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Wie viele Schritte braucht es zum Erlass eines Schweizer Gesetzes?

Die Schaffung eines Gesetzes im schweizerischen politischen System ist eine komplexe und oft zeitintensive Angelegenheit. Laut Bundeskanzlei kann es von zwölf Monaten bis über zehn Jahre dauern.

Hier finden Sie Antworten auf häufige Fragen zum Gesetzgebungsverfahren in der Schweiz, von der ersten Gesetzesvorlage bis zur Verabschiedung des Gesetzes durch das Parlament.

Es ist eine der Hauptaufgaben des Parlaments, in einem klar definierten Verfahren unter Einbeziehung vieler anderer Akteure und Interessengruppen sowohl auf institutioneller als auch auf zivilgesellschaftlicher Ebene neue Gesetze zu schaffen und bestehende Vorschriften zu ändern.

Neben der Gesetzgebung ist das Parlament auch für die Festlegung des Bundesbudgets, die Aufsicht über die Bundesbehörden und die Wahl der Regierung, der Richter und eines Generals zur Führung der Armee im Kriegsfall zuständig.

Ein Grund ist die Komplexität der Gesetzgebung. Aber auch das Vernehmlassungsverfahren (Konsultation), das ein breites Spektrum von Interessengruppen und Institutionen einbezieht: Parteien, die 26 Kantone, lokale Behörden, Unternehmensgruppen, Gewerkschaften und Kirchen.

Inwieweit das schweizerische parlamentarische System mit seinen beiden Kammern – die sich in der Regel viermal im Jahr für dreiwöchige Sessionen treffen – und die Mehrsprachigkeit das Gesetzgebungsverfahren zusätzlich verlangsamen, ist Ansichtssache.

Sobald ein Gesetzentwurf im Parlament eingereicht wurde (siehe unten), wird das Thema zunächst auf Kommissionsebene behandelt. Das Parlament entscheidet selbst, ob der Ständerat (kleine Parlamentskammer) oder der Nationalrat (grosse Parlamentskammer) als Erstrat den Vorschlag behandelt.

Nach einer ersten Lesung des Gesetzes geht der Vorschlag dann an die andere Kammer, die das gleiche Verfahren durchläuft. Dies geschieht oft drei oder sechs Monate später.

Vor jedem wichtigen Schritt einer der Kammern finden vorgängige Diskussionen in den Kommissionen statt.

Beide Kammern haben die gleichen Befugnisse, Gesetze zu ändern und zu ergänzen. Beide müssen sich auf den genau gleichen Wortlaut eines Gesetzes einigen, bevor es in einer Schlussabstimmung bestätigt wird.

Der Prozess, die Differenzen zwischen den beiden Kammern zu bereinigen, kann sehr lange dauern. In einigen Fällen muss sich nach den maximal drei Durchgängen (Diskussionsrunden) eine Delegation sowohl aus dem Ständerat als auch dem Nationalrat (Einigungskonferenz) zusammensetzen und endgültige Kompromissvorschläge ausarbeiten.

Meistens ist es eine Parlamentskommission, die den Ball ins Rollen bringt. Die Regierung kann ebenfalls Vorschläge für Gesetzesänderungen machen, häufig als Reaktion auf Vorstösse einzelner Politiker oder Gruppen von Parlamentariern. Eine Eingabe durch einen der 26 Kantone ist möglich, aber selten direkt erfolgreich.

Bürger und Bürgerinnen haben kein direktes Mitspracherecht bei der Gesetzgebung auf nationaler Ebene. Sie können sich jedoch während einer Vernehmlassung Gehör verschaffen, d.h. wenn die Regierung die Meinungen aller von einem Gesetzesprojekt betroffenen Parteien einholt.

Privatpersonen können auch versuchen, gegen ein vom Parlament verabschiedetes Gesetz ein Veto einzulegen, indem sie innert 100 Tagen mindestens 50’000 Unterschriften sammeln (Referendum) und eine landesweite Abstimmung über dieses Thema erzwingen. Zwischen 1875 und 2019 fanden mehr als 220 Referendumsabstimmungen statt.

Vor allem können Schweizer Bürgerinnen und Bürger Verfassungsänderungen vorschlagen, indem sie so genannte Volksinitiativen starten. Wenn genügend Unterschriften zusammenkommen – mindestens 100’000 innert 18 Monaten gesammelt – muss die Regierung einen Termin für eine Volksabstimmung festlegen.

Nein, denn das Vetorecht liegt beim Volk. Dies im Gegensatz zu den Vereinigten Staaten, wo der Präsident beispielsweise das Parlament überstimmen kann.

Aber es gab in der modernen Schweizer Geschichte kürzere oder längere Zeiträume, in denen der Regierung mehr Macht verliehen wurde, insbesondere in regionalen Konflikten im 19. Jahrhundert und während der Weltkriege sowie zur Bewältigung der Weltwirtschaftskrise der 1930er-Jahre.

Informationen in den Landessprachen der Schweiz – Deutsch, Französisch, Italienisch und Rätoromanisch – sowie teilweise in Englisch sind auf der Website des ParlamentsExterner Link abrufbar, einschliesslich dieses umfangreichen ÜberblicksExterner Link.

Es gibt auch Angebote für die jüngere GenerationExterner Link, eine kürzlich lancierte Seite in einfacher SpracheExterner Link für Menschen mit besonderen Bedürfnissen sowie einen Campus für DemokratieExterner Link.

(Übertragung aus dem Englischen: Sibilla Bondolfi)

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