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POLITIKSpanier demonstrieren trotz Verbots

MADRID (awp international) – Ungeachtet eines Demonstrationsverbots haben am Mittwochabend erneut tausende Menschen im Zentrum Madrids gegen die Sparpolitik der spanischen Regierung und die Arbeitslosigkeit protestiert. Ein starkes Polizeiaufgebot begleitete die Kundgebung. Diese fand auf dem Platz an der Puerta del Sol (Sonnenpforte) statt, der bereits in der Nacht von den Demonstranten besetzt worden war. Die Veranstalter sprachen von rund 10.000 Teilnehmern, die Polizei machte keine Angaben.
“No pasarán!” (Sie werden nicht durchkommen), skandierten die Demonstranten in Anlehnung an die berühmte Durchhalteparole der republikanischen Widerstandskämpfer während des Spanischen Bürgerkrieges (1936-1939). Die Wahlbehörde hatte die Kundgebung wegen der anstehenden Regional- und Kommunalwahlen an diesem Sonntag verboten. Die Demonstration störe den Wahlkampf und sei nicht rechtzeitig beantragt worden. Kundgebungen gab es auch in anderen Städten, darunter Barcelona und Sevilla.
In rund 40 Städten hatten in der Nacht zum Mittwoch vornehmlich junge Demonstranten zentrale Plätze besetzt, um ihrer Forderung nach sozialen und politischen Reformen in dem Krisenland Nachdruck zu verleihen. Auf dem Platz an der Puerta del Sol in Madrid schlugen rund 2000 Anhänger der neuen Protestbewegung “Echte Demokratie Jetzt!” ein Zeltlager auf. Ihr Motto: “Yes, we camp.” Bis zur Wahl am Sonntag wollen sie dort bleiben.
Die Demonstranten fordern unter anderem mehr Arbeitsplätze und bessere Löhne, bezahlbare Wohnungen und eine Reform des bestehenden Wahlrechts, das ihrer Ansicht nach die beiden grossen Parteien der Sozialisten (PSOE) und Konservativen (PP) begünstigt. Organisiert werden die Kundgebungen über soziale Netzwerke im Internet wie Facebook, Twitter oder das spanische tuenti. Der Protest richtet sich aber nicht nur gegen die sozialistische Regierung, sondern gegen die gesamte politische Klasse im Land.
In Spanien ist jeder fünfte Erwerbsfähige ohne Job, die Jugendarbeitslosigkeit liegt bei rund 40 Prozent. Wegen der hohen Verschuldung setzte die Regierung einen strengen Sparplan durch: Beamtengehälter wurden gekürzt, Renten eingefroren, Kündigungen erleichtert./jv/DP/he

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