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Ist es wirklich unser Gold, das glänzt?

Auch in Deutschland fordert eine Initiative, dass das Gold zu Hause gelagert werden sollte. Keystone

Wie die Schweiz debattiert auch Deutschland über seine Goldreserven. Zwei Drittel der 3400 Tonnen deutschen Goldes befinden sich derzeit noch im Ausland. Sie wären viel besser zu Hause aufgehoben, meint die deutsche Initiative "Holt unser Gold heim".

Tief unter der Erde von Manhattan, in den Tresoren der US-amerikanischen Notenbank Fed, liegen gut bewacht mit über 1500 Tonnen fast 45 Prozent des deutschen Goldes – in Form von 122’597 Barren. Frankreich verwahrt 374 Tonnen und England weitere 450 Tonnen des deutschen Schatzes. Sein Gesamtwert: rund 120 Milliarden Euro.

Doch wer prüft eigentlich, ob die deutschen Goldreserven tatsächlich Barren an Barren in den Lagerstätten der Bündnispartner aufgereiht sind? Ob das Gold die angenommene Qualität besitzt? Kontrolliert habe das niemand, nicht einmal regelmässige Stichproben gebe es, mahnte selbst der Bundesrechnungshof im Herbst 2012 an und gab damit Kritikern der Deutschen BundesbankExterner Link, der Hüterin des Goldschatzes, Rückendeckung.

Ist dieses Gold wirklich vorhanden?

Einer der aktivsten deutschen Kritiker ist Peter Boehringer. Er gründete bereits im Mai 2012 gemeinsam mit dem Europäischen Steuerzahlerbund die Initiative “Holt unser Gold heim”Externer Link und ist es seither gewohnt, als Verschwörungs-Theoretiker tituliert zu werden. “Dabei stelle ich nur Fragen”, bekräftigt er im Telefonat mit swissinfo.ch. Die zentrale lautet: “Warum weist uns die Bundesbank nicht die physische Existenz des Goldes nach?” Boehringer fordert eine Barrenliste mit allen Nummern und die Prüfung des Bestands in allen Tresoren durch einen externen Wirtschaftsprüfer ein Mal im Jahr. “Dass dies nicht geschieht,  ist ein Verstoss gegen geltende Bilanzierungsvorschriften”, so seine Kritik. “Wir schliessen daraus, dass einzelne Barren mehrere Eigentümer haben.”

Deutschland besitzt nach den USA den grössten Goldschatz der Welt, gefolgt von Italien und Frankreich. Eigentlich kann man nicht von einer Rückholung des deutschen Goldes aus dem Ausland sprechen – denn es lagerte nie in Deutschland. Vielmehr stammt es aus Ankäufen an den Handelsplätzen in New York, London und Paris, an denen das Gold dann auch gleich gelagert wurde.

Die Goldbestände resultieren aus dem deutschen Wirtschaftswunder nach dem Zweiten Weltkrieg. Deutschland exportierte damals wie heute mehr Waren ins Ausland als es importierte. Die so entstehenden Exportüberschüsse wurden von der amerikanischen Zentralbank Fed in Gold beglichen.

Grundlage war das Abkommen von Bretton Woods, in dem die Amerikaner den Notenbanken anderer Länder versprachen, ihre Dollars in Gold umzutauschen, um den Geldwert der Leitwährung Dollar stabil zu halten. Deutschland liess sein Gold in den Tresoren der Fed, auch weil es zu Zeiten des Kalten Krieges dort sicherer schien als in Europa.

Einen richtigen Aufreger vermutete auch die auflagenstarke deutsche Boulevard-Zeitung BILD und schickte ihre Reporter in den Keller der Fed in Manhattan. Dort befindet sich das mit 550’000 Barren grösste Goldlager der Welt. “Blanke Fussböden, summende Lüftung, gigantische Stahltüren.  Aber wo ist das deutsche Gold?”, fragte BILD. Die Fed beruhigte: Es ist alles da, aber für die Öffentlichkeit sind die Tresore tabu.

So richtig zufrieden stellend fanden das auch die serösen Medien nicht. Um die Gemüter zu beruhigen, reiste der deutsche Bundesbank-Vorstand Carl-Ludwig Thiele nach New York, stieg in die Fed-Tresore hinab, begutachtete einzelne Barren – und zeigte sich anschliessend  vollauf zufrieden. “Wir haben gesehen, was wir sehen wollen”, so der Bundesbanker im Bezug auf die amerikanischen Tresore.  “Von unserer Seite aus gibt es keine weiteren Fragen mehr.” Auch die Qualität des Goldes habe sich als einwandfrei erwiesen, Probebarren seien eingeschmolzen und analysiert worden.

Gold als Sicherheit

“Das war reine Show”, sagt hingegen Peter Boehringer. Was solle denn ein einzelner Barren beweisen? Und warum müsse das Gold überhaupt in den USA liegen? Der Kalte Krieg lieferte einst ein gutes Argument, das deutsche Gold vor dem Zugriff der nahen Warschauer-Pakt Staaten zu schützen. Doch der Eiserne Vorhang fiel vor 25 Jahren. Bei den Gold-Rückholern schwingt auch eine gehörige Skepsis gegenüber dem Euro mit: Boehringers Initiative sieht das Gold im eigenen Land “als Option der Teildeckung einer künftigen neuen Währung”.  Bei einem Zusammenbruch des Euro würde das Gold im eigenen Land als Sicherheit dienen.

Bundesbank-Vorstand Thiele versteht die Aufregung nicht und demonstriert Vertrauen in die Bündnispartner. Er argumentiert in Übereinstimmung mit vielen Experten, im Krisenfall wie dem Zusammenbruch des Euro oder der deutschen Wirtschaft könnte das im Ausland gelagerte Geld rasch in eine stabile Fremdwährung umgetauscht werden. Doch Thiele weiss um die psychologische Komponente: Gold, das im eigenen Land lagert, beruhigt die Volksseele. Und so versprach er 2013, bereits bis Ende 2014 bis zu 50 Tonnen Gold aus Manhattan nach Frankfurt zu bringen. Bis 2020 sollen dann insgesamt 300 Tonnen Gold aus New York abgezogen werden, 374 weitere aus Paris. Das wäre der gesamte Bestand, der in Frankreich lagert. Die Begründung ist einleuchtend: Frankreich gehört zur Eurozone, im Fall einer Währungskrise wäre das Gold besser in Ländern mit einer anderen sicheren Währung aufgehoben. 

Zudem horten auch die Franzosen ihr Gold nur daheim. Frankreich liess 1966 seine Goldschätze unter anderem mit U-Booten aus New York abholen. So weit wird es wohl von deutscher Seite nicht kommen. Auch wenn die Bundesbank ihre Aktion 2020 abgeschlossen hat, werden voraussichtlich noch 37 Prozent des deutschen Goldes tief unter der Erde in Manhattan liegen.

Zur Volksberuhigung

Immerhin sei nun im wahrsten Sinne Bewegung in die Sache gekommen, räumt Peter Boehringer ein. Doch ihm und seinen Mitstreitern geht die Ankündigung nicht weit und die Umsetzung nicht rasch genug: Nur 37 Tonnen wurden bisher nach Deutschland transportiert, davon nur 5 aus den USA. Boehringers Initiative möchte wie die Initiatoren des Schweizer Referendums die gesamten Goldbestände auf heimischen Boden verwahrt wissen: genau so, wie es die USA, England und Frankreich mit ihren eigenen Goldreserven halten. “Diesen Ländern wirft man auch kein Misstrauen gegenüber ihre Bündnispartner vor”, sagt Boehringer, der hauptberuflich Vorstand der Deutschen Edelmetallgesellschaft ist. Ihm fehlen zudem Beweise, dass selbst die besagten 37 Tonnen bereits zurück geholt wurden.

Die Bundesbank wiederum muss bei der Lagerung des Goldes auch politische Sensibilitäten berücksichtigen: Es könnte als Misstrauen gegenüber dem wichtigen amerikanischen Bündnispartner ausgelegt werden, sollte Deutschland seine gesamten in den USA gesicherten Barren nach Hause holen. So ist die Ankündigung der Bundesbank, zumindest einen Teil des Goldes nach Deutschland zu bringen, wohl als Kompromiss zu verstehen: Sie beruhigt die Kritiker, ohne Washington und London zu düpieren. Peter Boehringer wiederum würde es sehr begrüssen, wenn die Deutschen wie die Schweizer über ihre Goldfrage abstimmen könnten. “Ich bin sicher, dass da ein eindeutiges Votum heraus kommen würde.”

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