Onlus est présidée par la vétérinaire Mariachiara Lietti.

A but non lucratif, elle compte environ 350 membres au Tessin et en Italie. Elle s’occupe de la transhumance des animaux vers leur refuge d’hiver en novembre et, en mai, de leur remontée à l’alpage.

De mars 2010 à avril 2012, douze poulains ont agrandi le troupeau.

Monte Bisbino (I/TI), 2002: le propriétaire d’une dizaine de chevaux de race du Haut-Adige décède, laissant le troupeau à l’abandon.

De 2002 à 2009: les chevaux survivent en liberté.

Hiver 2008-2009: la neige tombée sur les hauteurs pousse les chevaux, deux groupes de sept et onze, à descendre jusqu’aux villages de Rovenna (Italie) et de Sagno (Tessin).

2009-2010: les associations de défense des animaux et de l’environnement se mobilisent et font connaître le sort des «chevaux du Bisbino».

Mars 2010: Cavalli del Bisbino Onlus l’association italo-suisse qui les prend sous sa protection, est fondée à Côme (Italie).

Mai 2010: les volontaires qui protègent le troupeau de réactions parfois malveillantes, organisent son transfert vers une zone plus adéquate. La transhumance, sur 30 kilomètres, se passe sans encombre. Depuis les chevaux broutent au-dessus de l’alpage d’Orimento (Italie). De novembre à mai, ils passent l’hiver à Pian delle Noci (Italie), dans un enclos cédé par la municipalité.

(Übertragung aus dem Französischen: Alexander Künzle)

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