Presseschau vom 06.02.2002
Als eine Art "multimediales Feuerwerk" bezeichnet die Schweizer Presse den Auftritt von US-Aussenminister Colin Powell vor der UNO.
Die Zeitungen äussern sich generell skeptisch den amerikanischen "Beweisen" gegenüber.
"Powell: Irak lügt, trickst, täuscht!",
schreibt die Pendlerzeitung 20 MINUTEN auf ihrer Titelseite.
"Herr Powell, das waren dürftige Beweise",
meint der BLICK und schreibt vom Gespenst, das in der Welt herumgehe:
"Das Gespenst des Krieges. Unmerklich nistet es sich in unseren Köpfen ein."
Colin Powells Auftritt vor dem UNO-Sicherheitsrat sei eine eindrückliche Multimedia-Show gewesen, schreibt der Berner BUND, neue Erkenntnisse habe er aber nicht geliefert:
"Trotzdem war die Rede des US-Aussenministers von grosser Bedeutung - und wird den weiteren Verlauf des Irak-Konflikts zweifellos entscheidend prägen."
Wichtig daran sei, dass der "widerwillige Krieger" Powell nun voll auf die Linie seines Präsidenten George W. Bush geschwenkt sei.
Opfer ist auch die Zivilbevölkerung
Die NEUE LUZERNER ZEITUNG meint, in der Irak-Krise werde immer nur von Saddam Hussein gesprochen. Doch die von Bush geforderte gewaltsame Entwaffnung des Irak bedeute in der Realität ein Krieg gegen ein ganzes Volk:
"Angesichts des unkalkulierbaren Risikos für Millionen von Menschen braucht es mehr Indizien, um die Notwendigkeit eines Krieges zu begründen."
Die BERNER ZEITUNG spricht gar von "Bushs Welttheater":
"Entweder ihr seid mit uns, oder ihr seid bedeutungslos."
Das sei der Kern der Botschaft gewesen, die am Mittwoch vor der UNO ausgebreitet worden sei. Die BZ schreibt:
"Powells Dokumente waren, verglichen mit dieser unterschwellig verbreiteten Botschaft, von geringer Bedeutung."
Die UNO soll den Weg vorzeichnen
Die BASLER ZEITUNG schreibt, dass US-Aussenminister Powell vor dem Sicherheitsrat zwar dem Irak drastische Verstösse gegen die UNO-Resolutionen vorgeworfen habe:
"Die Stichhaltigkeit des von Powell präsentierten Geheimdienst-Materials kann nur von den UNO-Inspektoren vor Ort überprüft werden."
"Die UNO soll uns leiten",
findet auch der Zürcher TAGES ANZEIGER in Anspielung des Bush-Zitates von Gott, der uns in diesen Stunden leiten soll:
"Wenn Powell nämlich einen schlagenden Beweis geliefert hat, dann jenen, dass auch die USA selbst keinen zwingenden Grund nennen können, weshalb man sofort militärisch im Irak eingreifen müsste."
Krieg oder doch nicht?
Was nun? fragt sich die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG. Die kommenden Tage würden zeigen, ob es genügend Unterstützung für eine weitere UNO-Resolution gebe,
"die dem Irak ein Ultimatum setzen könnte und die direkte Ermächtigung zu einer Militäraktion enthält."
Diesen Weg, so die NZZ, würden die USA sicher vorziehen.
"So oder so, Saddams Tage scheinen gezählt zu sein."
Dieser Ansicht fügt die welsche LE TEMPS noch eine andere Überlegung hinzu:
"Dieser unwiderstehliche Marsch der Vereinigten Staaten hin zu ihrem Krieg, hat möglicherweise den Nebeneffekt, dass es in Tat und Wahrheit zu gar keiner Intervention mehr kommt!"

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