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POLITIK/DE: Schärfere Regeln für reuige Steuerbetrüger umstritten

BERLIN (awp international) – Die von Ländern und Unionspolitikern geforderten schärferen Regeln für reuige Steuerbetrüger bleiben umstritten. Wirtschaftsverbände, Steuerberater und der Steuerzahlerbund beurteilen eine zusätzliche Abgabe bei der “strafbefreienden Selbstanzeige” skeptisch oder lehnen sie ab. Sie weisen unter anderem auf verfassungsrechtliche Probleme und Mehraufwand hin. Einige Rechtsexperten dagegen stützen schärfere Regeln.
Das geht aus den Stellungnahmen für eine Anhörung des Finanzausschusses des Bundestages an diesem Montag in Berlin hervor. Ein weiterer Zuschlag als zusätzliche Geldstrafe ist auch zwischen Union und FDP umstritten. Der Deutsche Gewerkschaftsbund (DGB) sprach sich – wie auch Oppositionspolitiker – für die Abschaffung der “strafbefreienden Selbstanzeige” von Steuerbetrügern aus.
Die schwarz-gelbe Koalition will an der “strafbefreienden Selbstanzeige” festhalten, aber die Regeln verschärfen. Generell soll der Missbrauch dieses zuletzt – nach Auftauchen von Kontodaten – massenhaft genutzten Instruments verhindert werden.
Nach den bisherigen Plänen sollen reuige Steuerhinterzieher nur noch dann straffrei bleiben, wenn sie sich selbst anzeigen, bevor sie von einer Steuerprüfung erfahren. Auch müssen die Betrüger ihre Schwarzgeld-Geschäfte umfassend offenlegen. Für diejenigen, die vor Inkrafttreten des Gesetzes in einer Selbstanzeige nur einen Teil ihrer Konten offengelegt haben, soll dies aber nicht gelten.
Die Länder fordern noch höhere Hürden. Nach ihrem Willen soll Straffreiheit bei einer steuerlichen Selbstanzeige nur noch dann gelten, wenn ein Betrüger auch einen pauschalen Zuschlag in Höhe von fünf Prozent auf den hinterzogenen Betrag entrichtet. Gibt es keinen Zuschlag, kämen Steuerbetrüger bei der strafbefreienden Selbstanzeige wie bisher nur mit dem üblichen Nachzahlungszins von sechs Prozent davon – wie säumige ehrliche Steuerzahler.
Die Spitzenverbände der Wirtschaft und der Kreditinstitute argumentieren gleichlautend: “Zusätzliche Verschärfungen bei der strafbefreienden steuerlichen Selbstanzeige sollten (…) ganz allgemein sorgfältig abgewogen werden.” Es müsse noch genügend Anreize für die Rückkehr in die Steuerehrlichkeit geben. Es sollten nicht zu grosse Hürden aufgestellt werden.
Die Bundessteuerberaterkammer nennt die Initiative der Länder zwar verständlich. Denn Steuerhinterzieher dürften nicht besser gestellt werden als säumige steuerehrliche Bürger. Aber: “Dieser Zuschlag wird in der Praxis zu Abgrenzungsproblemen bei der Umsetzung führen und steuersystematisch nur schwer zu begründen sein.” Ausserdem bestünden erhebliche verfassungsrechtliche Bedenken.
Aus Sicht der Steuerberater ist die Abgabe als “Strafzuschlag” einzuordnen, auch wenn er laut Bundesrat keinen Strafcharakter haben solle. Eine Strafe dürfe aber nur durch ein zuständiges Gericht verhängt werden. Pauschale Strafen gebe es nicht. Andere Experten halten einen Strafzuschlag für rechtlich möglich – solange er anders genannt wird. Der Steuerzahlerbund warnt vor einem erheblich höheren Prüfaufwand bei Finanzbehörden” und mehr Gerichtsverfahren.
Der Wiesbadener Steuerrechtler Lorenz Jarass fordert, dass Steuerhinterzieher auch bei einer Selbstanzeige zusätzlich zu Steuerschuld und Verzugszinsen einen deutlichen Zuschlag von beispielsweise 50 Prozent entrichten. Ab einer Betrugssumme von einer Million Euro und im Wiederholungsfall müsse zudem zwingend eine mehrjährige Haftstrafe vorgeschrieben werden.
Aus Sicht von Klaus Herrmann, Steuerfahnder von der Oberfinanzdirektion Koblenz, mögen schärfere Regeln kurzfristige Effekte zeigen. Mittel- und langfristig sei aber kein Rückgang der Steuerhinterziehung zu erwarten. Daher sollte das Entdeckungsrisiko vergrössert werden. “Das muss man nur wollen”, erklärt Herrmann./sl/DP/he

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