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Privatbanken fürchten Rechtsunsicherheit

Keystone

Die Ratlosigkeit und Hektik rund um die Aufweichung des Bankgeheimnisses führten zu Rechtsunsicherheit, beklagen die Schweizer Privatbanken. Sie befürchten, dass deshalb auch Kunden mit korrekt versteuertem Vermögen ihre Gelder abziehen.

Der Finanzplatz Schweiz wird gedrängt, sich den globalen OECD-Standards anzupassen. Der Informations-Austausch, der bisher nur gegenüber den USA praktiziert wird, wird wohl nach der Anpassung zahlreicher Doppelbesteuerungs-Abkommen auch auf die übrigen Industrieländer (OECD- und EU-Länder) ausgeweitet werden (“Ausdehnung der Amtshilfe”).

Doch es ist nicht in erster Linie dieser ausgeweitete Informations-Austausch, den die Privatbankiers fürchten. Sie haben vielmehr Angst, dass die sich aus der Art und Weise des Vorgehens der USA erfolgte unberechenbare Situation zu einem Abzug vieler Gelder aus der Schweiz führen könnte.

In weiser Voraussicht oder aus vorauseilendem Gehorsam haben gemäss Medienberichten viele Banken längst begonnen, Bankkunden mit Wohnort USA auszusondern. Neben den Grossen auch die Kleinen: Laut dem Tages-Anzeiger “verscheucht die Migros-Bank sie, und die ZKB wirft sie raus”. Dabei werde nicht auf die Nationalität geschaut, sondern aufs Domizil.

Regionale Bezugs-Faktoren

Damit werden US-Amerikaner, die Offshore-Konten halten, mit Ausländern, die zu ihren Heimat-Konten keinen Offshore-Bezug haben, über dieselbe Leiste geschlagen.

Auch die Berner Kantonalbank “hat sich dazu entschieden, keine neuen Geschäftsbeziehungen mit Personen mehr einzugehen, die ihren Wohnsitz in den USA haben”, wie die BEBK gegenüber swissinfo.ch festhält. Da gerade aus den Berner Regionen viele in die USA ausgewandert sind, relativiert die Bank ihre Absetzbewegung.

“Die bestehenden Geschäftsbeziehungen werden neu beurteilt: Dabei spielt auch der Bezug der Kunden zum Kanton Bern eine Rolle.” Oder, wie BEBK-Sprecher Hanspeter Merz ausführt: “Besitzt ein Berner Auslandschweizer von früher her eine Ferienwohnung im Oberland, ist das eine Sache. Hat aber ein Amerikaner, der im Oberland einmal in den Ferien war, dort ein Konto eröffnet, ist das eine andere.”

Ausdruck grosser Ratlosigkeit

Dieses Verhalten vorauseilenden Gehorsams interpretieren Privatbanken-Sprecher als Ausdruck grosser Ratlosigkeit bezüglich dem weiteren Vorgehen. Die betroffenen Banken wüssten nicht, was sie in Zukunft mit den US-Kunden tun sollten:

“Weiterhin betreuen – aber nur, wenn das Vermögen versteuert ist? Gar nicht mehr betreuen – auch wenn das Vermögen versteuert ist? Den Qualified Intermediary-Status (QI) abgeben und dann alle Kunden betreuen?”, so der Sprecher gegenüber swissinfo.ch.

Schweizer Banken mit QI-Status ist es erlaubt, formlos US-Quellensteuern bei US-Wertpapieren im Besitz von Nichtamerikanern abzurechnen.

“Solange noch unklar ist, wie die zukünftigen QI-Bestimmungen aussehen werden “, so ZKB-Sprecher Urs Ackermann gegenüber swissinfo.ch, “wartet die ZKB bei Kontobeziehungen mit einer Kündigung zu. Denn was künftig als QI-konforme Kontoführung betrachtet wird, wissen wir noch nicht. Gilt eine Kontoführung mit jährlichem Auszug an den Kunden in den Augen der US-Steuerbehörde bereits als Vermögensverwaltung oder nicht?”

Das setze natürlich voraus, dass diese Kunden gegenüber den US-Steuerbehörden ihre Vermögensverhältnisse bereits offen gelegt haben.

Auch US-Bürger diskriminiert

Eine weitere Folge der aktuellen Ereignisse ist laut Privatbanken, dass auch amerikanische Expats, die im Ausland leben, bei sich zuhause in den USA keine Bankkonten mehr eröffnen dürfen. Denn dafür brauchen sie eine permanente US-Adresse.

Auch schweizerische und europäische Banken wollen diese US-Kunden nicht mehr, weil sie den Aufwand scheuen. Die Westschweizer Zeitung Le Temps berichtete, amerikanische Politiker hätten sich bei ihrem Wirtschaftsminister Timothy Geithner beklagt, dass US-Bürger wegen des Kampfs gegen die Steuerflucht Schwierigkeiten hätten, im Ausland überhaupt noch Bankdienstleistungen zu beziehen.

Was soll ein US-Bürger oder Auslandschweizer nun tun, wenn ihm von seiner Schweizer Bank gekündigt worden ist?

“Unter der Voraussetzung, dass der Kunde sein Vermögen versteuert hat,” so Ackermann, “kommt er bei Banken wie UBS, Credit Suisse, Pictet oder einer in der Schweiz lizenzierten US-Bank ohne weiteres unter.” Kunden mit nicht deklariertem Geld hätten die Möglichkeit, einen freiwilligen Disclosure-Prozess zu durchlaufen. Dafür sei, so der ZKB-Sprecher, noch bis 23. September 2009 Zeit.

Freier Kapitalverkehr auf dem Spiel

Auch Schweizer Privatbanken fürchten wie die anderen Banken, dass der Druck aus den USA zu einer Einschränkung des freien Kapitalverkehrs führt. Damit würden nicht nur die grenzüberschreitende Vermögensverwaltung stark eingeschränkt, sondern auch die Kapitalmärkte.

Während bisher meist das Bankgeheimnis als Grund für einen Geldtransfer in die Schweiz erachtet wurde, führen die Privatbanken vor allem die (Rechts-)Sicherheit als Grund an. Zum Beispiel aus Russland: Dort seien die Vermögen wegen der tiefen Besteuerung zum Einheitssatz zwar allesamt deklariert. Sie würden aber dennoch oft in die Schweiz transferiert, und zwar auf Grund der unberechenbaren Situation in Russland.

Die Frage, wie die Kapitalmarkt-Regeln nun neu angepasst würden, und das Wiederherstellen einer Sicherheit sei für den Finanzplatz Schweiz deshalb ein grösseres Problem als der anstehende Informations-Austausch.

Alexander Künzle, swissinfo.ch

“QI” werden nicht-amerikanische Wertschriftenhändler genannt, denen die US-Steuerbehörde einen besonderer Status einräumt.

Dieser Status erlaubt es, US-Quellensteuern bei (aus amerikanischer Sicht) Nicht-Steuerpflichtigen relativ formlos zu erstatten.

Dazu gehören auch viele Schweizer Banken, deren schweizerische und europäische Kundschaft US-Aktien oder –Obligationen im Portefeuille hält.

Ursprünglich war der QI-Status eine Erleichterung für Nicht-Amerikaner, wenn sie US-Wertpapiere kaufen wollten.

Seit sich die US-Regierung derart verschuldet, versuchen die USA, das QI-Abkommen ins Gegenteil umzuinterpretieren: Der US-Fiskus soll nun Zugriff auf nichtamerikanischen Wertschriften erhalten, die in den USA steuerpflichtige Personen besitzen.

Wobei bald jedermann, der etwas mehr als nur normale Ferien in den USA verbracht hat, potenziell als in den USA steuerpflichtig erachtet werden könnte.

Damit wird laut der Privatbank Wegelin & Co. das Domizilland-Prinzip verletzt und eine Kollision mit anderen Rechtskreisen vorprogrammiert.

Ein “Privatbankier” ist im Sinne des Bankengesetzes eine Bank in der Rechtsform von Einzelfirmen, Kollektiv- oder Kommandit-Gesellschaften.

Der Begriff “Privatbank” ist weiter gefasst und bezeichnet Institute, deren Haupttätigkeit in der Vermögensverwaltung – Private Banking – liegt. Meist sind dies Aktiengesellschaften.

Die Privatbankiers stellen die älteste Unternehmens-Form im schweizerischen Bankesen dar.

Die Schweiz zählt insgesamt 14 Privatbankiers, die alle Mitglieder der Vereinigung Schweizerischen Privatbankiers sind.

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