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Polemik um die Medikamentenpreise

Aus Spargründen werden in der Schweiz immer mehr Generika verkauft. Keystone

Nicht nur Originalmedikamente sind in der Schweiz teurer. Gemäss den Krankenversicherern kosten auch Generika bis zu 25% mehr als im Ausland.

Die Pharmaindustrie bestreitet diese Zahlen. Sie argumentiert, sie basierten auf alten, überholten Daten.

Eine Untersuchung des Krankenkassen-Dachverbandes santésuisse hat bei den Nachahmermedikamenten, den Generika, Preisdifferenzen von bis zu 40% festgestellt. Würde statt den Originalmedikamenten das jeweils günstigste Generikum gewählt, könnte schweizweit 280 Millionen Franken pro Jahr gespart werden.

Würden statt der 20 meistverkauften Originale jeweils das teuerste Generikum eingesetzt, ergäben sich “nur” Einsparungen von 180 Mio. Franken.

Als Grundlage der Berechnungen dienten dem Krankenversicherungs-Verband die Medikamentenpreise des Jahres 2005.

Die Auswirkungen eines Preissenkungsabkommens zwischen dem Bund und der Pharmaindustrie sowie die neue Selbstbehaltregelung bei Generika sind darin noch nicht spürbar.

Grosses Einsparungspotential

Potenzial für Einsparungen hat laut santésuisse auch der Preisvergleich mit sieben europäischen Ländern aufgezeigt: So waren in der Schweiz Generika im Vergleich mit Dänemark 64% teurer. Würden die Preise der günstigsten Schweizer Generika auf das durchschnittliche Niveau der Vergleichsländer gesenkt, hätten zusätzlich 120 Millionen Franken gespart werden können.

Preisunterschiede zum europäischen Ausland hat santésuisse auch bei den 100 meistverkauften Medikamenten mit Patentschutz festgestellt. Verglichen mit den Nachbarländern waren die Präparate 2005 in der Schweiz zwischen 20 und 36% teurer.

Noch tiefere Kosten möglich

Hochgerechnet auf alle patentgeschützten Präparate lägen gar um 780 Mio. Franken tiefere Gesunheitskosten drin, so Santésuisse.

Würde sowohl preislich wie auch punkto Generika das gesamte Einsparungspotenzial genutzt, könnten jährlich mindestens 1 Mrd. Franken gespart werden.

Um das Preisniveau der Medikamente zu senken, fordert Santésuisse zuätzlich zu den im letzten Jahr eingeleiten Reformen auch eine regelmässigere Überprüfung der patentgeschützten Medikamente. Der Patentschutz dürfe nicht gleichzeitig ein Preisschutz sein, sagte Santésuisse-Direktor Marc-André Giger.

13 Jahre lang keine Preisanpassungen

Heute wird der Preis eines Medikamentes bei der Martkeinführung bestimmt und nach zwei Jahren überprüft. In den 13 Jahren bis zum Ablauf des Patentes sind dann keine Preisanpassungen mehr möglich.

Preisanpassungen müssten nach Ansicht der Krankenkassen zudem auch möglich werden, wenn das Anwendungsgebiet eines Medikaments erweitert wird.

santésuisse fordert zudem ein Rekursrecht bei der Aufnahme von Medikamenten in die Spezialitätenliste.

Und neue Medikamente, die auf bereits existierenden Wirkstoffen beruhen und lediglich modifiziert wurden, sollen bei der Preisfestsetzung keinen Innovationszuschlag mehr bekommen.

Kritik von der Pharmaindustrie

Die Vereinigung Pharmafirmen in der Schweiz (vips) kritisiert, santesuisse führe mit dem Medikamentenpreisvergleich auf der Basis von veralteten Daten gezielt irre. Die Pharmaindustrie habe mit den Behörden in den vergangenen Monaten tiefgreifende Massnahmen für Einsparungen im Medikamentenbereich erarbeitet.

Diese bewirkten nicht nur eine starke Zunahme des Generika-Anteils, sondern gleichzeitig zahlreiche freiwillige Preissenkungen in der Schweiz. Damit werde das Preisniveau der Medikamente in der Schweiz zu Fabrikabgabepreisen auf das Niveau vergleichbarer europäischer Länder angepasst.

Retourkutsche von Santèsuisse

Peter Marbet, Kommunikationsleiter von santésuisse, weist diese Kritik zurück: “santésuisse stellt diesen Medikamentenpreisvergleich jährlich an. Die heute publizierten Zahlen beziehen sich auf das Jahr 2005. Die Zahlen 2006 werden wir 2007 publizieren.”

Marbet stellt die Kririk der Pharma-Industrie als “Störaktion” dar: “Bereits im letzten Jahr hat sie unsere Studie mit damals ‘aktuellen’ Zahlen kommentiert. Wir können heute sagen, dass sich diese auf das ganze Jahr bezogen nicht als richtig erwiesen haben.”

swissinfo und Agenturen

250 Mio. Franken sollen bei der Reduzierung der Arzneimittel-Preise eingespart werden. Dies sieht ein im September 2005 unterzeichneter Vertrag zwischen der eidgenössischen Verwaltung und der Pharma-Industrie vor.

So sollen auch die grossen Preisunterschiede zwischen zwei identischen Produkten verschwinden, welche lediglich unterschiedliche Verkaufsorte haben: Schweiz oder Ausland.

Der durchschnittliche Preiunterschied für Produkte, deren Patent abgelaufen ist, liegt zwischen 20 und 50%.

Gemäss dem Bundesamt für Gesundheitswesen erlaubt das Abkommen den Krankenkassen, ihre Prämien 2007 um 1% zu reduzieren.

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