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Privatwirtschaft hat zu wenig für Kultur übrig

46% der Kulturausgaben sind für die Bühne, wie das Paléo Festival in Nyon. swissinfo.ch

Schweizer Unternehmen greifen der Kultur finanziell zu wenig unter die Arme. Nur knapp jeder achte Konzern beteiligt sich am Sponsoring. 90% der Mittel stammen aus der Deutschschweiz.

Dies zeigt eine soeben erschienene Studie – die erste ihrer Art – des Bundesamts für Statistik (BFS) in Bern.

Rund 20’000 Unternehmen haben im Jahr 2001 insgesamt etwas über 370 Mio. Franken für die Kultur aufgewendet; das heisst 12% der Konzerne, die sich am Sponsoring beteiligen, oder nicht einmal jeder achte. In der Romandie und im Tessin ist es bloss jeder 20.

Diese Zahlen sind das Ergebnis der ersten nationalen Erhebung über die finanzielle Unterstützung der Kultur durch die Privatwirtschaft. Sie wurde 2002 durchgeführt. Von den 7500 befragten Unternehmen aus sämtlichen Geschäftsbereichen standen 5386 Rede und Antwort.

Das Jahr Expo.02



Anhand der Zahlen zu den ausserordentlichen Ausgaben für die Landesausstellung 02 lässt sich darauf schliessen, dass die Schweizer Firmen für Kultur jährlich 320 Mio. Franken locker machen.

Auch hier ist der Graben zwischen den französisch-sprachigen Romands und den Deutschschweizern flagrant: Letztere geben fast zweimal so viel wie die ersteren. Warum dieser Unterschied?

Gebündelte Wirtschaftsmacht



Zum Teil lasse er sich durch die geografische Aufteilung erklären, stellt Yvan Cuche, wissenschaftlicher BFS-Mitarbeiter und Autor der Broschüre, fest: 71,5% der betroffenen Unternehmen sind in der Deutschschweiz ansässig, gegen 22,8% in der Romandie und 5,7% im Tessin.

“Aber in der deutschen Schweiz sind vor allem die meisten der sehr grossen Firmen untergebracht, und die wirtschaftliche Macht konzentriert sich dort.”

“Nach den frei angefügten Bemerkungen auf den Fragebögen”, so Yvan Cuche, “ist die geringe Beteiligung am Kultur-Sponsoring in der Romandie vielmehr in den Finanznöten der Unternehmen zu suchen.”

Auch wenn zum Vergleich keine anderen Daten zur Verfügung stehen, erstaunt der geringe Anteil der Firmen, die sich für Kultur engagieren.

Marketing-Effekt



Wie Daniel Rosselat, Direktor des Paléo Festivals, mit einem ironischen Unterton bemerkt, sei er zwar in einer privilegierten Lage, aber “geborene Kulturfreunde unter den Firmen gibt es nicht scharenweise.”

Doch geben zwei von fünf Firmen (40%) an, sie würden die Kultur hauptsächlich aus einem “Gefühl der gesellschaftlichen Verantwortung heraus” unterstützen.

Demgegenüber sehen Banken, Versicherungen und Detailhandels-Gesellschaften, die für die Hälfte der gesamten Finanzierung aufkommen, im Marketing-Effekt die hauptsächliche Motivation.

Deshalb erstaunt es wenig, dass die Bühnenkunst fast den halben Privatkuchen erhält, nämlich 46%. Dann kommt die Bildende Kunst (19%) und die Kulturförderung mit 20%.

Audiovision und Literatur sind mit weniger als 5% die Stiefkinder des privatwirtschaftlichen Mäzenentums.

Die Unternehmen neigen laut BFS dazu, ihre Unterstützung auf einen bestimmten Bereich zu konzentrieren, anstatt sie auf verschiedene Sparten zu verteilen.

Meist kleine Beiträge



Die geleisteten Zuschüsse sind sehr unterschiedlich. Im Durchschnitt liegen sie zwischen 1000 bis 10’000 Franken pro Jahr, wobei einzelne Firmen (0,3%) über eine Million spenden. Im Detailhandel wird durchschnittlich etwa 1600 Franken jährlich oder weniger gestiftet.

Für die Kunstschaffenden und die Kulturorgane dürfte die Suche nach finanziellen Mitteln in den kommenden Jahren noch schwieriger werden: Viele Unternehmen fügten dem BFS-Fragebogen den Kommentar bei, sie würden statt Kultur andere, gewichtigere Bereiche wie Soziales oder Sport unterstützen. Wobei dieser letztere Bereich bereits 70% des unternehmerischen Sponsorings ausmacht.

Die insgesamt von der Privatwirtschaft 2001 für Kultur aufgewendeten 370 Mio. Franken mögen bescheiden anmuten, aber sie ergeben nur ein unvollständiges Bild über die Finanzierung in diesem Sektor.

Denn neben den öffentlichen Kulturausgaben müssten auch die Zuweisungen der Stiftungen und Privatpersonen bekannt sein. Viele unter ihnen engagieren sich sehr aktiv für die Kunst.

Der Vollständigkeit halber plant das Bundesamt für Statistik deshalb zusätzliche Erhebungen.

swissinfo, Ariane Gigon Bormann, Zürich
(Übertragung aus dem Französischen: Monika Lüthi)

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