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Presseschau vom 28.02.2004

Die Zeitungskommentatoren sind sich einig: Die Stimmung in der Schweiz schlägt um. Oberstes Ziel des Bundesrates sei heute Sparen –alles andere werde diesem Ziel untergeordnet.

Diese Politik berge Risiken. Das Volk könne aber andere Prioritäten setzen – beispielswiese bei der Abstimmung über das Steuerpaket.

“Grüsse aus der neuen Schweiz”, titelt der Berner BUND seinen Leitartikel. “Verzichten, kürzen, aufschieben – es grüsst der neue Bundesrat.”

Keine neuen Naturschutzparks, keine neuen Eisenbahn-Anschlüsse, Stellenabbau beim Bund, Stellenabbau bei der Armee – einzeln gesehen seien die Beschlüsse zwar nicht gravierend.

“Dass der neue Bundesrat einen verschärften Sparkurs fährt, entspricht auch dem Mehrheitswillen des Parlaments”, schreibt der BUND weiter. Schliesslich habe es mit Blocher und Merz “zwei finanzpolitisch scharfe Hunde” gewählt.

Zudem sei die Finanzlage des Bundes unbestritten schlecht; Prioritäten seien nötig. Dass der Bundesrat jedoch den Zustand der Bundesfinanzen als oberste Priorität setze, der man alle anderen Probleme wie Umwelt oder Klima unterzuordnen habe, sei doch bemerkenswert.

Das Volk kann die Richtung ändern

Das Volk aber sei frei, andere Prioritäten zu setzen, erinnert der BUND:

“Zum ersten grossen Plebiszit wird das Steuerpaket am 16.Mai. Die vorgeschlagenen Steuergeschenke, die überproportional Wohlhabende verwöhnen, reissen zusätzliche Löcher in die öffentlichen Kassen und zwingen so auf allen Ebenen zu einem noch schärferen Sparkurs. Wollen wir das?”, fragt der BUND.

“Der Sparkurs gibt die Richtung vor”, heisst es im Leitartikel der BERNER ZEITUNG.

Natürlich stehe es schlecht um die Finanzen. Doch die Sorge um den maroden Bundeshaushalt diene auch als Deckmantel, unter dem die nun tonangebenden Rechts-Bürgerlichen ihre wahren Ziele verfolgten.

“Der Staat soll massiv verschlankt werden, die Wirtschaft möglichst freie Hand erhalten.”

Die jüngsten Beschlüsse gäben einen Vorgeschmack auf kommende Einschnitte im Sozial- und Umweltbereich. Die neue Schweiz werde zu einer “Schweiz der sozialen Kälte”, schliesst die BERNER ZEITUNG.

Gut sei nur, dass die Schweizer und Schweizerinnen “von Natur aus gegen Extreme” seien. Das Volk wisse die Notbremse zu ziehen und habe dies an der Urne mit dem Nein zur Avanti-Vorlage auch bewiesen.

Pharmabranche bleibt im Trockenen



Ein konkretes Beispiel dafür, dass der Sparwille des Bundesrates nicht alle Teile der Bevölkerung und Wirtschaft zu gleichen Teilen trifft, ist im TAGES-ANZEIGER zu finden.

Unter dem Titel “Couchepins blinder Fleck” kritisiert die Zürcher Tageszeitung, dass der Macher im Bundeshaus bei seinen Reformideen im Gesundheitswesen vor allem auf die Patienten los gehe und die Pharmabranche dabei verschone – obwohl die Schweiz die teuersten Medikamente der Welt habe.

“Der Medikamentenmarkt ist abgeschottet, günstige Parallelimporte aus dem Ausland sind verboten, ein Wettbewerb der Preise ist somit nicht möglich”, schreibt der TAGES-ANZEIGER.

“Couchepin hat sichtlich keine Lust, sich mit der mächtigen Pharmalobby anzulegen. Er schont damit die eigene, freisinnige Klientel. Das Nachsehen haben die Prämienzahler.”

swissinfo, Katrin Holenstein

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