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Obligatorische Wehrpflicht bleibt den Schweizern heilig

Die helvetische Milizarmee bleibt unantastbar: Die Mehrheit des Schweizer Stimmvolks will nichts wissen von einer Abschaffung der obligatorischen Wehrpflicht. Keystone

Die Abschaffung der obligatorischen Wehrpflicht wird vom Schweizer Volk klar abgelehnt. Dies ist das Ergebnis einer im Auftrag der SRG ausgeführten Umfrage des Forschungsinstituts gfs.bern zu den Volksabstimmungen vom 22.September.

Im Unterschied zu Deutschland, Frankreich und Italien, die nach dem Ende des Kalten Kriegs die allgemeine Militärdienstpflicht aufgehoben haben, bleibt die Schweiz dem alten Modell eines Obligatoriums für den Armeedienst treu. Die Schweiz ist dabei, der benachbarten Alpenrepublik Österreich nachzueifern, die sich im vergangenen Januar mit 60 Prozent Ja-Stimmen für eine Beibehaltung der militärischen Dienstpflicht entschieden hat.

Die Ergebnisse der am Freitag publizierten Umfrage lassen keine Zweifel zu. Die Volksinitiative “Ja zur Aufhebung der Wehrpflicht” findet beim Schweizer Stimmvolk keine Gnade. 57 Prozent der Befragten gaben an, Nein zu stimmen. Nur 35 Prozent sagten Ja, während sich 8 Prozent noch keine Meinung gebildet haben.

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Resultate 1. Abstimmungsbarometer gfs.bern/SRG

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Zwischen dem 5. und 9. August wurden für die repräsentative Umfrage 1209 stimmberechtigte Personen aus allen Landesteilen befragt. Die Fehlerquote liegt bei ±2,9%.

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Armee als “tragendes Prinzip”

Die Meinungsbildung zu dieser Vorlage ist weit fortgeschritten: 40 Prozent sind sich sicher, dass sie die Initiative ablehnen wollen; 20 Prozent sind sich sicher, dass sie die Initiative unterstützen werden. Auf Seiten der Stimmenden, “die eher dagegen sind” (17 Prozent), sowie derer, “die eher dafür sind” (15 Prozent) dürfte es noch leichte Veränderungen geben.

Und diese dürften gemäss Claude Longchamp, dem Leiter von gfs.bern, zugunsten der Gegner der Initiative gehen. Dabei beruft er sich auf 15 Jahre Erfahrung in der Analyse von Meinungsumfragen vor Volksabstimmungen.

Die jetzige Umfrage bestätigt die klassische Aufteilung in zwei Lager: Die Rechte, welche die Armee verteidigt, und die Linke, die eher kritisch ist.

Zwischen Parteiführung und Basis gibt es bei diesem Thema  kaum Meinungsunterschiede. Eine  Mehrheit für die Initiative zeigt sich bisher einzig in der Altersgruppe zwischen 18 und 39 Jahren: 42 Prozent Ja, 40 Prozent Nein, 8 Prozent Unentschlossene.

Wie schon in drei früheren Abstimmungen, die über Volksinitiativen der “Gruppe für eine Schweiz ohne Armee” (GSOA) durchgeführt wurden, zeigt sich, dass die Schweizer Milizarmee als “tragendes Prinzip” der Nation angesehen wird, wie Longchamp sagt.

Das Institut gfs.bern hat für die erste Meinungsumfrage im Hinblick auf die Volksabstimmungen vom 22. September zwischen dem 5. und 9.August 2013 eine repräsentative Auswahl von 1209 Stimmberechtigten in allen Landesteilen und Sprachregionen der Schweiz befragt.

Aus Datenschutzgründen stellen die Behörden die Koordinaten von Auslandschweizern für Umfragen nicht mehr zur Verfügung. In der vorliegenden SRG-Umfrage ist das Abstimmungsverhalten der Auslandschweizer somit nicht berücksichtigt.

Die Fehlerquote bei dieser Umfrage beträgt +/- 2,9 Prozent.

Arbeitsgesetz spaltet das Stimmvolk

Ein anderes Prinzip könnte hingegen am 22.September ins Wanken geraten. Es geht um das Verbot der Nachtarbeit, das der Schweizerische Gewerkschaftsbund (SGB) und seine Einzelgewerkschaften aus Gründen des Gesundheitsschutzes der Arbeitnehmer als unantastbar erachten. Daher wurde gegen eine entsprechende Änderung des Arbeitsgesetzes das Referendum ergriffen.

Gemäss dieser Revision könnten Tankstellenhops an stark befahrenen Strassen auch nachts Personal einsetzen. Im Moment würde diese Klausel nur 24 Tankstellenshops im Land betreffen. Doch die Gewerkschaften befürchten, dass damit der Damm gebrochen wird, um das Verbot der Sonntags- und Nachtarbeit ganz  aufzuheben.

Das Stimmvolk ist bei dieser Vorlage tief gespalten. Gemäss Meinungsumfrage sind die Ja- und Nein-Lager praktisch gleichauf, mit ganz leichten Vorteilen für die Befürworter des Referendums: 47 Prozent Nein, 46 Prozent Ja und 7 Prozent Unentschlossene.

Bei einer Fehlerquote von +/- 2,9 Prozent ist es praktisch unmöglich, mit Sicherheit zu sagen, wer die Abstimmung gewonnen hätte, wenn sie zum Zeitpunkt der Umfrage stattgefunden hätte. Verlässliche Prognosen für das Ergebnis vom 22. September sind daher gemäss den Meinungsforschern vom gfs.bern nicht möglich.

Die Abstimmungskampagne der kommenden Wochen wird daher einen entscheidenden Einfluss auf all die Abstimmenden haben, die sich noch gar nicht festgelegt haben oder noch Zweifel haben. Beide Parteien verfügen über Argumente, die im Stimmvolk gut ankommen. Bei den Gegnern der Vorlage zieht das Argument, dass das Verbot der Nacht- und Sonntagsarbeit nicht angetastet werden darf. Bei den Befürwortern gefällt  das Argument, dass die Öffnungszeiten der Shops den heutigen Bedürfnissen angepasst werden müssen.

Gemäss Longchamp hängt das Ergebnis schliesslich davon ab, ob die unentschlossenen Wähler bei der Stimmabgabe eher die Optik der Angestellten oder diejenige der Konsumenten einnehmen.

Neues Epidemiengesetz: Ja, aber…

Das neue Epidemiengesetz, die dritte Vorlage am 22.September, steuert schliesslich auf eine Annahme zu. Das Gesetz stösst auf Wohlwollen, auch wenn es im Moment keine absolute Mehrheit der Stimmenden hinter sich vereinigt. Das Gesetz räumt dem Bund die Möglichkeit ein, in bestimmten Situation ein Impf-Obligatorium zu erlassen. 49 Prozent sagen Ja, 39 Prozent Nein, 12 Prozent sind noch unentschlossen. Der grosse Anteil der Unentschlossenen könnte das Endergebnis theoretisch noch drehen. Gemäss den Meinungsforschern von gfs.bern ist dies aber äusserst unwahrscheinlich.

Wenn jedoch die Delegierten der Schweizerischen Volkspartei (SVP), die sich am 24. August treffen, im Gegensatz zu den eigenen Vertretern im Parlament eine Nein-Parole ausgeben sollten, könnte es für das Epidemiengesetz am 22.September doch noch knapp werden.  “Dann steht die Vorlage auf Messers Schneide”, so Longchamp.

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Volksinitiative

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Die Volksinitiative erlaubt den Bürgerinnen und Bürgern, eine Änderung in der Bundesverfassung vorzuschlagen. Damit sie zu Stande kommt, müssen innerhalb von 18 Monaten 100’000 gültige Unterschriften bei der Bundeskanzlei eingereicht werden. Darauf kommt die Vorlage ins Parlament. Dieses kann eine Initiative direkt annehmen, sie ablehnen oder ihr einen Gegenvorschlag entgegenstellen. Zu einer Volksabstimmung kommt es…

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Es gibt momentan einen soliden Vorsprung für die Annahme der Vorlage. Meinungsforscher Longchamp ist aber von der breiten Front der Gegner überrascht. An der Basis vieler politischer Parteien ist die Skepsis gegenüber dem neuen Epidemiengesetz weiter verbreitet als bei den Parlamentariern. Nur wenige National- und Ständeräte stimmten gegen die Vorlage.

Mit weiteren Überraschungen ist am 22. September aber nicht zu rechnen. Die Analyse der Umfragen von gfs.bern ergeben zumindest keine weiteren Anhaltspunkte. Präzisere Aussagen sind erst zwei Wochen vor der Volksabstimmung möglich. Dann werden die Ergbnisse der zweiten SRG-Umfrage publiziert werden.

(Übertragung aus dem Italienischen: Gerhard Lob)

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