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Pro Helvetia bekräftigt ihre Identität

Pius Knüsel (links), der Direktor und Mario Annoni. Präsident von Pro Helvetia. Keystone

Die Schweizer Kulturstiftung hat sich im Hinblick auf im Parlament anstehende Gesetzesrevisionen, eine neue Charta gegeben.

Pro Helvetia, die im Jahr 2006 rund 70% ihrer Mittel direkt in Kulturprojekte investierte, wehrt sich gegen die von der Regierung vorgesehene Kürzung der Beiträge.

“Experimentieren, Unterschiede, Konfrontation und Respekt” sind die vier Schlüsselwörter der neuen Pro-Helvetia-Charta, die am Donnerstag in Bern präsentiert wurde.

Die Charta-Autoren fassten sich extrem kurz: Eine einzige Seite gegenüber den 16 für das vorhergehende, in den frühen 90er-Jahren verfasste Dokument.

Weiter kann man lesen, dass die Stiftung “innovative und mutige Projekte” unterstütze. Sie helfe Unterschiede sichtbar zu machen aber auch die Gemeinsamkeiten. Weiter ermutige sie die kritische Auseinandersetzung und die kulturelle Ausbildung.

Mit dieser Charta möchte Pro Helvetia die anstehende Debatte zur staatlichen Kulturunterstützung beleben. Ende Mai muss nämlich die Regierung zwei Gesetzesrevisionen vorlegen, welche dieses Gebiet von 2009 an bestimmen werden.

Die künstlerische Freiheit

“Die Autonomie von Pro Helvetia muss genauso wie die künstlerische Freiheit garantiert sein”, erklärte Mario Annoni, der Präsident der Stiftung. Für ihn dient die Kunst nicht ausschliesslich der Diplomatie oder der Förderung der Wirtschaft.

Die Revision soll weiter die Aufgabenteilung der fünf eidgenössischen Organe klären, die Kulturbeihilfen gewähren. Hier wünscht Pro Helvetia die Übergabe der operativen Aktivitäten, die momentan dem Bundesamt für Kultur übertragen sind.

“Da es sich um visuelle Künste handelt, um die Organisationen von Biennalen und die Stipendienvergabe für die Künstler, bringt es nichts, zwei Organisationen zu halten, welche dieselbe Arbeit machen”, erklärte Annoni.

Überall Einsparungen

Bis aber die Gesetzesdebatten abgeschlossen sind, kämpft Pro Helvetia für einen Rahmenkredit von 2008-2011. Während die Stiftung 143,8 Mio. Franken verlangt, will die Regierung wegen den alle Ministerien betreffenden Spargrundsätze nur 135 Mio. gewähren.

Allerdings wird das Parlament das letzte Wort haben. Vor den Beratungen im Plenum hat sich die zuständige Kommission des Nationalrates bereits für den von der Pro Helvetia geforderten Betrag ausgesprochen.

Ende 2004 setzten die Parlamentarier ihr Missfallen gegen die Stiftung finanziell um. Eine Mehrheit zeigte sich über die Unterstützung der provozierenden Pariser Ausstellung von Thomas Hirschhorn schockiert und kürzte deshalb das Budget für das folgende Jahr um eine Million Franken.

Doch das beunruhigt Mario Annoni nicht. Diese Affäre gehört für ihn zur Vergangenheit: “Jeder hat daraus seine Lehren gezogen, insbesondere Pro Helvetia.”

Sehr professionell

In den letzten Jahre hat die Stiftung wichtige Strukturreformen umgesetzt. Häufig stand sie wegen ihrer hohen Verwaltungskosten im Kreuzfeuer der Kritik. Nun hat sie sich das Ziel gesetzt, 70% ihrer Mittel den Künstlern direkt auszuzahlen.

Diese Zielsetzung hat sie im Jahr 2006 mit 68,6% fast erreicht. Und die Pro Helvetia-Leitung will dort nicht verharren.

Im Mai 2006 hat die parlamentarische Verwaltungskontrolle ihren Bericht über die Stiftung abgeliefert. Am Donnerstag wurde nicht versäumt zu betonen, die Experten hätten Pro Helvetia eine “sehr professionelle Arbeitsweise” attestiert. Sie sei “wichtig für die Förderung der Schweizer Künstler und für die Verbreitung derer Werke im In- und Ausland”.

swissinfo, Marc-André Miserez
(Übersetzung aus dem Französischen: Etienne Strebel)

Bei ihrer Gründung 1939 erhielt die Schweizer Kulturstiftung Pro Helvetia fast 100% der Bundessubventionen für Kulturprojekte. Heute gehen nur noch 12% der gesamten Kulturgelder des Bundes an Pro Helvetia.

Es gibt noch vier andere Bundesinstitutionen sowie die Kantone und Gemeinden, die Kulturaktivitäten unterstützen.

2006 erhielt Pro Helvetia 3063 Unterstützungsanträge. Davon wurden 47% gutgeheissen. Damit hat die Schweizer Kulturstiftung an jedes Projekt durchschnittlich 14’500 Franken beigesteuert.

65% dieser Projekte betrafen Aktivitäten von Künstlerinnen und Künstlern im Ausland. Dieser Verteilschlüssel ist zwar nirgends festgelegt, hat bei Pro Helvetia aber Tradition.

Eine weitere Tradition ist die Förderung der Sprachminderheiten in der Schweiz. 2006 gingen 32% der Pro-Helvetia-Gelder an die Romandie (wo 20% der Schweizer Bevölkerung leben), 14% an die italienische Schweiz (6,5%) sowie 2% an die rätoromanische Schweiz (0,5%).

2006 unterstützte Pro Helvetia rund 1000 Projekte im Ausland: Konzerte, Theater, Tanz, Ausstellungen, Filmfestivals.

Zu erwähnen sind unter anderem erfolgreiche Ausstellungen für ein grosses Publikum wie die Swiss Contemporary Arts in Japan oder die Tournee der Jazzgruppe Tré für ein kleineres Publikum in Deutschland. Laut Pro Helvetia besuchten weltweit etwa 3 Millionen Zuschauerinnen und Zuschauer die Kulturveranstaltungen.

Dazu kommen 2 Millionen Leserinnen und Leser von Büchern, die mit Hilfe der Pro Helvetia in die Bibliotheken gekommen sind. Dabei hat die Kulturstiftung oft die Übersetzung finanziert.

Gesamthaft kann man also von rund 5 Millionen Menschen sprechen, die mit Pro Helvetia-Kulturprojekten im Ausland in Berührung kamen.

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