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Nationalrat versenkt “Lex USA” definitiv

Tee zur Beruhigung? - Finanzministerin Eveline Widmer-Schlumpf konnte sich im Nationalrat nicht durchsetzen. Keystone

Der Nationalrat lehnt das umstrittene Sondergesetz, das den Steuerstreit mit den USA hätte lösen sollen, zum zweiten Mal ab. Damit ist das Gesetz, das den Banken erlaubt hätte, mit den US-Steuerbehörden zu kooperieren, definitiv vom Tisch.

Wie sich das Scheitern auf den weiteren Verlauf des Steuerstreits mit den USA auswirken wird, steht weitgehend in den Sternen. Der Spielraum, den der Bundesrat nun hat, um das Programm zugunsten der verdächtigten Banken doch noch – zumindest teilweise – umzusetzen, ist nicht klar definiert. Darüber sind sich die meisten Rechtsexperten, die sich in den vergangenen Tagen zu dem sich abzeichnenden Nein zur “Lex USA” äusserten, einig.

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Ständerat bekräftigt Ja zur “Lex USA”

Dieser Inhalt wurde am veröffentlicht Das Gesetz würde es den Banken erlauben, mit den US-Behörden zu kooperieren, ohne sich in der Schweiz strafbar zu machen. Mit Daten zum Geschäft mit unversteuerten Geldern von US-Kunden und Zahlungen könnten sich die Banken von einem Strafverfahren in den USA freikaufen. Eine Verordnung, die der Bundesrat beschliessen könnte, reiche “eben nicht“, um das von…

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Einmaliges Ereignis

Entsprechend ungewöhnlich waren die Bemühungen der Befürworter im Parlament, die Gegner doch noch zu einem Ja zu bewegen. Vor der Debatte im Nationalrats-Plenum unternahm der Präsident der vorberatenden Wirtschaftskommission einen letzten Versuch, indem er nicht weniger als fünf der sieben Bundesräte an die Kommissionsitzung eingeladen hatte, um den Gegnern die Vorteile der “Lex USA” aus Sicht der Regierung zu erklären. Alle nahmen an der Sitzung teil, ein in der Geschichte der Schweiz einmaliges Ereignis.

Dabei haben die Regierungsmitglieder laut dem Kommissionpräsidenten, dem Christdemokraten Christophe Darbellay, allesamt klar gemacht, dass es keine neuen Verhandlungen mit den USA mehr geben werde, dass das Programm ohne Gesetz lediglich teilweise umgesetzt werden könne und dass eine Eskalation, das heisst, Klagen seitens der USA gegen Schweizer Banken, nicht ausgeschlossen sei. Die Kommission liess sich davon nicht beeindrucken und bekräftigte ihre bereits vor Tagen bezogene Position.

Drei grosse Parteien dagegen

Damit war klar, dass der Nationalrat das Gesetz definitiv versenken würde. Das tat er denn auch mit 123 zu 63 Stimmen bei 4 Enthaltungen.

Als einzige der grossen Parteien hatte sich lediglich die Christlichdemokratische Volkspartei (CVP) für die Vorlage ausgesprochen. Die rechtskonservative Schweizerische Volkspartei (SVP), die Freisinnigen (FDP.Die Liberalen) und die Sozialdemokraten (SP) hatten bereits in den vergangenen Tagen ihre ablehnenden Haltungen mehrfach bekräftigt.

Für die Ablehnung hatten die drei Parteien unterschiedliche Gründe. Die SVP führte vor allem Argumente der nationalen Souveränität ins Feld. Zudem würde das Gesetz auch andere Staaten auf die Idee bringen, von der Schweiz ein analoges Entgegenkommen einzufordern.

Banken sollen Suppe auslöffeln

Die Freisinnigen, die bisher im Ruf standen, den Banken besonders nahe zu stehen, stellten sich auf die Position, die Banken sollten die Suppe nun selbst auslöffeln, die sich eingebrockt hätten. Wie die Sozialdemokraten kritisierten auch die Freisinngen, dass das Parlament etliche Details des Gesetzes nicht kenne.

Die Sozialdemokraten monierten, die Banken hätten ihren US-Kunden wissentlich Beihilfe geleistet zur Steuerhinterziehung, und die bürgerlichen Parteien hätten die politische Plattform dafür geliefert. Deshalb sei die Verantwortung an Bundesrat und Banken zu delegieren.

Warmes Wasser gegen kalte Füsse

Um die Folgen des Neins abzumindern hat der Nationalrat – wie zuvor der Ständerat – mit 141 zu 24 Stimmen bei 25 Enthaltungen eine Erklärung verabschiedet. Diese soll dem Bundesrat für die weiteren Verhandlungen mit den USA den Rücken stärken. Konkret – so verlangt es die rechtlich kaum verbindliche Erklärung – soll der Bundesrat “die Banken in die Lage versetzen“, mit den USA zu kooperieren.

Nationalrat Christophe Darbellay, bezeichnete den unüblichen Schritt mit Blick auf die Versenkung der “Lex USA“ im Nationalrat als “warmes Wasser für jene Leute, die kalte Füsse bekommen haben“.

Der Steuerstreit entzweit die Schweizer Banken, den Bundesrat und die amerikanischen Justizbehörden seit fünf Jahren. Von amerikanischer Seite sind es zwei Behörden, welche die Schweizer Banken in die Mangel nehmen: Das Justizdepartement und die Steuerbehörde Internal Revenue Service (IRS).
 
19. Juni 2008
Der ehemalige UBS-Banker Bradley Birkenfeld erklärt sich vor einem amerikanischen Gericht schuldig, für Kunden der Schweizer Grossbank Geld am Fiskus vorbeigeschleust zu haben.
 
19. August 2009
Nach einem monatelangen Tauziehen zwischen der UBS, dem Bundesrat und den US-Behörden um die Herausgabe von Namen verdächtiger Kunden einigen sich die Schweiz und die USA auf einen Vergleich. Die USA erhalten 4450 UBS-Kundendaten. Die UBS zahlt zudem eine Busse von 780 Millionen Dollar.
 
16. November 2010
Nach Erhalt der meisten UBS-Kundendaten zieht die US-Steuerbehörde IRS ihre zivilrechtliche Klage gegen die UBS zurück.
 
Februar 2011
Die USA haben neben der CS weitere Banken im Visier, darunter die HSBC Schweiz, die Basler und Zürcher Kantonalbanken, Julius Bär und die Bank Wegelin.
 
9. Dezember 2011
Das US-Justizministerium verlangt von Schweizer Banken auch Namen von Kundenberatern. Das schweizerische Recht verbietet aber die direkte Herausgabe von Dokumenten mit Namen von Mitarbeitenden.
 
27. Januar 2012
Die Besitzer der Bank Wegelin verkaufen unter dem Druck der USA ihr Nicht-US-Geschäft an die Raiffeisen Gruppe. Die Bank war als Ganzes in die Schusslinie geraten.
 
16. März 2012
Das Schweizer Parlament erklärt sich mit Gruppenanfragen aus den USA einverstanden und stimmt einer entsprechenden Ergänzung des Doppelbesteuerungsabkommens zu.
 
11. April 2012
Das Bundesverwaltungsgericht stoppt auf die Klage eines CS-Kunden die Lieferung von Kundendaten der Credit Suisse an die USA, weil seiner Ansicht nach das amerikanische Amtshilfegesuch den Anforderungen nicht genügte.
 
4. Dezember 2012
Die Schweiz und die USA einigen sich auf die Einführung des “Foreign Account Tax Compliance Act” (FATCA) voraussichtlich 2014. Damit wollen die USA erreichen, dass sämtliche Auslandskonten von US-Steuerpflichtigen besteuert werden können.
 
3. Januar 2013
Die Bank Wegelin gibt in den USA ein Schuldgeständnis ab und gesteht damit ein, Beihilfe zur Steuerhinterziehung geleistet zu haben. Im März wird das Strafmass bekannt: Die Busse beläuft sich auf 74 Mio. Dollar.
 
29. Mai 2013
Der Bundesrat verabschiedet ein Gesetz zur Beendigung des Steuerstreits. Es soll die Banken – nach einem dringlichen Verfahren im Parlament – ermächtigen, direkt mit den US-Behörden zusammenzuarbeiten und einen Schlussstrich unter die Vergangenheit zu ziehen.
 

5. Juni 2013 

Der Ständerat stimmt der “Lex USA” mit einigen Abänderungen überraschend klar zu.

18.Juni 2013

Mit 126 zu 67 Stimmen bei 2 Enthaltungen beschliesst der Nationalrat, nicht auf die Vorlage “Lex USA” einzutreten.

19. Juni 2013

Der Ständerat stimmt im Differenzbereinigungs-Verfahren der “Lex USA” eine zweites Mal zu, der Nationalrat sagt ein zweites Mal Nein. Damit ist die Vorlage vom Tisch.

(Quelle: sda)

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