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Presseschau vom 25.01.2003

Nicht nur die Bevölkerung und die Politiker zeigen sich bestürzt über den Untersuchungsbericht zur Pleite der Swissair. Auch die Schweizer Presse ist entsetzt.

Die Zeitungen fordern einhellig, die Verantwortlichen müssten zur Rechenschaft gezogen werden.

Der Untersuchungsbericht über den Zusammenbruch “des Nationalheiligtums Swissair” sage unmissverständlich eines, schreibt der Zürcher TAGESANZEIGER:

“Die Mitglieder des Verwaltungsrates und das Management der SAir-Group haben vollkommen versagt. Nicht einmal, nicht zweimal, sondern am laufenden Band.”

Für das Boulvard-Blatt BLICK ist das Fazit der Experten schockierend:

“Das Grounding war nicht nötig. Die Pleite war eine Folge von Manager-Fehlern und Bilanz-Kapriolen. Versagt hat auch die Kontrolle der Verwaltungsräte – notabene hochdotierte Herren und Damen aus der ersten Liga der Schweizer Wirtschaft.”

Zudem zeigten die Verantwortlichen keine Einsicht und äusserten keine Entschuldigung, dafür “Rechthaberei bis zum Umfallen”, wettert der BLICK weiter und schliesst seinen Kommentar mit den Worten:

“Auf eine solche Elite verzichten wir gerne. Da bliebt nur eines: Klagen!”

Auch für die BERNER ZEITUNG besteht der eigentliche Skandal im Verhalten der Verantwortlichen, die “mit allerlei juristischen Tricks versuchen, ihren Kopf, respektive ihr Geld zu retten.”

Der eigentliche Skandal, so die BZ weiter, sei dass “die Fehlbaren ihre Fehler nicht zugeben und dafür – finanziell – nicht gerade stehen wollen”.

Gefragt sind verantwortungsvolle Manager

Für den Genfer LE TEMPS ist die Swissair völlig unkontrolliert geflogen. Ausschlaggebend für den Kollaps der Swissair sei die äusserst politische Wahl der Verwaltungsräte gewesen, die mit andern Mandaten und Verantwortlichkeiten überladen gewesen seien.

“In diesem Punkt bleibt in der Schweiz noch viel zu tun”, so LE TEMPS.

Im grössten Konkursfall der Schweizer Wirtschaftsgeschichte gebe es zwar keine Anzeichen dafür, dass sich die Führungsverantwortlichen auf kriminelle Weise an der Swissair bereichert hätten, schreibt die NEUE ZÜRCHER ZEITUNG in ihrem Kommentar. Aber, so die NZZ weiter:

“Keine Geiss schleckt weg, dass Bilanzen falsch erstellt wurden – zum Schaden von Aktionären, von Lieferanten und von weiteren Interessengruppen. Soll die Rechtssicherheit hierzulande gewahrt bleiben, wird kein Weg daran vorbeiführen, die Verantwortlichen für das Desaster zur Rechenschaft zu ziehen.”

Der Bericht bringt laut der BASLER ZEITUNG zwar Fakten, wie es zum Swissair-Konkurs kam. Er nenne jedoch die Schuldigen nicht. Auch die Frage nach der Motivation der Verantwortlichen werde nicht beantwortet:

“War es Grössenwahn? Nachlässigkeit? Ämterhäufung und deshalb Überforderung? Inkompetenz?”, fragt die BaZ und kommt zum Schluss, dass nur ein Gericht dies klären könne. Aber, schliesst die BaZ ihren Kommentar:

“Das Einmaleins der verantwortungsvollen Unternehmensführung kann kein Gericht verordnen. Das gehört in die Grundausstattung eines jeden Managers.”

swissinfo, Gaby Ochsenbein

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