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Hitchcock-Finale für Einwanderungs-Initiative

Die Befürworter der "Masseneinwanderungs-Initiative" arbeiteten häufig mit Bildern, die eine "überfüllte Schweiz" zeigen. Keystone

Die Abstimmung über die "Masseneinwanderungs-Initiative" dürfte äusserst knapp ausgehen, wie Hochrechnungen zeigen. Der Ausbau der Bahninfrastruktur kommt auf 62% Ja-Stimmen, die Volksinitiative "Abtreibungsfinanzierung" auf 30%. Die Stimmbeteiligung ist mit hochgerechnet 56% sehr hoch.

Die Plakate und Inserate waren nicht zu übersehen: Klar die umstrittenste Vorlage am Abstimmungssonntag ist die Volksinitiative “Gegen Masseneinwanderung” der rechtsbürgerlichen Schweizerischen Volkspartei (SVP). Sie hatte im Vorfeld des Urnengangs mächtig Staub aufgewirbelt und anscheinend viel mehr Stimmende an die Urnen gelockt, als üblich: Seit der Einführung des Frauenstimmrechts 1971 ist es laut Politologen die 5.-höchste Stimmbeteiligung.

Auch die fünfte Hochrechnung der SRG SSR, erstellt durch das Forschungsinstitut gfs.bern, geht von einem äusserst knappen Ausgang aus. Gemäss der Hochrechnung stimmten 50,4% der Initiative zu und 49,6% lehnten sie ab. Da die Fehlerquote bei plus/minus 0,7% liegt, ist sowohl ein Ja als auch ein Nein möglich.

Das Volksbegehren fordert, die Zuwanderung mit Kontingenten im Ausländer- und im Asylbereich zu begrenzen. Seit 1980 habe die Anzahl der Ausländerinnen und Ausländer in der Schweiz stetig zugenommen. Heute stamme jede vierte Person aus dem Ausland, betonte das Komitee.

“Die Folge: Die heutige Zuwanderung ist für die Schweiz weder kulturell noch mengenmässig verkraftbar.” Deshalb müsse der Bundesrat nach einer Annahme der Volksinitiative mit der Europäischen Union (EU) über den freien Personenverkehr nachverhandeln, damit die Schweiz die Einwanderung wieder selber kontrollieren könne. Unterstützung in ihrem Anliegen erhielt die SVP von keiner der im Parlament vertretenen Parteien.

Die Regierung und eine deutliche Parlamentsmehrheit waren gegen die Initiative. Sie befürchteten, dass die EU die Personenfreizügigkeit aufkündigen könnte. Und geschehe dies, würden wohl die Bilateralen Verträge zwischen der Schweiz und der EU fallen.

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Die Schweiz verdanke ihren Reichtum in den letzten Jahren unter anderem auch der Öffnung gegenüber der EU und dem freien Personenverkehr, der qualifizierte Arbeitskräfte ins Land gebracht habe, argumentierten sie. Das Nein-Komitee bezeichnete die Vorlage in ihrer Kampagne daher auch als “Abschottungs-Initiative”. Allerdings war man sich über die mögliche Reaktion Brüssels uneins.

Ja zu mehr Geld für Bahnausbau

Klarer scheint es bei der zweiten Vorlage auszusehen, dem Bundesbeschluss über die Finanzierung und den Ausbau der Eisenbahninfrastruktur (FABI). Die Hochrechnungen gehen von einer deutlichen Annahme der Behördenvorlage mit 62% Ja-Anteil aus.

Der Bund verspricht sich mit diesem Massnahmen-Paket über 6,4 Milliarden Franken für Unterhalt, Betrieb und Ausbauten der Bahn mehr Platz in den Zügen, weniger Stau auf den Strassen, Halbstundentakt im Fernverkehr, einen besser geregelten Güterverkehr und vieles mehr. Eine gute Infrastruktur sei auch ein wertvoller Standortfaktor für die Wirtschaft. Der Bundesrat und eine deutliche Parlamentsmehrheit unterstützten das Begehren.

Von den im Parlament vertretenen Parteien war einzig die SVP dagegen. FABI sei ein “unausgegorener, weil unter grossem zeitlichem und medialem Druck ausgearbeiteter” Vorschlag. Dass jede Region zum Zuge komme, sei ein “Wunschkonzert der Regionen”. Die Zeche für die Wünsche der Politiker müssten die Konsumenten berappen. Zudem werde einmal mehr die Schiene der Strasse vorgezogen, hiess es.

Abtreibungsfinanzierung abgelehnt

Dritte Vorlage ist die Volksinitiative “Abtreibungsfinanzierung ist Privatsache”, die fordert, dass Schwangerschaftsabbrüche nicht mehr von der obligatorischen Krankenversicherung bezahlt werden sollen. Die Initianten hatten 2009 versucht, die Abtreibung aus dem Leistungskatalog der Grundversicherung auszuschliessen, waren aber damit im Parlament gescheitert.

Nun zeichnet sich in den Hochrechnungen mit 70% ein deutliches Nein ab. Auch eine Mehrheit der Kantone hat das Anliegen abgelehnt.

Für die Befürworter war klar, dass Abtreibungen nicht von der Allgemeinheit mitfinanziert werden sollen. Durch die Privatisierung der Abtreibungsfinanzierung könnten jährlich zwischen 8 und 20 Millionen Franken eingespart werden. Dies würde zudem dazu führen, dass Abtreibungen um einen Viertel zurückgingen. Unterstützt wurden die Initianten von der SVP und der Evangelischen Volkspartei (EVP).

Der Bundesrat und eine deutliche Parlamentsmehrheit hatten sich gegen die Initiative ausgesprochen. Sie betonten, die Initiative untergrabe das Solidaritätsprinzip der Krankenversicherung, bestrafe die Frauen und entlasse die Männer aus der Verantwortung. Das Stimmvolk habe bereits 2002 der so genannten Fristenlösung zugestimmt, die den straffreien Schwangerschaftsabbruch für Frauen in einer Notlage in den ersten zwölf Wochen vorsieht.

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