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Positives Denken hilft, den Schrecken zu überwinden

Die Türme, die Trümmer sind weg - die Spuren in den Menschen drin sind geblieben. Keystone Archive

Eine Mischung aus Trauer und positivem Denken: Diesen Eindruck machen die Menschen in New York ein Jahr nach den Anschlägen auf das World Trade Center.

Zum Jahrestag machte sich swissinfo ein Bild der Auswirkungen des 11.9. auf die Schweizer Gemeinde.

Die Bilder der in Flammen stehenden und dann einstürzenden Türme sind in der kollektiven Erinnerung der USA noch immer schmerzlich wach. Und die umfassende, seit Tagen und Wochen andauernde Medienberichterstattung zum Jahrestag lässt den Schrecken wieder neu aufleben.

Am Jahrestag sind in New York zahlreiche Gedenkveranstaltungen geplant. Die Sicherheitsvorkehrungen wurden massiv verstärkt. “Die Nervosität ist in den letzten Tagen wieder gestiegen”, sagt Norbert Arnold, Generalkonsul-Adjunkt in New York im Gespräch mit swissinfo.

Politik des Schweigens

Bilder vom 11.9. und Debatten darüber, was mit dem Ort des Anschlags, dem “Ground Zero”, passieren soll, sind omnipräsent. Doch viele Menschen, die dem Schrecken entkamen, sprechen nur zurückhaltend über ihre Erlebnisse.

Unternehmen aus dem Finanzdistrikt haben entschieden, sich zum letzten September und dessen Auswirkungen auf ihre Geschäfte auf den Jahrestag hin nicht zu äussern.

So wollten die beiden Schweizer Grossbanken, UBS und Credit Suisse, die in New York stark vertreten sind, keine Interviews geben.

“Wir haben entschieden, nicht über die Anschläge zu sprechen. Wir empfanden es als nicht angebracht”, erklärte ein Sprecher der UBS gegenüber swissinfo. Die Bank hatte bei den Anschlägen mehrere Angestellte verloren.

“Die Finanzwelt hat auf die Anschläge bemerkenswert gut reagiert”, sagt Roland Bandelier, ein Schweizer Finanzberater, der sich am 11.9. in seinem Büro in einem der Nebengebäude der zwei Türme befunden hatte. “Ganz normal sind die Dinge aber auch noch nicht”, sagt Bandelier gegenüber swissinfo.

Der Umgang miteinander

Bandelier und viele andere verweisen darauf, dass die Anschläge sich auf das gegenseitige Verhalten der Menschen in New York auswirkten.

“Die Leute wurden freundlicher”, sagt etwa auch die frühere Modedesignerin Annemarie Gradin, Präsidentin der Swiss Society in New York.

Die pensionierte Modedesignerin erinnert sich, wie sie den Brand und Kollaps der beiden Türme von ihrem Balkon im 26. Stock eines Gebäudes in Midtown Manhattan miterlebte. “Noch tagelang lag der Staub in der Luft.”

“Bis zum 11. September hatten wir alle etwas unsere Manieren vergessen. Kaum jemand sagte noch Entschuldigung”, sagt Gradin. Wie andere Gesprächpartner verweist sie darauf, wie das positive Denken Amerikas der Stadt geholfen habe, das Trauma in den Griff zu kriegen.

“Dieser positive Aspekt war von Anfang an da und trieb die Menschen vorwärts. Die Einstellung war: Wir können dies überwinden und gestärkt daraus hervorgehen”, sagt Gardin gegenüber swissinfo.

Familien und Freunde

“Familie und Freunde sind wieder wichtiger geworden. Die Menschen sind etwas weniger materialistisch heute”, glaubt auch Roland Bandelier.

Von den Veränderungen im Verhalten der Menschen nach dem Anschlag spricht auch Norbert Arnold. “Heute ist New York aber schon fast wieder wie vor einem Jahr. Und ich liebe diese Stadt, daran haben die Anschläge nichts geändert.”

Gespenstische Stille

Arnold war am 11.9. in Europa. Mit dem ersten Swissair-Flug nach Wiederaufnahme des Flugverkehrs kehrte er am 15. zurück.

Was er auf der Fahrt nach New York empfand: “Es war ein gespenstischer Eindruck. Die schwarze Rauchwolke, die menschenleeren Strassen, die schwer bewachten Tunnels.”

Für Arnold und die andern Angestellten des Generalkonsulats folgten hektische Zeiten. “Der Zusammenhalt war phantastisch, alle setzten sich unermüdlich ein. Es war ein Beweis dafür, dass die Menschen in Krisenzeiten über sich hinauswachsen.”

Gardin wird New York nach mehr als 40 Jahren in Kürze verlassen und in die Schweiz zurückkehren. Ihr Geschäft hat sie verkauft.

Die Rückkehr hat aber nichts mit dem 11.9. zu tun, den Entscheid fällte sie schon im April vor einem Jahr. “Manhattan ist die Liebe meines Lebens. Und dies wird sich nie ändern”, bekräftigt Gardin.

swissinfo, Rita Emch, New York

Zur Schweizer Gemeinde in der Tristate Region (New York, New Jersey und Connecticut) gehören etwa 20’000 Personen. Viele von ihnen sind sehr integriert, der Zusammenhalt in der Gemeinde ist geringer als anderwo.
Viele der Schweizer und Schweizerinnen haben ihre eigenen Erinnerungen an den fatalen Tag. Sie werden den Jahrestag auf ihre eigene Art begehen, sei dies privat oder an einer der zahlreichen Gedenk-Veranstaltungen.

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