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Presseschau vom 14.02.2004

Das Betriebsergebnis 2003 der Ems-Chemie, vor allem aber der erste Auftritt der neuen Chefin beschäftigen die Schweizer Zeitungen.

Auch das Pressebild des Jahres und die gigantischen Saläre von Topmanagern sind Thema.

“Solide, directe, sûre d’elle, claire dans sa stratégie décrite” – solide, direkt, selbstsicher und klar in der Strategie. Magdalena Martullo-Blocher habe ihren ersten Auftritt bestens gemeistert, schreibt die Westschweizer Zeitung LE TEMPS.

Und auch das Boulevard-Blatt BLICK interessierte sich eher mehr für die Tochter des umstrittenen neuen Bundesrats als für die Wirtschaftszahlen:

“Blochers Tochter im doppelten Glück” titelt das Blatt. Noch selten habe Magdalena Martullo-Blocher so viel Charme gezeigt. Glücklich, hochschwanger und sehr stolz habe sie die Ems-Ergebnisse präsentiert.

Auch die BASLER ZEITUNG meistert den Einstieg ihres Artikels nicht mit Zahlen: “Erste Jahresmedienkonferenz der Ems-Chemie im Jahre eins nach Christoph Blocher”, steht da geschrieben.

“Magdalena Martullo-Blocher – Der erste Auftritt als Ems-Chefin” lautet der Titel in der BERNER ZEITUNG.

Neue Töne

Und auch der Zürcher TAGES-ANZEIGER kann es nicht lassen, die familiären Verhältnisse hervorzuheben und schreibt:

“Kein einziges Mal ist der Name des grossen Abwesenden gefallen. Einmal wurde er ‘der Vorgänger’ genannt. Dann hiess es, ‘er’ habe stets diese oder jene Meinung vertreten. Aber der Name blieb unausgesprochen, und Magdalena Martullo-Blocher vermied es auch, die Formulierung ‘mein Vater’ zu verwenden.”

Zu den Zeiten Christoph Blochers seien Pressekonferenzen der Ems-Chemie nicht selten Lektionen gewesen, in denen der Firmenchef einer staunenden Zuhörerschaft seine Sicht der wirtschaftlichen Dinge dargestellt habe, schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG.

“Das neue Führungsgespann scheint diese Tradition nun nicht weiterführen zu wollen; die am Freitag in Oerlikon abgehaltene Bilanz-Pressekonferenz war jedenfalls von ungewohnter Nüchternheit geprägt”, ortet die NZZ.

Die Ems-Chemie hat ihre Umsätze übrigens halten und die Gewinnmargen steigern können. Der Konzerngewinn erlitt jedoch eine massive Einbusse. Grund: die Abschreibung auf einer Beteiligung an der Lonza.

Debatte Manager-Bezüge

Und wir bleiben beim Geld: Der Berner BUND greift – unter dem Titel “Ospel, Vasella und die Putzfrau” – einmal mehr das Thema der millionenschweren Chefsaläre bei Schweizer Grosskonzernen auf.

Auf einer vollen Seite philosophiert der Autor über Ethik, Marktentscheide und die Gier, die ein wichtiger Antrieb des Menschen sei:

“Besonders stark ist dieser Trieb bei Leuten mit der Ambition und Härte, sich an die Spitze eines Weltkonzerns hinaufzuboxen.”

Gier treibe aber auch den “kleinen Mann” – wenn er nicht allzu viel tun müsse, etwa an der Aktienbörse oder im Lottofieber sei das zu beobachten, heisst es im BUND weiter.

Es gebe jedoch einen wesentlichen Unterschied: “Spitzenmanager haben mehr Chancen, ihre Gier auszuleben.”

Das beste Foto

Das Presse-Bild des Jahres 2003 geht an den französischen Fotografen Jean-Marc Boujou. Es zeigt einen irakischen Gefangenen hinter Stacheldraht, der seinen kleinen Sohn zu trösten versucht. Der Vater kann den Bub nur spüren, aber nicht sehen. Die übergestülpte Haube nimmt ihm jede Sicht.

“Ein seltener Moment der Menschlichkeit”, titelt der BLICK. “Blicke ins Antlitz der Welt”, so die BERNER ZEITUNG.

Unter dem Titel “Hinschauen, aber richtig!” analysiert die Kommentatorin des TAGI die Bedeutung des Bildes in den heutigen Medien:

“Je kurzlebiger das Medium, desto stärker muss das einzelne Bild auffallen, sonst erreicht es uns überhaupt nicht mehr.”

Wirklich gute Bilder sperrten sich dagegen, weggelegt zu werden, schreibt sie weiter. “Sie lassen innehalten, machen neugierig auf Texte und Kontexte. Darin liegt die aufklärerische Rolle der Pressefotografie.”

swissinfo, Gaby Ochsenbein

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