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Pforzheim: Schweizer, Schmuck und Uhren

Verantwortlich für die Konferenz 2006: Elisabeth Michel (links) und Brigitte Leich. swissinfo.ch

Die Präsidenten der Schweizer Vereine in Deutschland haben sich über das Auffahrts-Wochenende zur ASO-Jahreskonferenz 2006 in Pforzheim getroffen.

Gleichzeitig hat die Schweizer Gesellschaft Pforzheim ihr 125-jähriges Bestehen gefeiert. Die Geschichte der Uhren- und Schmuckstadt ist auch eine Geschichte von Schweizer Auswanderern.

“Es stimmt, die Generation der 30- bis 40-Jährigen ist bei uns kaum vertreten”, bilanziert Brigitte Leich, Präsidentin der Schweizer Gesellschaft Pforzheim, im Gespräch mit swissinfo. “Es kam auch schon die Idee auf, unsere Aktivitäten an die Bedürfnisse der Jungen anzupassen. Aber River Rafting würde unsere Mitglieder im Pensionsalter wohl kaum begeistern.”

Dennoch zählt die Schweizer Gesellschaft Pforzheim seit den 1960er-Jahren konstant rund 70 Mitglieder.

Elisabeth Michel, Präsidentin der ASO-Deutschland, stellt fest, dass geographische Distanzen heute mühelos in kürzester Zeit überwunden werden können. “Es ist somit viel schwieriger geworden, Sinn und Zweck eines Schweizer Vereins zu vermitteln.”

Von den Melkern zum Exportfaktor

Josef Renggli, Schweizer Generalkonsul in Stuttgart, erinnert an die nachbarschaftlichen Beziehungen zwischen Baden-Württemberg und der Schweiz und daran, dass 10% der Schweizer Exporte nach Deutschland in dieses Bundesland gehen. Damit steht es auf derselben Stufe wie die USA.

Die engen Verflechtungen zwischen der Schweiz und der Region haben eine mehr als 350-jährige Tradition. Das zeigt die Chronik der Schweizer Gesellschaft Pforzheim, welche Petra Georg zum 125-Jahre-Jubiläum verfasst hat.

Nur wenige Jahre nach dem Dreissigjährigen Krieg, im Jahr 1650, wanderten arbeitslose Schweizer nach Pforzheim aus und erwarben sich als Melker einen solch guten Ruf, dass dieser Berufsstand bald “Schweizer” hiess.

Impulse aus der Romandie

Zwei Romands (Amédé Christin, Jean Viala) und ein Franzose (François Autran) eröffneten 1767 im Pforzheimer Waisenhaus eine “Taschen-Uhren-Manufaktur” und eine “Bijouterie-Fabrikation”. Damit legten sie den Grundstein zu “Klein Genf”, der Pforzheimer Schmuck- und Uhrenindustrie, welche bereits im Jahr 1800 mit 900 Fabriken und 26’000 Beschäftigten weltweit bedeutend war.

Auch später waren Schweizer unter den treibenden Kräften hinter der Uhren-und Schmuckindustrie, die im ersten Drittel des 20. Jahrhunderts ihre eigentliche Blüte erlebte. Hunderte von Schweizern fanden damals in Pforzheim Arbeit in Berufen mit französischen Namen.

Die Schweizer Gesellschaft Pforzheim wurde 1881 gegründet. Geselligkeit, Pflege des Brauchtums, Anteilnahme an den Ereignissen in der Heimat, aber auch die Unterstützung von hilfsbedürftigen Landsleuten und von solchen auf der Durchreise gehörten zu den Gründungszielen.

Auf der Flucht

Während dem 2. Weltkrieg, am 23. Februar 1945, zerstörten die Luftangriffe der Engländer die Stadt Pforzheim praktisch vollständig. Viele Schweizer, welche es zu Fabriken und damit zu Reichtum und Ansehen gebracht hatten, flüchteten vorher in die Schweiz. Dort waren sie mittellos und als “Nazifreunde” nicht hoch angesehen.

Andere konnten nicht rechtzeitig flüchten und kamen ums Leben oder verloren Hab und Gut. Viele der Flüchtlinge kamen zudem nach dem Krieg wieder zurück und lebten in ärmlichen Verhältnissen. Das Schweizer Konsulat in Stuttgart liess regelmässig Lebensmittelpakete verteilen.

Wirtschaftswunder und Kegelclub

“Von der Epoche zwischen 1901 bis 1956 fehlen die Protokolle und andere Unterlagen der Schweizer Gesellschaft Pforzheim”, erklärt Petra Georg gegenüber swissinfo. “Für die Chronologie habe ich Kinder der damaligen Generation ausfindig machen können. Aus den Gesprächen schliesse ich, dass die Schweizer Gesellschaft immer irgendwie existent war.”

In der Zeit des Wirtschaftswunders gab sich die Gesellschaft im Jahr 1956 neue Statuten, und der damalige Präsident, Karl Schofer, gründete zusätzlich einen Kegelclub. Die Männer gingen allein auf Ausflüge, ihre Frauen unternahmen eigene Reisen, meistens in die Schweiz. An Weihnachten und am schweizerischen Nationalfeiertag am 1. August kamen die Familien zusammen.

1982 wählte die Gesellschaft mit Dora Wild zum ersten Mal eine Frau zu ihrer Präsidentin. Seither wird sie von Frauen präsidiert. Das habe auch damit zu tun, “dass im Verein jetzt mehrheitlich Schweizer Frauen sind, die aus Liebe zu ihren deutschen Männern ausgewandert sind”, erklärt Petra Georg.

swissinfo, Andreas Keiser, Pforzheim

Die ASO-Deutschland besteht aus 45 Vereinen.

Die Präsidenten-Konferenz der ASO-Deutschland tagt einmal jährlich am Auffahrtswochenende.

Nach 1965 fand die Konferenz zum 2. Mal in Pforzheim (Baden-Württemberg) statt.

An der Konferenz stehen Themen im Mittelpunkt, die das Verhältnis der Auslandschweizer zu ihrem Heimatland betreffen.

2006 waren dies die freiwillige AHV für Auslandschweizer, Nationalratswahlen 2007, e-Voting und die Schliessung des Konsulats in Dresden.

Ende 2005 betrug die Zahl der im Ausland lebenden Schweizerinnen und Schweizer 634’216.
Gegenüber dem Vorjahr bedeutet dies einen Zuwachs von 11’159 Personen.
395’397 Auslandschweizer leben in Europa
70’000 in Deutschland, 23’000 in Baden Württemberg
18’017 in Afrika
163’122 in Amerika
30’451 in Asien
27’229 in Ozeanien.

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