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Presseschau vom 02.03.2004

Der Kinderschänder-Prozess in Belgien beschäftigt die Zeitungen. Ein weiteres Thema ist die Diskussion um die Sanierung der Pensionskassen im Parlament.

Und da ist noch der “Morgestraich” – der Auftakt zur Basler Fasnacht.

“Belgien im Banne des Dutroux-Skandals”, titelt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. “Kinderschänder-Prozess acht Jahre nach den Mordfällen.”

Die Dutroux-Affäre, die Belgien im Sommer 1996 in seinen Grundfesten erschüttert hatte, steht seit Montag wieder im Rampenlicht. Der 47-jährige mutmassliche Kinderschänder muss sich wegen Entführung, Vergewaltigung und Mordes vor einem Geschworenen-Gericht verantworten. Mitangeklagt sind drei weitere Personen.

Dass Dutroux am ersten Prozesstag vor den Richtern einschlief oder sich schlafend stellte, stösst den Zeitungen sauer auf. “Dutroux provoziert die Richter”, heisst die Schlagzeile in der BASLER ZEITUNG.

Der BLICK doppelt nach: “Dutroux verhöhnt das Gericht…und stellt sich schlafend.” Die ganze Welt blicke auf das “Monster von Belgien”. Doch der döse gelangweilt vor sich hin – “er hat nur Hohn übrig für seine Richter”.

Der “berühmteste Häftling Belgiens, das Monster von Charleroi”, sei nüchtern und lakonisch im Justizpalast aufgetreten, der in eine Festung verwandelt worden sei, schreibt die Genfer Zeitung LE TEMPS. “Le procès Dutroux divise une Belgique hantée par les crimes du psychopathe” – “Der Dutroux-Prozess teilt ein Belgien, das von den Verbrechen des Psychopathen verfolgt wird.”

“Dutroux ist überall”

Der Zürcher TAGES ANZEIGER kommentiert eingehend das “Grauen hinter den Fassaden”. Belgien wegen der Dutroux-Affäre jetzt gross und alleinig anzuprangern, sei eine Botschaft, die auch für das Schweizer Publikum zu einfach sei. Dutroux sei überall. “Er könnte vielleicht auch in der Schweiz sein Unwesen treiben.”

Dutroux sei das Symbol für die niederträchtigste Gewalt, zu der ein Mensch fähig sein könne: “die sexuelle Vergewaltigung einer wehr- und ahnungslosen Kinderseele.”

Hinter den Fassaden der Wohlanständigkeit gebe es indes mehr gefangene Seelen, als viele zugeben wollten, schreibt der TAGI. “Auch in der Schweiz sind Kinderschänder in Kirchgemeinden oder im engeren Familien- und Freundeskreis bittere Realität.”

Missbrauch sei somit kein spezifisches Phänomen der belgischen Gesellschaft. Und der TAGES ANZEIGER weiter: “Die dank Internet konkret fassbar gewordene Kinderpornografie ist ein Gradmesser für die innere Zerrüttung von Beziehungen in einer Gesellschaft. Das Potenzial der Verdrängung ist enorm. Die schleichend sichtbar gewordenen Fälle der letzten Monate und Jahre in der Schweiz sind ein Fingerzeig.”

Sanierung der Pensionskassen – der Dauerbrenner

“Kein Rütteln am Mindestzins”, titelt das ST. GALLER TAGBLATT. “Mindestzins ist tabu”, lautet die Schlagzeile im Berner BUND. Und gleich tönt es im CORRIERE DEL TICINO: “Il tasso minimo non si tocca.”

Die finanzielle Situation der meisten Pensionskassen hat sich entspannt. Trotzdem sagte am Montag auch der Nationalrat Ja zu Sanierungsmassnahmen, um eine nächste Baisse besser überwinden zu können. Im Gegensatz zu Stände- und Bundesrat ist der Nationalrat indessen gegen eine Unterschreitung des Mindestzinssatzes von 2,25 Prozent.

Die Lage der Pensionskassen gebe keinen Anlass zur Panik, meinte die Grosse Kammer des Schweizer Parlamentes. Fazit der BERNER ZEITUNG: “Die Aktienmärkte haben die Gemüter beruhigt.” Da habe Sozialminister Pascal Couchepin vergeblich gefordert, dass zur Sanierung einer Pensionskasse der Mindestzins unterschritten werden dürfe. Nun könne er auf die BVG-Debatte im Ständerat hoffen, schreibt der TAGES ANZEIGER.

Die drei schönsten Tage

“Eins, zwei, drei, vier – und der Fasnachtstakt ist eingestellt” – so die Schlagzeile in der BASLER ZEITUNG. “Minus zwei Grad Celsius, leicht bedeckter Himmel. Die Menschen warten, die Kircheglocken schlagen. Beim vierten Mal erlischt das Licht auf Strassen und Plätzen. Mit Wucht wird zugeschlagen, Trommel- und Piccoloklang treiben die Stille aus den Gassen. Nach einem Morgestraich nach Mass hat die Fasnacht jetzt Basel fest im Griff.”

So war’s also am Montagmorgen um vier Uhr in Basel. Und nur wenige Stunden danach begann in Bern die Frühlingssession – und, so die BASLER ZEITUNG, “damit eine Gratwanderung zwischen Pflicht und Lust bei den sechs Ratsmitgliedern aus Basel”.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

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