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Presseschau vom Montag 19.08.2002

Salomonische Drittelslösung

Die Haltung der Freisinnigen Partei (FDP) zur Verteilung der Goldmilliarden, das Verlangen der SVP nach einem weiteren Bundesratssitz sowie Wahlkampf in Deutschland unter dem Eindruck der Überschwemmungen.

Diese Themen beschäftigen heute die Kommentatoren vieler Schweizer Zeitungen.

Der Versuch der Schweizerischen Volkspartei (SVP), einen zweiten Bundesratssitz zu erobern, wird laut der BERNER ZEITUNG nicht von Erfolg gekrönt werden. Ihm werde ein “ähnliches Schicksal widerfahren, wie Christoph Blocher am 15. Dezember 1999 (…). Kaum mehr als die Stimmen der eigenen Fraktion”, werde er erhalten.

Der BLICK deutet das SVP-Vorwahlgeplänkel als reines Ablenkungsmanöver: “Für die Goldinitiative sieht es nicht rosig aus. Und als ehemaliger Geschäftsspezi von Börsenspieler Martin Ebner sind auch keine Lorbeeren zu holen. Blochers Politaktien stehen in Bern nicht hoch im Kurs. Seine Wahlchancen sind gleich null.”

Aufmerksamkeit zollt die Presse der FDP, die sich mit dem Ja zum Gegenvorschlag zur SVP-“Gold-Initiative” von ihrer rechts angesiedelten Konkurrentin distanziert.

Die FDP habe sich so positioniert, wie sie musste, meint die BASLER ZEITUNG: Dass “die FDP der erfolgsverdächtigen ‘Goldinitiative’ der SVP-Erbfeinde per Ja-Parole zum Durchbruch verhelfen könnte”, erscheint dem Kommentator als völlig undenkbar.

Ob sich die FDP am Abstimmungstag als Ganzes hinter ihren Bundesrat stellen wird, ist laut BAZ aber eine ganz andere Frage.

Die doppelte Nein-Parole als Notlösung, wie sie der Appenzeller Hans-Rudolf Merz initiierte, wäre als “Fluchtweg in eine feige Stimmenthaltung” interpretiert worden und “hätte landesweites Hohngelächter provoziert.”

Für den TAGES-ANZEIGER ist es “höchst unklar, wie der Volkswille bei einer zweifachen Ablehnung zu interpretieren ist. (…) Vielmehr ginge das Gezänk ums Geld von vorne los.”

Der TAGI konstatiert: “Die FDP-Delegierten haben mit ihrem Bekenntnis zur Solidaritätsstiftung der taktischen Wahlfängerei im rechtspopulistischen Lager eine Absage erteilt.”

Für die NEUE LUZERNER ZEITUNG sind die Befürworter des Gegenvorschlags noch gar nicht auf der Siegerstrasse. Denn “an der Basis wird letztlich die Abstimmung entschieden – weit gehend losgelöst von Parteiparolen oder taktischen Überlegungen.”

Die AARGAUER ZEITUNG spricht von einer “salomonischen Drittelslösung”. Mit dem Geld aus der Solidaritätsstiftung könnte man “ein vom Hochwasser zerstörtes ostdeutsches Dorf neu aufbauen helfen. (…) Das wäre der humanitären Tradition unseres Landes wahrhaft würdig.”

Solange aus dem Solidaritätsfonds kein Geld für Ostdeutschland fliesst, muss Bundeskanzler Gerhard Schröder, dem “das Wasser politisch bis zum Hals steht”, wie der Berner BUND urteilt, mit entschlossenem Eingreifen für “die Menschen, die tatsächlich in den Drecksbrühen stehen”, beweisen, dass ihn “nicht bloss schnödes Wahlkampfkalkül” zu seinem Engagement treibe.

Etienne Strebel

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