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Privatwirtschaft und Entwicklungs-Zusammenarbeit

Partner in der Entwicklungs-Zusammenarbeit: Privatwirtschaft und Staat. Swisscontact

Welche Rolle sollen Staat und Wirtschaft in der Entwicklungs-Zusammenarbeit haben? Diese Frage stand im Zentrum einer Veranstaltung von Swisscontact und economiesuisse.

Ein Zusammenrücken von Privatwirtschaft und Staat ist nötig – aber nicht zu jedem Preis.

Für Botschafter Walter Fust, Direktor der Direktion für Entwicklung und Zusammenarbeit (DEZA), sollte die Kooperation zwischen der Privatwirtschaft und der Entwicklungs-Zusammenarbeit (EZA) gemeinsame Ziele haben. Das sind für Fust die Halbierung der Armut bis zum Jahr 2015 und die komplementäre Zusammenlegung von Ressourcen.

An einer Veranstaltung der Schweizerischen Stiftung für technische Entwicklungs-Zusammenarbeit (Swisscontact) und des Wirtschaftsverbandes economiesuisse in Zürich sagte Fust, die Privatwirtschaft könne als Lieferant von Dienstleistungen, von Know-how auftreten und die Entwicklungs-Zusammenarbeit beraten oder bei der Durchführung unterstützen.

Die Privatwirtschaft könne aber auch als “social investor” aktiv werden, indem sich eine Firma – mit oder ohne Gewinnabsicht – einem sozialen Ziel verschreibe.

Spannungsfelder

Laut Fust gibt es aber auch Spannungsfelder mit der Privatwirtschaft, “und zwar im Rollenverhältnis”, wie der DEZA-Direktor gegenüber swissinfo sagt. Weil die Privatwirtschaft bei ihren Engagements eher einer “Logik der Opportunitäten” folge, müssten sich die Partner in ihrer Arbeitsweise annähern.

Es sei wichtig, dass der staatliche Partner nicht einfach die Kosten trage und private Partner das Business machten, sondern dass sie sich gemeinsam wirklich auf ein Ziel hin bewegten. Es gebe aber Firmen, die rasch noch etwas liefern möchten. Mit Lieferungen allein löse man aber keine Probleme. “Wir sind nicht eine Exportförderungs-Organisation”, so Fust.

Spannungsfelder würden trotz der erheblichen Fortschritte der schweizerischen Entwicklungs-Zusammenarbeit in den letzten Jahren wahrscheinlich bestehen bleiben, sagt Rudolf Walser, Chefökonom von economiesuisse. “Der Staat hat eine andere Aufgabe als die Privatwirtschaft”, so Walser zu swissinfo.

Für Oscar Knapp vom Staatssekretariat für Wirtschaft (seco) ist klar, dass eine starke Entwicklungs-Zusammenarbeit sowohl im Selbstinteresse der Schweiz als auch im Eigeninteresse der Schweizer Privatwirtschaft liegt. Die Herausforderungen lägen in der wirtschaftlichen Zusammenarbeit mit Ländern des Ostens und des Südens.

Private als Motor der Entwicklung

Laut Swisscontact-Geschäftsführer Urs Egger liegt der Motor jeder Entwicklung in der Privatinitiative. Swisscontact sehe sich als Scharnier zwischen öffentlicher und privater Entwicklungs-Zusammenarbeit zwecks Synergieschaffung.

Anhand der Förderung ländlicher Finanzdienstleistungen in Ecuador und Südafrika erläuterte Egger die Kooperation zwischen Staat und Privaten. Hinter diesen Projekten stehen die DEZA und das seco als Geldgeber sowie Swisscontact als Ausbildner von lokalen Mitarbeitenden.

Die Armut in der Dritten Welt lasse sich aber ohne Zugang der Armen zu den Märkten nicht verringern, sagt Egger gegenüber swissinfo. “International braucht es ganz klar weitere Reformen im Rahmen der Welthandelsorganisation (WTO): Abbau des Agrarprotektionismus im Norden, aber auch in anderen Sektoren wie Textil, Stahl.

“Good governance”

Für Rudolf Walser von economiesuisse setzt erfolgreiche Entwicklungshilfe akzeptable wirtschaftspolitische Rahmenbedingungen in den Empfangsländern voraus. Deshalb müsse die schweizerische Entwicklungs-Zusammenarbeit dem Prinzip der “guten Regierungsführung” mehr Gewicht beimessen.

Walser kritisiert, dass sich unter den Empfängerländern der schweizerischen Entwicklungshilfe solche – so zum Beispiel Niger und Tschad – befinden, die nach einem von der Weltbank erstellten Politikindex hinsichtlich der Rahmenbedingungen eher als schlecht taxiert werden müssten.

“Der Weltbank-Index ist nicht die Bibel”, meint DEZA-Direktor Walter Fust und warnt davor, arme Länder wie Niger und Tschad einfach fallen zu lassen. Eine solche Politik würde eine Massenmigration zur Folge haben, was man gerade auch in Wirtschaftskreisen ja nicht wolle.

Wirtschaft schiesst auf NGOs

Nach Ansicht von Walser leidet die entwicklungspolitische Auseinandersetzung darunter, “dass sie weniger von rationalen als von ideologischen Argumenten bestimmt wird und deshalb zu einem Tummelfeld für Fundamentalisten, missionarische Eiferer, Romantiker, Gesinnungsethiker und Systemveränderer geworden ist”.

In die operative Umsetzung der schweizerischen Entwicklungs-Zusammenarbeit sind viele Akteure im In- und Ausland einbezogen, darunter auch schweizerische Nichtregierungs-Organisationen (NGOs). Einige von ihnen seien dabei “zu eigentlichen advokatorischen Bewegungen für Drittweltfragen mutiert”, sagt Walser.

Economiesuisse möchte von der DEZA mehr Informationen erhalten, “wie die Legitimation jener NGOs geprüft wird, die vor allem in der internen Wirtschaftspolitik sich immer lautstark zu Wort melden”. Walser zu swissinfo: “Bei diesen NGOs hat man manchmal das Gefühl, dass ihnen die Systemveränderungen in der Schweiz wichtiger sind als das Los der Armen in der Dritten Welt.”

DEZA-Direktor Fust teilt die Kritik der Wirtschaft an den NGOs nicht. Im Gegenteil: “Sehr erfolgversprechend sind sogenannte ‘multi-stakeholder’-Plattformen, bei denen sich NGOs, die Entwicklungs-Zusammenarbeit und die Privatwirtschaft gemeinsam für eine Zusammenarbeit mit sozialen Zielsetzungen verpflichten.”

Die DEZA sei ausserdem jederzeit bereit, über ihre NGO-Partner offen zu informieren. Und Walter Fust erinnerte Rudolf Walser daran, dass economiesuisse ja auch eine Nichtregierungs-Organisation sei.

swissinfo, Jean-Michel Berthoud

Milleniumsziel der Entwicklungs-Zusammenarbeit: Halbierung der Armut bis 2015

Entwicklungshilfe-Zielgrösse des Bundesrates: 0,4% des Bruttosozialproduktes

In der Entwicklungs-Zusammenarbeit ist ein Zusammenrücken von Privatwirtschaft und Staat nötig. An einer Veranstaltung des Schweizer Hilfswerks Swisscontact und des Wirtschaftsverbandes economiesuisse setzten sich die Akteure über die Zukunft der Schweizer Entwicklungshilfepolitik auseinander.

Wirkung und Erfolg der Entwicklungs-Zusammenarbeit in Drittwelt- und Schwellenländern stehen in einem weiten Spannungsfeld. Dieses bilden Privatwirtschaft und staatliche Förderung einerseits, politische und wirtschaftliche Rahmenbedingungen sowie private Initiative andererseits.

Hintergrund der Veranstaltung in Zürich bildeten die zwei bundesrätlichen Botschaften, welche die Fortsetzung der wirtschaftspolitischen Massnahmen für Entwicklungsländer sowie die technische Entwicklungs-Zusammenarbeit betreffen.

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